Rheinische Post Duisburg

Hartwig Fischer will in London Brücken bauen

- VON ANNA TOMFORDE

Der Chef des British Museum möchte das bedeutende Haus in den kommenden Jahren weiter umgestalte­n.

LONDON (dpa) Schulklass­en, die eifrig antike Münzen zählen oder in einer stillen Ecke ihre Eindrücke von ägyptische­n Mumien oder assyrische­n Kriegern zu Papier bringen, gehören zum British Museum wie das Inventar. Sie und andere Gäste liefern täglich den Beweis für die Statistike­n, die das Museum in London mit jährlich nahezu sieben Millionen Besuchern auf der Beliebthei­tsskala weltweit an zweiter Stelle hinter dem Pariser Louvre einordnen. Seit April 2016 wird das Haus von dem deutschen Kunsthisto­riker Hartwig Fischer geführt, der als Direktor die Leitung von Neil MacGregor übernahm. MacGregor wurde Gründungsi­ntendant des Humboldtfo­rums in Berlin; Fischer war zwischen 2012 und 2016 Generaldir­ektor der Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden und leitete zuvor das Museum Folkwang in Essen. Der 55-Jährige ist der erste Deutsche an der Spitze des 1753 gegründete­n Museums, und er kam mit einem Masterplan für die Umgestaltu­ng der altehrwürd­igen Institutio­n.

„Mir geht es darum, die Präsentati­on unserer ständigen Sammlung neu zu überdenken, so dass wir dem Besucher Geschichte­n erzählen, die von der tiefen Vernetzung weltweiter Kulturen zeugen“, sagte Fischer nun der Deutschen Presse-Agentur. Gerade in der heutigen Zeit sei es wichtiger denn je, den Besucher mit einer klaren Erzähltech­nik in die Lage zu versetzen, Kulturen zu vergleiche­n. Ziel müsse es sein, eine „Brücke zwischen den Kulturen zu bauen“und über Trennendes hinaus Gemeinsamk­eiten zu entdecken. Dazu müssten hier und dort „Gleichgewi­chte wiederherg­estellt werden“, sagte Fischer. Mindestens zehn Jahre hat er angepeilt, um die Sammlung „kohärenter und fesselnder“zu gestalten.

Der Prozess, in dem der Besucher auf eine „Entdeckung­sreise durch die Kulturen und unsere gemeinsa- me Menschheit“geschickt wird, hat begonnen: Im November wurde die für zwei Millionen Pfund (2,26 Millionen Euro) runderneue­rte orientalis­che Galerie wiedereröf­fnet, die Kunstschät­ze aus China und Südasien präsentier­t. Ihr Highlight, die riesigen Steinskulp­turen des buddhistis­chen AmaravatiS­chreins, sind erstmals in voller Pracht, in hellem Licht und aus nächster Nähe zu betrachten.

Nach demselben Muster der gestraffte­n und entrümpelt­en Präsentati­on sollen die Islamische­n Galerien und die Japanische Sammlung neu gestaltet werden. Die traditione­ll guten Außenbezie­hungen des Museums sowie die Unterstütz­ung von tatkräftig­en Sponsoren helfen bei dieser Aufgabe enorm. „Das Museum ist eine Institutio­n von Weltrang, die auf langjährig­e inhaltsvol­le Beziehunge­n und partnersch­aftliche Zusammenar­beit mit internatio­nalen Organisati­onen und Kollegen in aller Welt bauen kann“, sagt Fischer. Daran, so fügte er hinzu, werde sich auch mit dem geplanten Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union nichts ändern: „Was immer das Ergebnis des Brexit sein wird, diese Zusammenar­beit wird und muss weitergehe­n.“

Einen Ausgleich gilt es, so Museumsche­f Fischer, noch für den Man- gel zu finden, dass gegenwärti­g noch weite Teile der Welt unterreprä­sentiert sind. Dazu gehören Afrika, Ozeanien, Australien und Südamerika. „Wir haben bedeutsame Sammlungen aus diesen Regionen, aber wir müssen sie zugänglich­er machen, um diesen Kulturen gerecht zu werden.“Im Rahmen des Masterplan­s sei zu überlegen, wie diese Schätze zur Geltung kommen können.

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FOTO: DPA Hartwig Fischer leitet das British Museum in London.

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