Ein Astronaut im Ständehaus
Alexander Gerst erzählte gestern beim „Ständehaus Treff “in Düsseldorf von seinen Erfahrungen auf der Raumstation ISS. 166 Tage kreiste er um die Erde. Im April 2018 fliegt der 41-Jährige erneut ins All, diesmal als Kommandant.
DÜSSELDORF Astronaut sein, vielleicht sogar Kommandant eines Raumschiffs oder einer Raumstation, das ist ein typischer Kindertraum. Einer aber, der nur für die Allerwenigsten in Erfüllung geht. Alexander Gerst hat ihn wahr gemacht. Der 41-Jährige war 2014 der dritte deutsche Astronaut auf der Internationalen Raumstation ISS, kreiste 166 Tage um die Erde. Und er legt nach: Im April 2018 fliegt der promovierte Geophysiker auf seiner nächsten Mission erneut zu den Sternen, diesmal als Commander. Gestern aber dockte er zunächst in Düsseldorf an und stand dem Chefredakteur der Rheinischen Post, Michael Bröcker, beim „Ständehaus Treff“Rede und Antwort.
Bodenständig, aber beflügelt von seiner Aufgabe wirkte Gerst, dessen Großvater ihn für die Raumfahrt begeisterte. Als Funkamateur nutzte dieser den Mond als Reflektor für Funkverbindungen Erde-MondErde. Später studierte Gerst Geophysik, machte seinen Abschluss und bewarb sich bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA als Astronaut – ein fast aussichtsloses Unterfangen. Aber er setzte sich durch, gegen rund 8400 Bewerber.
Das Auswahlverfahren war hart, und hart ist das aktuelle Training für die neue Mission immer noch. Gerst pendelt zwischen Deutschland, Japan, Russland und USA, arbeitet dort etwa an Modulen der Raumstation. „Ein Raumschiff zu steuern, ist nicht ganz ohne“, sagte er. Dazu gehöre etwa, Russisch zu lernen, um an Bord der Sojus-Kapsel alle Systeme im Schlaf bedienen zu können. „Unsere Trainer versuchen uns umzubringen, und wir versuchen das zu verhindern“, scherzte der Raumfahrer.
Getestet wird auch unter Wasser, in einem gigantischen Schwimmbecken. „Das ist wirklich kein Spaß, sondern richtig anstrengend“, sagte Gerst. Dabei geht es um das richtige Körpergefühl, um das Positionieren etwa bei Reparaturarbeiten. Rund 160 Kilo wiege ein Raumanzug, und das spüre man auch unter Wasser.
Raumfahrt ist für Gerst kein Selbstzweck, sondern unabdingbar für die Wissenschaft. So ließen sich im All Erkenntnisse gewinnen im Kampf gegen tödliche Krankheiten oder in der Werkstoffkunde. Beispiel Osteoporose: „Wenn wir das in der Schwerelosigkeit untersuchen, lernen wir etwas für die Behandlung auf der Erde.“Deshalb ist der Astronaut auch froh über die Unterstützung aus Politik und Bevölkerung. „Unsere Mission wird nicht infrage gestellt“, sagte er. Berechnungen hätten ergeben, dass die astronautische Raumfahrt jeden Bürger pro Jahr etwa einen Euro kostet. Kalkuliere man den Nutzen dagegen, auch den ideellen, zahle sich dieses Investment aus. „Jeder Euro kommt um das 2,2-fache zurück.“Zudem glaube er, dass die Raumfahrt den Zusammenhalt der großen Nationen stärke.
Neu für Gerst ist, dass er als erster Deutscher das Kommando auf der ISS übernehmen wird. Man dürfe sich das aber nicht so vorstellen, dass er dann nur Befehle gebe. Auf der Raumstation gehe es um Miteinander, um Logistik, also eine gute Kommunikation mit der Crew und der Kontrollstation. „Ein Commander muss vor allem für gute Stimmung sorgen“, sagte Gerst. Etwa dadurch, dass die Mannschaft alles bekommt, was sie braucht und die Dinge rund laufen, aber auch durch Rätselspiele. Die größten Gefahren auf der ISS seien Feuer und medizinische Notfälle, aber auch technische Pannen wie der Ausfall eines Kühlsystems. In solchen Momenten greife das Notfalltraining, das alle Crewmitglieder abspulen würden. „Das Buch mit den Notfallmaßnahmen ist sieben Zentimeter dick, und wir müssen es auswendig können“, sagte der Raumfahrer. Natürlich gelte es als Kommandant, in solchen Situationen Entscheidungen zu treffen, zumal, wenn es keinen Kontakt zur Bodenstation gebe.
Die Frage, warum der Mars als nächstes Ziel der Raumfahrt so wichtig ist, führt für Alexander Gerst zu einem anderen Punkt. „Vielleicht wird sich noch in unserer Lebenszeit herausstellen, ob auf dem Mars Spuren von Leben zu finden sind“, sagte Gerst. „Dann wissen wir möglicherweise, ob wir alleine im All sind oder nicht.“