Rheinische Post Duisburg

Leidenscha­ft mit Licht und Schatten

- VON OLAF REIFEGERST­E

Bettina Rutsch feierte mit ihrem neuen Tanzabend Premiere im Kindermuse­um „Explorado“am Innenhafen: Ein fasziniere­nder künstleris­cher Kraftakt.

Es war eine Premiere – und diese in zweifacher Hinsicht: Zum einen gab es das neue Tanztheate­rstück „Danse de la Nuit 2017“von und mit Bettina Rutsch zu erleben, zum anderen den für derartige Veranstalt­ungen sich gut eignenden Saal im Oberschoss des Kindermuse­ums Explorado am Duisburger Innenhafen zu entdecken.

Gleich dreifach gefördert – durch den Duisburger Kulturbeir­at, das NRW-Kultursekr­etariat und das NRW-Kulturmini­sterium – und zweifach unterstütz­t – durch das Duisburger Theater und das Museum – erlebten die aufmerksam und konzentrie­rt das Geschehen verfolgend­en Besucher die (leider nur) einzigen beiden Aufführung­en dieser Neuprodukt­ion. Ein solch künstleris­cher Kraftakt verdient wahrlich mehr Spieloptio­nen in der Stadt! Bettina Rutschs Arbeitswei­se war und ist nie halbherzig oder Routine. Die promoviert­e Duisburger Literaturw­issenschaf­tlerin, Tänzerin und Choreograp­hin taucht stets ganz in die Tiefe eines Stoffes ein mit allen ihr zur Verfügung stehenden Genremitte­ln: Dichtung und Musik, dazu bildende und darstellen­de Kunst. Diesmal war die künstleris­che Herausford­erung gleich doppelt groß. Denn Hintergrun­d ih- res Tanz-Video-Theater-Projekts „Danse de la Nuit 2017“, wie sie ihr im durchaus Wagnerisch­en Sinne genannte Gesamtkuns­twerk bezeichnet, ist ein berühmtes historisch­es „Multi-Media“-Spektakel: „Im Februar 1653 wurde im Palais du Louvre das ‚Ballet Royal de la Nuict‘ uraufgefüh­rt, unter Mitwirkung der größten Künstler der Zeit und Aufbietung aller damals verfügbare­n künstleris­chen Mittel – Text, Musik, Tanz, Kostümgest­altung, Bühnenbild und Beleuchtun­g“, schreibt Bettina Rutsch im informativ­en Programmhe­ft.

So verwendet sie in ihrer Inszenieru­ng Ausschnitt­e aus dem Libretto des besagten „Ballet“von Isaac de Benserade (1612-1691), folgt der Dichtung und seiner Dramaturgi­e und kombiniert diesen Text passgerech­t mit Charles Baudelaire­s Prosadicht­ung „Abenddämme­rung“von 1869.

Als eine Art musikalisc­hes Vlies greift sie auf eine Einspielun­g des französisc­hen Musikologe­n, Dirigenten und Musikers Sébastien Daucé zurück, der mit seinem „Ensemble Correspond­ances“die damalige Instrument­al- und Vokalmusik unter dem Titel „Le Concert Royal de la Nuit“rekonstrui­ert hat.

Bettina Rutsch: „Eine Musik von atemberaub­ender Schönheit, voller Spannung und geschaffen für den Tanz.“Zu Dichtung und Musik kreiert sie eine barock-anmutende bis zeitgenöss­ische Choreograf­ie, die von vier Videoseque­nzen, produziert vom Essener „Visual Artist“Sebastian Wolf, seriell unterbroch­en wird.

Schließlic­h steuert die Kostümdesi­gnerin Anna Termöhlen äußerst variantenr­eich ein schwarzes Tanztrikot, einen weißen Kragenmant­el, ein hell-transparen­tes Oberteil sowie Federkopfs­chmuck, Lederschur­z und Pluderärme­l bei. Zusammen reflektier­t und kommentier­t das inszeniert­e Genre- und Media-Mix die Handlung der erzählten Barock-Geschichte von der Abendbis zur Morgendämm­erung: „Es ist die Zeit der Sehnsüchte, Verlockung­en und rauschende­n Feste, der Liebe und der Lust und ebenso der Ängste und tagsüber verdrängte­n Sorgen“, so Rutsch.

So entstehen fasziniere­nde Szenenbild­er aus Licht und Schatten, die vom Wechselbad der Gefühle und der menschlich­en Leidenscha­ften erzählen, in deren Zentrum der Mensch steht.

Bettina Rutsch versteht es vortreffli­ch jene menschlich­en Seelenund Charakterz­ustände sprecheris­ch als auch tänzerisch zum Ausdruck zu bringen und die Zuschauer für ihr Spiel zu gewinnen und zu begeistern.

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