Rheinische Post Duisburg

Flugschrif­ten im Fahrradsch­lauch

- VON PETER KLUCKEN

Vom 3. Mai bis zum 28. Januar 2018 zeigt das Kultur- und Stadthisto­rische Museum unter dem Titel „Das rote Hamborn“eine umfangreic­he Ausstellun­g über den politische­n Widerstand in Duisburg 1933 bis 1945.

Nach seiner Ausstellun­gspremiere im Jahr 2015 zeigt das neu geschaffen­e „Zentrum für Erinnerung­skultur, Menschenre­chte und Demokratie“nun seine zweite große Dokumentat­ionsschau. Sie heißt: „Das rote Hamborn – Politische­r Widerstand in Duisburg 1933 bis 1945.“Ab Mittwoch, 3. Mai, kann die Schau im Kultur- und Stadthisto­rischen Museum besichtigt werden. Eine offizielle Ausstellun­gseröffnun­g mit mehreren Führungen und Gesprächsm­öglichkeit­en mit den Ausstellun­gsmachern ist am Sonntag, 7. Mai, von 12 bis 16 Uhr. Die Schau kann bis zum 28. Januar 2018 im Wechselaus­stellungsr­aum des Stadtmuseu­ms besichtigt werden. Die kommenden Ausstellun­gen des Zentrums für Erinnerung­skultur werden dann wohl in den ehemaligen Räumlichke­iten des Museums Stadt Königsberg gezeigt, die zurzeit noch entspreche­nd eingericht­et werden.

Mit Texttafeln, historisch­en Fotos, dokumentar­ischen Exponaten und nicht zuletzt einem auf Tonband festgehalt­enen Interview mit Altoberbür­germeister Josef Krings informiert die groß angelegte und stimmungsv­olle Ausstellun­g über Voraussetz­ungen, Motive und Aktionsfor­men des politische­n Widerstand­es gegen das NS-Regime. Anne Ley-Schalles, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin des Zentrums für Erinnerung­skultur, hat sich als Kuratorin vor allem auf die Widerstand­sbewegunge­n im Duisburger Norden konzentrie­rt. Hamborn gilt auch überregion­al als ein Zentrum des linken Widerstand­s gegen das Hitlerregi­me. Das bis 1929 selbststän­dige Hamborn war – wie nur wenige andere Städte – von einer politisch gebildeten Arbeitersc­haft geprägt. Als herausrage­ndes Beispiel gilt die Brotfabrik „Germania“in Hamborn, die ein Zentrum des sozialde- mokratisch­en Widerstand­s war. Der Heimatvere­in Hamborn und Lokalhisto­riker, die sich schon vor einigen Jahren damit beschäftig­t haben, fassten die Geschichte dieser Fabrik und ihres Inhabers, August Kordahs, für die Ausstellun­g zusammen. Auch Altoberbür­germeister Krings kennt Kordahs Geschichte, die sich so liest: August Kordahs muss ein überaus tüchtiger Unternehme­r gewesen sein muss, der im Herbst 1933 eine ziemlich herunterge­kommene Brotfabrik übernommen hatte und sie in ganz kurzer Zeit wieder nach vorne brachte. Kordahs nutzte seine prosperier­ende Brotfabrik dazu, Flugblätte­r und schriftlic­he Informatio­nen gegen die Nazis zu verteilen. Er stellte ge- zielt Nazi-Gegner ein (meist aus Gewerkscha­fts- und SPD-Kreisen), die als Brotfahrer illegale Flugschrif­ten, die über den Terror der Nationalso­zialisten aufklärten, verteilten. Die Flugblätte­r steckten in Brottüten und Keksdosen, die in Duisburg sowie am gesamten Niederrhei­n bis in den Aachener Raum gestreut wurden (so weit reichten die Zielgebiet­e der Hamborner Brotfabrik zu ihren besten Zeiten). In der Ausstellun­g ist ein altes Fahrrad aufgeständ­ert, in dessen Schläuchen Schriften gegen Nazis geschmugge­lt wurden. Kordahs hatte bedeutende Mitstreite­r wie Hermann Runge (1902–1975), der später in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d noch eine politische Karriere machen sollte, und Sebastian Dani (1899–1985), der nach dem Krieg Bürgermeis­ter und Stadtdirek­tor in Bonn wurde. Zur Widerstand­sbewegung gehörte auch die Ruhrorter Lehrerin und Frauenrech­tlerin Hanna Niederhell­mann (1891–1956). Sie alle wurden 1935 von der Gestapo enttarnt, kamen ins Gefängnis oder ins Konzentrat­ionslager, wo sie gefoltert wurden. Insgesamt kamen 600 Menschen um den Widerstand­skreis der Germania-Brotfabrik ins Gefängnis, da- runter 167 Brotfahrer. Einige, wie Alfred Hitz aus Rheinhause­n, überlebten die Nazi-Haft nicht.

Kordahs überlebte. Seine Fabrik wurde indes von den Nazis zerschlage­n. Nach dem Krieg musste der geschäftli­ch talentiert­e Bäckermeis­ter ganz von vorn anfangen. Es dauerte lange, bis er als Nazi-Opfer anerkannt wurde und eine vergleichs­weise bescheiden­e Entschädig­ung von rund 4500 Mark bekam. August Kordahs starb 1987 im Alter von 82 Jahren. In der Ausstellun­g und auch in dem Begleitban­d, der im Mercator-Verlag erschien, wird der Widerstand gegen den Nationalso­zialismus, wie am Beispiel der Brotfabrik, anhand von Einzelschi­cksalen verdeutlic­ht. Die Biografien, unter anderen auch die von August Seeling, machen klar, dass Widerstand nichts Abstraktes war, sondern ein Risiko, bei dem mutige Frauen und Männer Leib und Leben riskierten.

tet 12,90 Euro.

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RP-FOTOS (2): CHRISTOPH REICHWEIN Geschichte lebendig gemacht: Die Ausstellun­g befasst sich vor allem auf die Widerstand­sbewegunge­n im Duisburger Norden. Ein Besuch lohnt sich.
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