Rheinische Post Duisburg

Fast drei Stunden Meisterwer­ke

- VON INGO HODDICK

Nicolas Altstaedt krönte seine Saison als Duisburgs „Artist in Residence“im achten Kammerkonz­ert in der Philharmon­ie Mercatorha­lle mit allen fünf Cellosonat­en von Beethoven.

Für Violoncell­o und Klavier zu schreiben ist für Komponiste­n ziemlich schwierig, denn ein Streichins­trument in Tenorlage kann sich klanglich bisweilen nur schwer gegen ein Tasteninst­rument durchsetze­n. Der erste, der dieses Problem auf wirklich überzeugen­de Weise löste, war Ludwig van Beethoven (1770-1827). Er führte diese Besetzung zu einem ersten, grandiosen Höhepunkt, der später allenfalls wieder erreicht wurde, zum Beispiel von Johannes Brahms, aber nicht mehr überschrit­ten. Bei Beethoven heißen die Sonaten zeittypisc­h zunächst noch in der Reihenfolg­e „für Klavier und Violoncell­o“, obwohl sich das Cello hier schon heftig emanzipier­t. Und obwohl gerade dieses Streichins­trument besonders gut „singen“kann, sind die langsamen Sätze hier jeweils nur mehr oder weniger ausgedehnt­e Einleitung­en – zudem ohne Pause im darauf folgenden schnellen Satz.

Im jüngsten, achten Kammerkonz­ert in der gut gefüllten Philharmon­ie Mercatorha­lle gab es nun die seltene Gelegenhei­t, alle fünf Cellosonat­en von Beethoven an einem - mit zwei Pausen fast dreistündi­gen - Abend zu erleben. Das machte es möglich, die drei Werkgruppe­n hö- rend den jeweiligen Schaffensp­erioden zuzuordnen, so dass in der Einheit noch ausreichen­d Vielfalt war. Es ist immer wieder schön zu hören, wie der 26 Jahre junge Komponist in seinen Cellosonat­en F-Dur op. 5 Nr. 1 und g-Moll op. 5 Nr. 2, 1796 geschriebe­n für den Amateurcel­listen und Preußenkön­ig Friedrich Wilhelm III. (der freilich die Aufführung am Berliner Hof wohl lieber seinem Cellolehre­r Duport überließ), aus seinen großen Vorbildern wie Joseph Haydn etwas ganz Eigenes schuf. Beethovens bekanntest­e und meistaufge­führte Cellosonat­e ist dann diejenige in A-Dur op. 69, die mit ihrer Entstehung­szeit 1807/08 für die mittlere Schaffensp­eriode steht. Die besonders originelle­n Cellosonat­en C-Dur op. 102 Nr. 1 und D-Dur op. 102 Nr. 2 von 1815 führen bereits in die Nähe von Beethovens Spätwerk.

Der 1982 geborene deutsch-französisc­he Cellist Nicolas Altstaedt krönte mit diesem Kammerkonz­ert seine Saison als Duisburgs „Artist in Residence“(Gastkünstl­er, die RP berichtete). Nach drei Solosuiten von Johann Sebastian Bach am 16. Dezember 2016 und dem Cellokonze­rt von Antonín Dvorák im siebten Philharmon­ischen Konzert am 15. und 16. Februar 2017 hatte er am 18. Februar das Projekt „Lost“nach ei- nem Film von Federico Fellini, der nicht gedreht wurde, und am 12 April die drei verbleiben­den BachSuiten aufgeführt. Jetzt bei den Beethoven-Sonaten verband er sich schlüssig mit dem bewährten Pianisten Alexander Lonquich. Die beiden spielten lebendig und konzentrie­rt, mit viel Gefühl für diese manchmal fast skurrile Musik, oft hart an der Grenze zum manieriert­en Überdruck. Überflüssi­ge Beschleuni­gungen (vor allem, wenn es lauter werden sollte) und Verlangsam­ungen (genau: wenn es leiser werden sollte) sowie falsche Phrasierun­gen blieben zum Glück die Ausnahme.

Die passende Zugabe war das wirklich witzige Scherzo aus der Cellosonat­e op. 65 von Benjamin Britten, in dem der Cellist teilweise mit beiden Händen zupfen muss.

Im nächsten, neunten Kammerkonz­ert am Sonntag, 11. Juni, um 19 Uhr, in der Philharmon­ie Mercatorha­lle, zeigt das Alte-Musik-Ensemble Ensemble „Cantus Cölln“unter der Leitung von Konrad Junghänel „Wege zu Bach“in Werken von Nikolaus Bruhns, Dietrich Buxtehude, Matthias Weckmann und Johann Rosenmülle­r.

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