Polizei klagt: 150000 Überstunden
Nun droht sogar der Verfall der geleisteten Mehrarbeit. Vier Gewerkschafter berichten von den Problemen ihrer Kollegen und fordern nachhaltige Verbesserungen.
(RPN) Die rund 1800 Polizisten in Duisburg – inklusive der Wasserschutzpolizei – schieben derzeit (Stand: Ende Februar) 114.600 Überstunden vor sich her. „Und dabei handelt es sich nur um die angeordnete Mehrarbeit. Hinzu kommen weitere Zehntausende Überstunden, die aus den Rufbereitschaften und aus dem alltäglichen Dienst entstehen“, sagt Arno Eich. Der Kreisverbands-Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter klagt ebenso wie Volker Schneider (Deutsche Polizeigewerkschaft) sowie Harald Jurkovic und Stephan Baumgarten (beide Gewerkschaft der Polizei) über die enormen Belastungen, denen alle Ordnungshüter ausgesetzt sind. Wie enorm die Anforderungen an die Polizisten in einer Schwerpunktbehörde wie Duisburg sind, zeigte Jurkovic auf, in dem er einen Blick auf den Dienstplan der hiesigen Hundertschaft warf. Die war zwischen dem 20. und 29. April quasi unentwegt im Einsatz: Angefangen mit einem 15-Stunden-Einsatz beim Euro-League-Spiel zwischen Schalke und Amsterdam ging es danach für drei Tage und Nächte zum AfD-Parteitag nach Köln, ehe weitere Fußball- und Demo-Einsätze folgten, die stets zwölf Stunden dauerten. „Erst nach neun Tagen am Stück hatten diese Kollegen am 30. April einen Tag frei. Und diese Taktung ist inzwischen fast Standard“, nennt Jurkovic nur einen von vielen Gründen, wie dieser gigantische Berg an Überstunden entstehen konnte.
Rund 68.000 Überstunden konnten im Vorjahr abgebaut werden. „Etwa 40 Prozent als Freizeitausgleich, 60 Prozent wurden ausbezahlt“, so Baumgarten. Nun zieht ein neues Problem am Horizont auf: Diese Überstunden könnten verjähren. Auf alle vor dem 1. Januar 2015 geleisteten Stunden haben die Polizisten fünf Jahre An- spruch, ehe sie verfallen. „Davon haben wir rund 41.000“, so Baumgarten. Alle nach diesem Stichtag angefallenen Überstunden haben nur drei Jahre Gültigkeit – verfallen also Ende 2018. „Einige Kollegen haben über 1000 Überstunden. Und erst müssen die Altstunden abgebaut werden. Wie sollen sie das denn schaffen?!?“, fragt Eich kritisch.
Volker Schneider betont, dass aus diesen Gründen im NRW-Justizbe
reich bereits 80000 Überstun-
Volker Schneider den verfallen seien. „Und das kann nicht sein: Für geleistete Arbeit muss es einen Ausgleich geben“, so Schneider. Und gemeinsam mit seinen drei Gewerkschafter-Kollegen forderte er in Richtung NRW-Innenministerium: „Diese Verjährungen müssen wegfallen.“
Ein Lösungsansatz könnte laut Jurkovic ein Lebensarbeitszeit-Konto sein. Mit Hilfe der angesammelten Überstunden könnten ältere Kollegen dann eher in den Ruhestand gehen. Eich mahnte aber an, dass dies nur möglich sei, wenn es sofort personellen Ersatz für die früher pensionierten Kollegen gebe. „Ansonsten bricht alles zusammen“, so Eich.
Man arbeite bereits jetzt am Anschlag. „Allein uns bei der Duisburger Kripo fehlen rund 50 Sachbearbeiter. Wenn wir eine Mordkommission gründen werden die Kollegen aus anderen Kommissariaten zusammengezogen – und dann bleibt deren eigentliche Arbeit liegen“, schildert Eich. Baumgarten ärgert sich, weil bereits im Jahr 2013 mit dem Innenministerium unter Führung von Ralf Jäger ein Probelauf für ein Lebensarbeitszeit-Konto vereinbart worden war. „Ans Laufen gekommen ist die Sache aber bis heute nicht. Dabei gibt es schon Versuche in dieser Richtung – etwa bei der Bundespolizei“, so Baumgarten.
„Das kann nicht sein: Für geleistete Arbeit
muss es einen Ausgleich geben“
Deutsche Polizeigewerkschaft