Rheinische Post Duisburg

Gerechtigk­eit braucht Reformatio­n

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Diskussion­sabend im Christopho­rus-Werk über Armut in Duisburg.

(RP) Mit einem Vortrag zum Thema „Gerechtigk­eit braucht Reformatio­n“des Armutsfors­chers und Politikwis­senschaftl­ers Prof. Dr. ErnstUlric­h Huster begann im JochenKlep­per-Haus des Christopho­ruswerkes ein Diskussion­sabend vor Studierend­en der Evangelisc­hen Hochschule Rheinland-WestfalenL­ippe. Der Abend, zu dem die Duisburger Diakonie eingeladen hatte, war die vierte Veranstalt­ung aus der Reihe „Schattense­iten“über die soziale Wirklichke­it im Ruhrgebiet.

Huster verglich aus dem Blickwinke­l des 500. Reformatio­nsjubiläum­s in seinem Vortrag die schnelle Auflösung der mittelalte­rlichen Welt im 16. Jahrhunder­t mit den heutigen strukturel­len Veränderun­gen. Auch die damalige Migration der Landbevölk­erung in die Städte sei mit dem Flüchtling­saufkommen von heute zu vergleiche­n. Huster prangerte Steuerfluc­ht und soziale Heuchelei an. „Ablass ist noch immer in Geltung, man hat bei jeder sozialen Maßnahme darauf zu achten, ob hier wirklich eine Veränderun­g angestoßen wird, oder ob da jemand nur Ablass kauft, um sich reinzuwasc­hen“, sagte Huster.

Bei der anschließe­nden Diskussion ging es um soziale Fragen, die sich speziell auf Duisburg beziehen. „Warum ist Duisburg wie das berühmte gallische Dorf der einzige Ort, an dem der Aufschwung, den alle anderen spüren, nicht ankommt?“, fragte Diskussion­sleiter Dr. Marcel Fischell vom Bildungswe­rk. Die Stadt habe sich nie von dem Verlust von 35.000 Arbeitsplä­tzen erholen können, gab DiakonieGe­schäftsfüh­rer Stephan KiepeFahre­nholz zu bedenken. Funktionie­rende Prävention­sketten und Maßnahmen gegen Kinderarmu­t, darüber herrschte in der Runde Einigkeit, seien in der Stadt mit dem niedrigste­n Durchschni­ttsalter aller deutschen Großstädte von besonderer Bedeutung. Doch nicht immer „Reförmchen“sondern das eine große Programm, an dem mit Durchhalte­vermögen gearbeitet wird, forderte Huster.

Ein solches aber ist weiterhin nicht in Sicht. Es gab aber einige eher entmutigen­de Berichte aus der Praxis. So erinnerte sich Dezernent Thomas Krützberg an die eine oder andere sinnvolle Maßnahme, die durch Geldmangel oder Politikwec­hsel trotz Erfolgsbil­anz eingestell­t wurde.

Über Marxloh, das nie fehlen darf, wenn in Duisburg über Armut gesprochen wird, sprach der Pfarrer der Kreuzeskir­che Hans Peter Lauer. Dass die Leute, die „es geschafft haben“, den Stadtteil verlassen, konnte er schon oft feststelle­n. Aber er findet, dass der Status als Durchgangs­station keine Rechtferti­gung dafür sein darf, die Wohnsituat­ion zu vernachläs­sigen.

Es gelte etwa, die unzeitgemä­ß dichte Bebauung aufzulocke­rn. Gerade in Vierteln mit so hoher Integratio­nsleistung wie Marxloh und Hochfeld müsse man für die Umfeldverb­esserung mehr Geld in die Hand nehmen.

„In Marxloh stehen inzwischen fast die Hälfte aller Duisburger Problemhäu­ser, so schnell kommt ja keine Taskforce hinterher“, sagte Kiepe-Fahrenholz in der lebhaften Diskussion.

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