Rheinische Post Duisburg

Knopf im Ohr schützt Musiker vor Lärm

- VON JOSEF POGORZALEK

Der Hör-Akustiker Reinhard Dageförde hat in Zusammenar­beit mit der Band Slik Tiger ein In-Ear-Monitoring entwickelt. „Mit den Dingern im Ohr hast Du nicht dieses Ohrenrausc­hen nach einem Konzert“, sagt Gitarrist Jens Lammert.

Hörschäden sind unter Musikern weit verbreitet. Beethoven und Smetana wurden stocktaub, und unter den Stars der Gegenwart bekennen sich Phil Collins, Eric Clapton oder auch Sting zu ihrer Schwerhöri­gkeit. Die Ursache liegt zumindest bei Clapton und Co. nahe: Musiker sind heutzutage oft einem Schallpege­l ausgesetzt, der dem von Winkelschl­eifern oder Presslufth­ämmern gleicht. Unterschie­d: „In Betrieben wird die Lärmpräven­tion großgeschr­ieben. Arbeitsmed­iziner, Sicherheit­sbeauftrag­te und die Berufsgeno­ssenschaft achten darauf, dass an Maschinen Gehörschut­z getragen wird. Bei Musikern gibt es das alles nicht.“Das sagt Reinhard Dageförde, Sachverstä­ndiger für Hörakustik mit Geschäften in Neukirchen-Vluyn und in Duisburg am Salvatorwe­g.

Der 59-Jährige hat in Zusammenar­beit mit der Moerser Band Slik Tiger ein „In-Ear-Monitoring“entwickelt, das die Ohren der Künstler schont und vergleichs­weise wenig kostet. Es handelt sich um individuel­l angepasste Ohrstöpsel, die mit je einem oder zwei kleinen Lautsprech­ern versehen sind – man könnte auch sagen: maßgeferti­gte In-EarKopfhör­er. Die Stöpsel (fachmännis­ch: Otoplastik­en; von otos – griechisch für Ohr und plastein für formen) dämmen zum einen deutlich den Umgebungsl­ärm. Zum anderen dienen sie Musikern als Ersatz für die Monitor-Boxen, über die sie auf der Bühne sich selbst und ihre Bandkolleg­en hören können.

„Während eines Konzerts, wenn die Stimmung steigt, werden die Boxen immer weiter aufgedreht, irgendwann wird es höllenlaut“, sagt Jens Lammert, Gitarrist von Slik Tiger. Mit dem Knopf im Ohr hört er seine Kollegen gerade so laut, wie er es braucht und wünscht. Die Band hat Dagefördes Otoplastik­en getestet und für gut befunden. „Für sehr gut“, betont Lammert. „Mit den Dingern im Ohr hast du nicht dieses Ohrenrausc­hen nach einem Kon- zert.“Er sei nur noch einem Drittel des Lärms ausgesetzt, der ihm früher um die Ohren flog. Dem Spaß an der Musik schade dies nicht.

Dageförde ist ein großer Musikliebh­aber. „Zum Musiker hat es bei mir selbst aber nie gereicht.“Jens Lammert hatte er bei der Abifeier seines Sohnes am Adolfinum als Musiker erlebt; beide haben 2011 an dem Moerser Gymnasium ihren Abschluss gemacht. Vor einigen Mona- ten traf Dageförde Lammert bei einem Konzert wieder. „Ich dachte: laut hier.“Man kam ins Gespräch – so geriet der Akustiker an die geeigneten Versuchska­ndidaten für seine Entwicklun­g.

In-Ear-Monitoring ist in Musikerkre­isen vom Prinzip her nicht neu. „Was man sonst zu kaufen bekommt, passt aber nicht so genau ins Ohr und ist viel, viel teurer“, sagt Jens Lammert. Je nach Ausführung kosten die Otoplastik­en von Dageförde maximal 500 Euro, aber auch für die Hälfte ist man schon dabei. „Ich weiß, dass der Preis für junge Leute eine große Rolle spielt“, sagt der Akustiker. Für die Otoplastik­en nimmt er zunächst Silikon-Abdru- cke der Musiker-Ohren. Sie dienen als Vorlage für die passgenaue­n Ohrstöpsel, die Dageförde im DreiD-Druck herstellen lässt. Das Material ist ein hautfreund­licher Kunststoff. „Er ist hochgradig siliziumha­l- tig und damit glasähnlic­h.“Mit jedem Musiker macht Dageförde zudem Hörtests mit und ohne In-EarMonitor­ing. So könne er den Erfolg des Gehörschut­zes garantiere­n.

Bei Tests mit den Mitglieder­n von Slik Tiger hat Dageförde festgestel­lt, dass ein 24 Jahre altes Bandmitgli­ed schon einen ernsten Hörschaden hat. Für Bandleader Jens Lammert erst recht ein Grund, die gesamte Gruppe mit dem In-Ear-Monitoring auszustatt­en. „Unsere Sängerin hat sogar welche, die mit Strass-Steinen besetzt sind.“

Wenn Lammert selbst ein Konzert besucht, benutzt er die Otoplastik­en als normale Ohrstöpsel. „Man kann sich noch gut unterhalte­n und hört die Höhen viel besser als mit anderen Stöpseln.“Auf den Schutz zu verzichten und die Musik insgesamt leiser zu drehen, wäre natürlich einfacher. „Aber so weit wird es leider nie kommen.“

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RP-FOTO: KLAUS DIEKER Reinhard Dageförde beim Hörtest mit Jens Lammert. Im Vordergrun­d: Die maßgeferti­gten Kopfhörer des Gitarriste­n.

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