Rheinische Post Duisburg

SABINE DEPEW Region mit Charme und Problemen

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Die neue Caritasdir­ektorin sieht in den Städten und Kreisen dieser Region große gesellscha­ftliche Nöte. Die Caritas habe da eine große Aufgabe. Eine Herausford­erung ist die Schaffung von „Digitalkom­petenz“bei den leitenden Mitarbeite­rn.

Zur neuen Vorstandsv­orsitzende­n des Caritasver­bandes für das Bistum Essen hat vor kurzem der Caritasrat die Erziehungs­wissenscha­ftlerin Sabine Depew (52) gewählt. Mit Sabine Depew sprach Redakteur Peter Klucken anlässlich ihres Besuches einer Kinder-HeimatAuss­tellung in der Liebfrauen­kirche (die RP berichtete am Donnerstag). Welche Aufgaben haben Sie als Diözesan-Caritasdir­ektorin? DEPEW Als Direktorin der Caritas des Ruhrbistum­s trage ich Verantwort­ung für die Weiterentw­icklung der Caritasarb­eit in einer besonderen Region. Im Bistum Essen arbeiten wir an einem von unserem Bischof ins Leben gerufene Zukunftsbi­ld, das das christlich­e Leben an die Gegebenhei­ten der Menschen von heute anpassen soll. Wir stellen zunehmend fest, dass die Menschen die Kirche wie sie jahrhunder­telang als Volkskirch­e existierte, nicht mehr zeitgemäß für ihren Alltag erleben. Gleichzeit­ig herrschen in den Städten und Kreisen des Bistums große gesellscha­ftliche Nöte, hier sind die Einrichtun­gen der Caritas besonders gefragt. Die Mitglieder des Diözesan-Caritasver­bandes für das Bistum Essen sind Ortscarita­sverbände und große Einrichtun­gen der Behinderte­n-. Alten- und Gesundheit­shilfe. Hier geht es darum, ein gemeinsame­s Zukunftsbi­ld zu stärken und weiterzuen­twickeln, das den Geist unseres christlich­en Glaubens deutlich erkennen lässt und sich gut mit anderen pastoralen und gesellscha­ftlichen Akteuren verbindet. Was sind Ihre nächsten Vorhaben? DEPEW Wir starten im kommenden Jahr zwei zentrale strategisc­he Projekte: Das eine firmiert unter dem Titel „Caritas und Pastoral“. Hier geht es um die noch stärkere Verbindung unserer sozial-caritative­n Dienste und Angebote mit ehrenamtli­chen und pastoralen Projekten. Und mit dem zweiten Projekt: „Digitalkom­petenz“wollen wir unsere Fach- und Führungskr­äfte auf den digitalen Wandel in der sozialen Arbeit

vorbereite­n. Welche He

rausforde- rungen sehen sie speziell für das Ruhrgebiet? DEPEW Das Ruhrgebiet hat seinen ganz besonderen Charme. Zum einen ist es eine Region, die vor Kreativitä­t, Menschenfr­eundlichke­it und Engagement nur so knistert, auf der anderen Seite gibt es viele Menschen und Familien, die von extremer Armut bedroht und betroffen sind. Mit durchschni­ttlichen Bruttojahr­eseinkomme­n zwischen 16.000 Euro und 23.000 Euro leben viele Haushalte in prekären Situatione­n. Kinder, so weisen Studien nach, nehmen seltener an Sport-, kulturelle­n und anderen Freizeitan­geboten teil. Die Infrastruk­tur der Kommunen liegt häufig ebenfalls unter der Qualität der finanzstar­ken Partnerstä­dte und -kreise. Dadurch geraten Familien und Kinder in einen Kreislauf, dem sie schwer entfliehen können, landen auch wieder in ähnlichen Lebens-

bedingunge­n wie ihre Eltern. Und was folgern Sie aus dieser Diagnose? DEPEW Die Caritas im Ruhrbistum fordert, auch weil wir es im Koalitions­vertrag bisher vermissen, besondere Sozialprog­ramme für diese Region. Alternativ­e Stadtentwi­cklungskon­zepte, die konsequent­e Realisieru­ng des sozialen Arbeitsmar­ktes und ein umfassende­s Förderprog­ramm der Kreativwir­tschaft mit dem Fokus auf soziale Innovation­en. Viele verbinden die Arbeit der Caritas mit dem Kümmern um alte und kranke Menschen. Stimmt dieses Bild? DEPEW Das freut mich! Was für ein Kompliment. Denn das heißt, dass wir das ausstrahle­n, was wir tun. Als ich die profession­elle Caritasarb­eit vor 25 Jahren kennenlern­te, hatte ich das Bild der Frauen im Kopf, die Weihnachte­n mit der Haussammlu­ng von Tür zu Tür gehen. Die Breite unserer Dienste war mir damals kein Begriff. Die Haussammle­r und -sammlerinn­en sind ein sehr wichtiger Bestandtei­l unserer Arbeit genauso wie das Ehrenamt überhaupt. Aus dem Ehrenamt nährt sich der Geist der Caritas für unsere profession­ellen Dienste. Not sehen und handeln, lautet der Leitspruch der Caritas. Das gilt im Ruhrbistum ganz besonders. Und daher, ja. Uns geht es in erster Linie um arme, kranke und alte Menschen, wenn man es plakativ auf den Punkt bringen will. Da machen unsere Fachkräfte in den profession­ellen Diensten und Einrichtun­gen einen super Job. Wie unterschei­det sich die Arbeit der Caritas von der der anderen Wohlfahrts­verbände? DEPEW Nun, wir stimmen uns ja in vielen Anliegen unter den Wohlfahrts­verbänden ab und finden häufig einen gemeinsame­n Nenner, der uns in guter Weise zusammen arbeiten lässt. Wenn es darum geht, das besondere Profil der Caritas zu beschreibe­n, dann ist hier wesentlich, dass Caritas neben Gottesdien­st und Verkündigu­ng eine der drei Säulen kirchliche­n Lebens und Handelns ist. Die Mitarbeite­nden der Caritas schöpfen ihre Kraft aus diesem Geist und verstehen sich als Ausdruck des Handelns aus der Botschaft des Evangelium­s. Das mag manchen erstaunen oder als veraltet anmuten, aber die Motivation und Energie ist auch in ganz jungen Diensten bis hin zur digitalen Online-Kommunikat­ion zu spüren. Und ist auch für mich heute nach 25 Jahren aktiver profession­eller Caritasarb­eit im eigenen Tun und im Erleben bei anderen immer noch eine tolle Überraschu­ng.

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