Familiennachzug: FDP will Milde im Einzelfall statt Kontingente
Die Liberalen stellen sich in ihrer ersten Fraktionsklausur auf eine „individualistische“Oppositionsarbeit im Bundestag ein.
BERLIN Nach Union und SPD will auch die FDP den Familiennachzug für Flüchtlinge, die nur subsidiären Schutz in Deutschland gefunden haben, um weitere zwei Jahre aussetzen. Doch der von der möglichen künftigen großen Koalition gefundene Kompromiss eines Kontingents von 1000 Nachzügen monatlich ist aus Sicht der Liberalen ein zu starker Eingriff in das Grundrecht auf Ehe und Familie. Sie gehen nach ihrer Fraktionsklausur deshalb mit einem eigenen Gesetzentwurf ins Rennen, der drei Gruppen von subsidiär Geschützten den Nachzug ihrer Familien erlauben soll: Persönliche Härtefälle sollen vom Nachzugsstopp genauso wenig betroffen sein wie solche, die gut integriert sind und ihre nachziehenden Angehörigen finanziell unterhalten können. Außerdem soll derjenige kommen können, dessen Leib, Leben oder Freiheit ernsthaft gefährdet ist. „Das können im Monat 39 sein oder auch mal 2000“, sagte Lindner. Es zähle nicht ein willkürliches Kontingent, sondern die individuelle Betroffenheit.
In diesem Zusammenhang regen die Liberalen an, eine eigene Kategorie von „vorübergehendem humanitären Schutz“einzuführen, um die Migration besser ordnen zu können. Für diese Menschen müsse es auch die Möglichkeit zum „Spurwechsel“in die dauerhafte Arbeitsmigration geben.
Die engen Kontakte aus den Jamaika-Verhandlungen wirken auch in Zeiten selbstgewählter Opposition für die FDP noch nach. Jedenfalls erklärte Fraktionschef Christian Lindner das Zurückhalten seines Familiennachzug-Gesetzentwurfes mit einer Bitte von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder, damit erst nach dem Ende der Sondierungen mit der SPD herauszurücken.
Auch die strategische Ausrichtung der FDP für die Oppositionszeit lässt noch auf sich warten. Zwar ist sich Lindner sicher, dass sich die Bundestagsabgeordneten grundsätzlich an der Aufstellung der FDP als „progressive, individualistische, weltoffene“Partei orientieren werden. Doch mit dem Prozess der Selbstfindung der FDP nach dem Rauswurf aus dem Bundestag hat er so gute Erfahrungen gemacht, dass er ihn nun auch in der Fraktion wiederholen lässt: keine ausformulierten Vorgaben von oben, sondern intensive Debatten und Themenfindungen aus der Mitte der Partei.
Bis Mai sollen dementsprechend nun auch die FDP-Bundestagsabgeordneten die Strategie für die nächsten Jahre selbst entwickeln. Weder Fundamentalopposition noch Polemik soll dabei Taktgeber sein, sondern das Bemühen um fachliche „Avantgarde“. Was das konkret bedeutet, beleuchtete Lindner am Beispiel der Klimapolitik. Statt mit „Quoten, Verboten und Subventio- nen“um die Einhaltung der Klimaziele zu ringen, sollten „innovative marktwirtschaftliche Methoden“ziehen. Das klimaschädliche Kohlendioxid müsse also „in allen Situationen einen Preis“bekommen.
In der Fraktionsklausur bescheinigten Demoskopen und weitere Gäste nach Lindners Darstellung, dass die FDP-Unterstützer mit dem Jamaika-Aus gut leben könnten. Die Absage des designierten CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder an eine Koalition mit der FDP in Bayern werde indes „wie ein Bumerang“auf Söder zurückfallen.