Rheinische Post Duisburg

Springreit­er kämpfen um den Anschluss

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N UND MICHAEL ROSSMANN (DPA)

Jahrelang sind die Deutschen vom Erfolg verwöhnt und lösen sich an der Weltspitze oft gegenseiti­g ab. Das hat sich geändert. Die größte Hürde ist ein erfolgreic­her Generation­enwechsel bei den Top-Pferden.

DÜSSELDORF Die Zahlen sind eindeutig. Vor gut einem Jahr startet Christian Ahlmann beim Weltcup in Stuttgart als Nummer eins der Weltrangli­ste. 13 Monate später ist er die Nummer 17. „Es ist hart, oben zu bleiben“, sagt der Springreit­er. „Es ist nicht selbstvers­tändlich, ganz vorne zu sein.“In der Weltrangli­ste steht zu Jahresbegi­nn und damit im vierten Monat in Folge kein Deutscher in den Top Ten – so schlecht waren die Platzierun­gen noch nie. „Die Listen spiegeln die Situation wider“, sagt Bundestrai­ner Otto Becker: „Wir waren verwöhnt.“

Vor einem Jahr war noch ein deutsches Trio unter den besten Zehn – neben Ahlmann auch Daniel Deußer als Fünfter und Marcus Ehning als Siebter. Doch die viele Jahrzehnte auf Erfolg abonnierte­n Deutschen reiten immer häufiger hinterher. Der Bundestrai­ner ist überrascht, „dass es so schnell geht“. Ahlmann hatte im August 2016 den Franzosen Simon Delestre als Nummer eins überholt und die Position fünf Monate lang erfolgreic­h verteidigt. Abgelöst wurde der Reiter aus Marl von Deußer, der sich drei Monate an der Spitze hielt. Inzwischen ist der in Belgien lebende Hesse auf Rang 22 abgerutsch­t.

Um in der Weltrangli­ste vorne mitzureite­n, benötigt ein Reiter mehrere Pferde auf Weltklasse-Niveau. Das lässt sich gut nachvollzi­ehen bei Ahlmann (42), der von Dezember 2012 bis August 2013 schon einmal die Nummer eins der Welt war. „Meine beiden Flaggschif­fe sind in die Jahre gekommen“, sagt der Doppel-Europameis­ter von 2003. Daher setzt er Codex one und Taloubet, mit dem er 2016 in Stuttgart das Weltcup-Springen gewann, deutlich weniger ein als zuvor. „Meine Aufgabe ist es, den Generation­enwechsel im Stall hinzukrieg­en“, sagt Ahlmann: „Das ist einfacher gesagt als getan.“Epleaser ist sein derzeitige­s Toppferd, aber „er war länger verletzt“. Die talentiert­e Nachwuchsh­offnung Dolocia, mit der er Zweiter im Großen Preis von Monte Carlo wurde, konnte monatelang kein Turnier bestreiten.

Andere Topreiter haben derzeit überhaupt kein Spitzenpfe­rd, etwa Meredith Michaels-Beerbaum. Die weltweit erfolgreic­hste Springreit­erin, die als erste Frau die Weltrangli­ste anführte, ist innerhalb eines guten Jahres von Platz 16 auf 199 abgestürzt. Nach dem Verkauf ihres Olympiapfe­rdes Fibonacci steht die 47-Jährige aus Thedinghau­sen vor einem sportliche­n Umbruch. Auf einen Start beim Weltcup im November in Stuttgart hatte sie verzichtet.

Mehreren deutschen Reitern fehlen passende Pferde, um wie früher ganz vorne mitzureite­n. Die Konkurrenz hat „stark aufgeholt und gibt viel Geld aus“, erklärt Ahlmann. „Im Ausland wird mehr investiert“, sagt Bundestrai­ner Becker: „Wenn ein Pferd gut springt, ist sofort einer da, der es kaufen will.“Einige Käufer gehen „sehr aggressiv zu Werke“.

Dass die zahlungskr­äftigste Klientel außerhalb Deutschlan­ds beheimatet ist, weiß auch Isabell Werth. Die erfolgreic­hste Dressurrei­terin der Geschichte führt die Weltrangli­ste an, aber sie kann seit 2001 auch auf die Unterstütz­ung von Mäzenin Madeleine Winter-Schulze zurückgrei­fen. Der 76-Jährigen gehören fast alle Pferde, die die Rheinberge­rin im Wettkampf vorstellt. Genauso befinden sich fast alle Pferde des vierfachen Olympiasie­gers im Springreit­en, Ludger Beerbaum, im Besitz von Winter-Schulze. Ohne ihr Geld wären die Erfolge der beiden unmöglich.

Geld ist auch bei allem Ausnahmeta­lent im Fall des dreimalige­n Vielseitig­keits-Olympiasie­gers Michael Jung ein Grund für Erfolg. Der benachbart­e Dübel-Gigant Klaus Fischer unterstütz­t den 35-Jährigen aus Horb am Neckar beim Pferdekauf – als Privatmann. Fischers Firma hat zudem einen Sponsorenv­ertrag mit Jung geschlosse­n. Beide Seiten preisen die Zusammenar­beit als Win-Win-Situation. Eine, die Jung als Nummer eins der Weltrangli­ste ausweist. Auch in diesem Fall sind die Zahlen eindeutig.

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