Hornitexter: „Das ist wie David gegen Goliath“
Seit Ende 2014 kämpfen die Hornitexter gegen eine Bebauung des Geländes zwischen Rheinvorland und Uettelsheimer See.
BAERL Es gibt gute und schlechte Tage im Leben eines Bürgerrechtlers. Dies war ein guter Tag - bis jetzt. Vormittags noch hatte sich Jürgen Hagenguth über einen Achtungserfolg gefreut; die Auslage der Bebauungspläne für die Rheindeichstraße wurde wegen eines Formfehlers ausgesetzt. Ein willkommener Aufschub für die Hornitexter. Am Nachmittag dann die Ernüchterung. Die Pläne sind überarbeitet und einsehbar. Bis 31. Januar haben Bürger Gelegenheit, Einsprüche gegen den Ausbau des Logistikzentrums geltend zu machen. „Zwei Wochen sind viel zu wenig“, ärgert sich Hagenguth. Seit Jahren streitet die Bürgerinitiative jetzt schon mit Staat und Behörden. „Das ist“, fasst Hagenguth zusammen, „wie David gegen Goliath.“
Wir sind vor Ort, um uns alles anzusehen. Es tut sich was an der grünen Grenze zwischen Homberg und Baerl. Seit Ende 2016 wird an dem Businesspark auf dem ehemaligen Hornitex-Gelände gearbeitet. Der erste Gebäudekomplex ist fertig, jetzt soll der zweite, nördliche Teil entstehen – nochmal zwei große Einheiten.
Am Ende werden es rund 70.000 Hallen-Quadratmeter sein, sechs große Lager- und Produktionsstätten. Der erste Ankermieter ist schon da, das Düsseldorfer Unternehmen VCK Logistics, spezialisiert auf Telekommunikation, Hightech und Elektronik.
Was die örtliche Politik und die Stadtverwaltung mit Freude erfüllt, bringt die Anwohner auf die Barri- kaden. Sie fürchten um ihre Lebensqualität. Ende 2014 entstand eine Bürgerinitiative, seither kämpfen die Hornitexter mit allen legalen Mitteln gegen die Bebauung. Sie wollen es nicht, das viel gepriesene Logistikzentrum zwischen Rheinvorland und Uettelsheimer See. Weil es die Umgebung verschandelt und wieder ein Beweis dafür sei, dass die Stadt bei ihrer Planung ganz auf Industrie und Gewerbe setze. Und weil sie die Konsequenzen fürchten, die ein Businesspark mit sich bringt: Lärm, Gestank und schlechte Luft, allein durch den Anund Zulieferverkehr.
Schon jetzt, führt Hagenguth aus, kurven Lkw trotz der Bemühungen, sie mittels Straßenführung Rich- tung Autobahn zu lenken, durch Homberger Wohngebiete. In Zukunft rechnen die Bürger mit einer weiteren Zunahme, mit einem Ausbau des Straßen- und Schienennetzes: Schließlich werbe der Investor mit der Lage des Standorts, der Nähe zu den Autobahnen, mit Anschluss an die Duisburger Häfen.
Außer Hagenguth ist Sven Seidensticker zum Besichtigungstermin gekommen. Seidensticker ist das, was man unmittelbar betroffen nennt: Er wohnt ganz in der Nähe. Seidensticker ist Architekt, Jürgen Hagenguth Grafiker im Ruhestand. Beide scheinen im Laufe der Zeit zu Fachleuten in Sachen Verfahrensrecht geworden zu sein. Einsprüche formulieren, Formfehler aufspüren, Rechtsbrüche ausmachen - all das ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Zwei Anwälte stehen den Hornitextern zur Seite, in Düsseldorf und in Berlin. Auf ihrer Homepage bieten die Bürger Argumentationshilfen an, weil die Formulierung von Einsprüchen, weiß Hagenguth, „gar nicht so einfach ist.“
Hagenguth rollt zwei Bebauungspläne aus, den ursprünglichen und den überarbeiteten. Einige Erfolge wurden erzielt, führt er aus. Nicht nur, dass es wegen der vielen Einwände nun untypischerweise zur dritten Offenlage kommt. Inzwischen wurde die Abstandsfläche zwischen den Neubauten und den angrenzenden Grundstücken zumindest geringfügig verbreitert, die maximale Hallenhöhe von 19 auf 16 Meter reduziert. Private Grünflächen werden nicht versiegelt, die Parkplätze befinden sich jetzt innerhalb der Bebauung. Außerdem wurde die Anordnung der Gebäude dahingehend überplant, dass jetzt eine Frischluftschneise vom Rhein her erhalten bleibt: Die beiden Baukomplexe liegen im neuen Entwurf nicht mehr direkt nebeneinander, sondern ein Stück entfernt.
2010, unmittelbar nach der Stilllegung des Spanplattenwerkes, sahen die Pläne noch anders aus. Damals war seitens Politik und Verwaltung von einer „Verbesserung der räumlichen funktionalen Verknüpfung der Gebiete Rheinvorland und Uettelsheimer See durch einen Verbindungsweg“die Rede.
Die Bürger hätten mit vielem leben können: Wohnbebauung mit viel Grün hätten sie sich gewünscht, Einzelansiedlung von Gewerbe inklusive. Doch dann tauchte 2014 ein Investor auf. Neuer Besitzer wurde die S.A.R.L. Rheindeich mit Sitz in Luxemburg, bestehend aus den Investoren Alpha Industrial Holding und Hagedorn Revital. 48 Millionen Euro sollen investiert werden.
Und so scheint es längst um Schadensbegrenzung zu gehen. Die letzte Bürgerversammlung war gut besucht, berichtet Jürgen Hagenguth. Die Forderungen wurden erneut aufgelistet: darunter die Zusicherung, dass das Landschaftsschutzgebiet erhalten bleibt.
Ein Verkehrsgutachten über den bereits bestehenden Verkehrslärm – eine Beschränkung der Betriebszeiten auf die Wochentage: Nachtarbeit soll ausdrücklich verboten wer- den. Einiges klingt kompromissfreudig: So wünschen sich die Bürger begrünte Fassaden und dass so viele Flächen wie möglich unversiegelt bleiben.
Aber es kamen auch neue Sorgen zum Vorschein. So fürchten die Anwohner eine störende nächtliche Beleuchtung der Hallen, die Neuverlegung einer Gasleitung für eine Heizung und eine Lagerung von Lithiumbatterien.
Jürgen Hagenguth ist der einzige der 25 Hornitexter, der nicht in unmittelbarer Nähe lebt. Aber ihm liegt die Zukunft der Stadt am Herzen. Hagenguth, politisch aktiv seit der Friedensbewegung, hat sich die Durchsetzung von Bürgerrechten aufs Revers geschrieben. Für den 65-Jährigen „eine Frage der Demokratie“. Hinter dem Projekt stehe ein „unglaublicher Apparat. Und die Parteien interessieren unsere Befürchtungen nicht.“