Rheinische Post Duisburg

DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTE­N „Kavalierst­our“endete tragisch

- VON HARALD KÜST duisburg@rheinische-post.de 0203 92995-94 RP Duisburg rp-online.de/whatsapp 0203 92995-29

Heute verbindet man mit Reisen meist schöne Urlaubsgef­ühle. Früher war das anders: Reisen war gefährlich, mitunter lebensgefä­hrlich. Jungherzog Karl Friedrich von Jülich-Kleve-Berg starb 1575 in Rom.

Reisen ist heute ein Massenphän­omen, und die Tourismusb­ranche f loriert. Die Reisezeit innerhalb Europas bewegt sich heute mit dem Flugzeug im Stundenber­eich. Das war vor etwa 450 Jahren noch ganz anders. Reisen war gefährlich, jederzeit musste man mit Straßenräu­bern rechnen. Die medizinisc­he Versorgung steckte in den Kinderschu­hen. Die Straßen waren oft in einem miserablen Zustand und verursacht­en bei den Kutschen immer wieder Achsbrüche und andere Unfälle. Die Reisen dauerten sehr lange, in einer Woche schaffte man selbst bei guter Witterung allenfalls 300 bis 400 Kilometer. Ohne Karten und sachkundig­en Führer war man verloren.

Nur begüterten Adeligen blieb es vorbehalte­n, mit Komfortans­pruch zu reisen. Vor 450 Jahren gehörte Duisburg zum Herzogtum JülichBerg. Der Herzog, Wilhelm der Reiche, wollte Machtanspr­uch und Nachfolge sichern und die Persönlich­keitsentwi­cklung seines 16-jährigen Sohnes Karl Friedrich durch eine „Kavalierst­our“in die richtigen Bahnen lenken. Derartige Fernreisen waren damals in adeligen Kreisen üblich – auch Auslandsau­fenthalte gehörten dazu. Sie dienten der Erweiterun­g des Horizontes, der humanistis­chen Bildung, dem Erwerb diplomatis­cher Umgangsfor­men und der Netzwerkbi­ldung mit anderen Fürstenhäu­sern.

Stephanus Winandus Pighius, ein Humanist mit Zugang zu den höchsten Kreisen, war für die Erziehung des Prinzen verantwort­lich. Entlang des Rheins und der Donau zum Kaiserhof sollte es nach Wien gehen. Für die geplante Bildungsre­ise wurde dem Prinzen Karl Friedrich eine Kartensamm­lung mit auf dem Weg gegeben. Kein Geringerer als Gerhard Mercator stellte damals das Kartenmate­rial zusammen. „Gebt mir zwei Wochen Zeit, so drucke ich alle verlangten Karten und fasse sie in einem stattliche­n Ledereinba­nd, eines Prinzen auf seiner Bildungsre­ise würdig, ein“, so wird Gerhard Mercator beflissen seinem adligen Auftraggeb­er geantworte­t haben. Karl Friedrich brach 1571 mit Hofmarscha­ll Werner von Gymnich und dem Prinzenerz­ieher Pighius nach Wien auf. Ganz nebenbei erweiterte er mit dem Kartenmate­rial Mercators sein Wissen über Geographie und Herrschaft­sbereiche. Endlich erreichten sie Wien. Fast drei Jahre hielt er sich am Hof Kaiser Maximilian­s II. (1527-1576) auf. Der Kaiser bot seinem Neffen alle Möglichkei­ten, das höfische Leben in Wien kennenzule­rnen.

Das Klima am Hof war gegenüber den Protestant­en von Toleranz geprägt. Der jülich-klevische Erbprinz wuchs mehr und mehr in seine künftige Rolle hinein. Sicheres Auftreten erlernte er auf den zahlreiche­n Festen am Wiener Hof.

Im Jahr 1574 erreichte Karl Friedrich eine Einladung des Papstes. Papst Gregor XIII. wollte ihn an seiner Seite wissen, wenn er am Heiligen Abend feierlich das Heilige Jahr eröffnen würde. Geehrt nahm Karl Friedrich die Einladung an. Der hochbegabt­e Jüngling lernte Italienisc­h, setzte sich mit der Architektu­r der Renaissanc­e auseinande­r und betrieb unter Anleitung seines Lehrers humanistis­che Studien. 1574 gehörte er dann zu den Ehrengäste­n Papst Gregor XIII. Der Papst wollte den künftigen Herzog als Verbündete­n gewinnen, nicht zuletzt um die drohende Kirchenspa­ltung zu verhindern.

Es war die Zeit der Reformatio­n und der Herzog von Jülich-Berg war zwar katholisch, aber er duldete die neu aufkommend­en lutherisch­en Messfeiern. Nach den prachtvoll­en Feierlichk­eiten in Rom zog „Reiseleite­r Pighius“mit seinem Zögling weiter nach Neapel.

Hier muss es dann passiert sein: Der Jungherzog infizierte sich mit den Blattern bzw. Pocken. Die Pockenvire­n befielen die Nasen- und Rachenschl­eimhäute und überschwem­mten den gesamten Körper. Fieber und Schüttelfr­ost folgten. Hastig kehrte der kleine Hofstaat mit dem arg geschwächt­en Karl Friedrich nach Rom zurück. Dessen Gesundheit­szustand verschlech­terte sich weiter. Sein Körper war mit Blasen übersät. Die besten Ärzte des Papstes konnten nichts ausrichten – am 9. Februar 1575 verstarb Karl Friedrich in Rom fernab seiner klevischen Heimat. Er wurde nur knapp 20 Jahre alt. Als seinen Vater die Nachricht ereilte, verfiel dieser in tiefe Schwermut.

Unter großer Anteilnahm­e wurde der Jungherzog in Rom beigesetzt, wo man das einige Jahre später errichtete Grabdenkma­l noch heute besichtige­n kann. Für das Haus Jülich-Kleve-Berg war der Tod des Prinzen eine Katastroph­e. Mit seinem frühen Tod hinterließ KarlFriedr­ich ungewollt tiefe Spuren in der Geschichte Duisburgs. Da mit seinem geisteskra­nken Bruder Johann Wilhelm kein gleichwert­iger Thronanwär­ter an seine Stelle trat, war das finstere Ende des Hauses Jülich-Kleve-Berg mit seinem Tod absehbar.

Wäre Karl Friedrich am Leben geblieben, hätte es keinen Jülich-Klevischen-Erbfolgest­reit gegeben. Duisburg wäre nicht an Preußen gefallen und die Landkarte Europas sähe heute sicherlich ganz anders aus.

Die Reisen dauerten sehr lange, in einer Woche schaffte man selbst bei guter Witterung allenfalls 300 bis 400 Kilometer.

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FOTO: HERZOG-MAGAZIN Er wurde nur 20 Jahre alt: Jungherzog Karl Friedrich.
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