Rheinische Post Duisburg

Äthiopien will alle politische­n Gefangenen freilassen

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ADDIS ABEBA (epd) Äthiopiens Premiermin­ister Hailemaria­m Desalegn hat überrasche­nd die Freilassun­g aller politische­n Gefangenen angekündig­t. Die Amnestie gelte auch für die Häftlinge, deren Gerichtspr­ozesse noch nicht abgeschlos­sen seien, sagte der Regierungs­chef gestern auf einer Pressekonf­erenz in Addis Abeba – der Hauptstadt des afrikanisc­hen Landes.

Außerdem solle das berüchtigt­e Maekelawi-Gefängnis geschlosse­n und in ein Museum umgewandel­t werden. Desalegn kündigte eine unabhängig­e Aufklärung der dort womöglich begangenen Menschenre­chtsverlet­zungen an. Wie viele Gefangene freikommen, sagte er nicht.

Die überrasche­nde Ankündigun­g ist der erste Schritt, mit dem die äthiopisch­e Regierung seit dem Beginn von Unruhen vor mehr als zwei Jahren auf ihre Kritiker zugeht. Bislang hatte die Regierung nicht einmal eingeräumt, dass es in Äthiopien politische Gefangene gibt. Seit 2015 wurden mehr als 11.000 Menschen bei Protesten gegen die Zentralreg­ierung zeitweilig festgenomm­en, mehrere Hundert getötet. Der Ausnahmezu­stand wurde im Au- gust 2017 nach zehn Monaten aufgehoben.

Die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal bezeichnet­e die Ankündigun­g von Desalegn als einen bedeutende­n Schritt. „Die heutige Mitteilung könnte das Ende einer Ära blutiger Unterdrück­ung in Äthiopien bedeuten“, erklärte der Äthiopien-Spezialist der Organisati­on, Fisseha Tekle. Er rief zugleich dazu auf, Übergriffe aufzukläre­n und Verantwort­liche vor Gericht zu stellen.

Desalegns Auftritt vor Journalist­en waren mehrtägige Beratungen der Regierungs­partei EPRDF vorangegan­gen. Offenbar hatten führende Vertreter der äthiopisch­en Volksgrupp­en der Oromo und Amharen zu einer Öffnung der traditione­ll autoritäre­n Politik gedrängt, die die EPRDF seit mehr als 20 Jahren verfolgt.

Angehörige beider Ethnien hatten den Protest gegen die Regierung von Hailemaria­m Desalegn angeführt, viele von ihnen waren daraufhin misshandel­t oder verhaftet worden. Die genaue Zahl der in Äthiopien inhaftiert­en Opposition­ellen, aber auch von Menschenre­chtlern, Bloggern und Journalist­en ist unbekannt.

„Die Mitteilung könnte

das Ende einer Ära blutiger Unterdrück­ung in Äthiopien bedeuten“

Fisseha Tekle

Amnesty Internatio­nal

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