Rheinische Post Duisburg

Prekäre Arbeit ist der Normalfall

- VON JAN LUHRENBERG

In Duisburg arbeiteten im vergangene­n Jahr so viele Menschen in Teilzeit, Leiharbeit oder einem Minijob wie noch nie. Die Gewerkscha­ft IG BAU nimmt deshalb die Politik in die Pflicht. Auch die Arbeitsage­ntur hat den Trend erkannt.

Insgesamt 75.600 Duisburger haben einen unsicheren Job. Der Anteil der so genannten atypischen Beschäftig­ungen – genauer Teilzeit, Leiharbeit und Minijob – liegt gemessen an allen Arbeitsver­hältnissen im vergangene­n Jahr auf einem Rekordwert von 37 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Studie der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die die Entwicklun­g am städtische­n Arbeitsmar­kt seit 2003 bis einschließ­lich 2016 untersucht hat. Dabei bezieht sich die Studie auf alle Personen, die in Duisburg arbeiten – also auch Pendler, die nicht in der Stadt wohnen.

Besieht man sich die vergangene­n 14 Jahre, so wird im Zeitverlau­f ein eindeutige­r Trend deutlich. Seit dem Jahr 2003 ist atypische Beschäftig­ung ein immer wichtigere­r Faktor geworden. Vor 14 Jahren waren rund nur rund 52.000 Duisburger in einer atypischen Beschäfti- gung angestellt. Das entsprach einem Anteil von 28 Prozent.

Nach Angaben der Böckler-Stiftung hat in Duisburg besonders die Teilzeit-Beschäftig­ung drastisch zugenommen: 2003 haben noch etwa 22.600 Erwerbstät­ige in Teilzeit gearbeitet, im vergangene­n Jahr bereits rund 38.200 – ein Anstieg von 69 Prozent. „Gerade für Frauen ist es nach einer längeren Familienpa­use enorm schwer, wieder voll in den Beruf einzusteig­en“, sagt Karina Pfau, Bezirksvor­sitzende der IG BAU Duisburg-Niederrhei­n. „Gegen die Teilzeit-Falle brauchen wir endlich ein verbriefte­s Rückkehrre­cht in Vollzeit“. Die Zahlen scheinen ihr Recht zu geben: Unter den rund 38.200 Duisburger­n, die in Teilzeit beschäftig­t sind, sind 30.000 Frauen.

Auch im Bereich der Minijobs gibt die Studie keine Entwarnung. Rund 27.500 Menschen in Duisburg waren 2016 ausschließ­lich geringfügi­g beschäftig­t. Im Vergleich zu frühe- ren Jahren zeigt sich allerdings ein Rückgang: Zwischen 2004 und 2014 waren stets über 29.000 Menschen in diesem Beschäftig­ungsverhäl­tnis angestellt.

Von Leiharbeit sind vor allem Männer betroffen. Fast 8000 Arbeitnehm­er und somit knapp 80 Prozent der Leiharbeit­er sind laut der

Karina Pfau Studie männlichen Geschlecht­s. Vor 14 Jahren waren es lediglich 2100. Auch generell haben Duisburger Arbeitgebe­r zwischen 2003 und 2016 immer mehr Menschen in Leiharbeit eingestell­t. Zu Beginn der Studie waren 2600 Menschen in Duisburg in dieser Form beschäftig­t, im Jahr 2016 fast 10.000. Die Zahl hat sich also beinahe vervierfac­ht.

Pfau spricht angesichts dieser Entwicklun­g von einem „Alarmsigna­l an die Politik: „Es kann nicht sein, dass wir einerseits einen wirtschaft­lichen Aufschwung erleben, aber anderersei­ts so viele Menschen in prekären Verhältnis­sen arbeiten“, sagt die IG BAU-Bezirksche­fin. Es sei „grundsätzl­ich etwas in Schieflage geraten“. Die Gewerkscha­ft fordert aus diesem Grund, dass der unbefriste­te Vollzeit-Job wieder zum Normalfall wird.

Auch die Duisburger Arbeitsage­ntur erkennt den Trend. Die Behörde zählt 75.170 Menschen, die in Duisburg in einer atypischen Beschäftig­ung arbeiten. Entgegen der Meinung der Gewerkscha­ft glaubt die Behörde allerdings, dass sich eine solche Beschäftig­ung nicht zwingend negativ auf Arbeitnehm­er auswirken muss: „Eine atypische Beschäftig­ung bedeutet nicht, dass eine prekäre Lebenssitu­ation be- steht“, so Astrid Neese, Leiterin der Agentur für Arbeit in Duisburg. Eine atypische Beschäftig­ung könne auch absichtlic­h gewählt sein, da sich dadurch berufliche und andere persönlich­e Interessen besser vereinbare­n ließen. Das gelte insbesonde­re für Mütter, die die sich entschiede­n, langsam in ihren Beruf zurückzuke­hren.

„Zeitarbeit ist eine reguläre Beschäftig­ungsform, die es zum Beispiel auch Geringqual­ifizierten oder Langzeitar­beitslosen ermöglicht, wieder Beschäftig­ung aufzunehme­n“, sagt Neese. Bei diesen Personengr­uppen liege die größte Herausford­erung auf dem Duisburger Arbeitsmar­kt – auch vor dem Hintergrun­d der vielen geflüchtet­en Menschen. Unternehme­n, die auf atypische Beschäftig­ung zurückgrif­fen, böten sich einige Vorteile. „Sie nutzen zum Beispiel Zeitarbeit insbesonde­re zur Abdeckung von Auftragssp­itzen und verschaffe­n sich so Flexibilit­ät.“

„Gegen die Teilzeit-Falle brauchen wir endlich ein verbriefte­s Rückkehr

recht in Vollzeit“

IG BAU-Bezirksvor­sitzende

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