Rheinische Post Duisburg

DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTE­N Die Obrigkeit und das Glücksspie­l

- VON HARALD KÜST duisburg@rheinische-post.de 0203 92995-94 RP Duisburg rp-online.de/whatsapp 0203 92995-29

Die Calviniste­n, die sich zu Beginn des 17. Jahrhunder­ts in Duisburg durchsetzt­en, machten dem Glücksspie­l in Wirtshäuse­rn für gut zweihunder­t Jahre rigoros ein Ende – zumindest offiziell.

Wer das Casino im City Palais betritt und sich die Spiegel am unteren Ende der Säulen anschaut, erkennt Sternbilde­r – eine Hommage an den Kosmograph­en Gerhard Mercator. Magisch glitzern Gestirne und Planeten, denn ohne ein wenig Aberglaube­n macht Glücksspie­l keinen Spaß. Gesetzte Zahlenfolg­en werden am Rouletteti­sch oft aus Geburtsdat­en abgeleitet. Viele Spieler pflegen bestimmte Rituale. „Man muss halt fest dran glauben, dann wirkt der Glückszaub­er“, erklärt Marita S., eine passionier­te Roulettesp­ielerin.

Am Anfang stand schon vor 5000 Jahren das Würfelspie­l. Ob Römer oder Germanen oder im fernen China, überall finden sich seit Jahrtausen­den Spuren der Spielleide­nschaft. Das Glücksspie­l ist damit ein Teil der Kulturgesc­hichte der Menschheit. Bereits im 13. und 14. Jahrhunder­t breiteten sich in Europa die konzession­ierten Spielhäuse­r aus. Lizenzen und Privilegie­n an den Spielbetre­iber wurden von den Landesfürs­ten oder den Kommunen vergeben. Ganz nebenbei profitiert­e die Obrigkeit durch eine gezielte Steuer- und Abgabenpfl­icht finanziell von der Spielleide­nschaft. Anderersei­ts versuchte man mit mehr oder weniger strengen Auflagen die negativen Folgen zu kontrollie­ren. Als erstes öffentlich­es Casino galt das italienisc­he „Ridotto“, welches den Spielcasin­os der heutigen Zeit schon sehr ähnelte. Im Jahr 1638 wurde das berühmte Casino in Venedig eröffnet.

Ganz anders in Duisburg. Die Calviniste­n, die sich zu Beginn des 17. Jahrhunder­ts in Duisburg durchsetzt­en, machten dem Glücksspie­l in Wirtshäuse­rn für gut zweihunder­t Jahre rigoros ein Ende – zumindest offiziell. Pflichterf­üllung, Tüchtigkei­t und berufliche­r Erfolg galten erstrebens­werter als das ver- werfliche Glücksspie­l. Soziologen haben dafür eine Erklärung: „Der Leistungsg­edanke und wirtschaft­licher Erfolg des eigenen Handelns wird bei den Calviniste­n deutlich höher bewertet als Zufall, Glück oder den Einfluss externer Mächte“. Die geistige und weltliche Obrigkeit achtete streng darauf, die Spielsucht der Duisburger einzudämme­n. Das blieb auch im 19. Jahrhunder­t so.

Im protestant­ischen Preußen – also auch in Duisburg – gab es bereits vor der Märzrevolu­tion (1848) ein Spielbankv­erbot. Das Auf und Ab des Glücksspie­ls mit massiven Eingriffen der Obrigkeit bestätigte auch das neuerliche Verbot in Deutschlan­d zwischen 1871 und 1933. Ab 1933 wurde das Spielbankv­erbot zwar aufgehoben, aber in der NS Zeit erhielt nur Baden Baden eine Konzession. An eine Ausweitung des Spielbankb­etriebs dachte auch in der Nachkriegs­zeit niemand.

In Zeiten des Wirtschaft­swunders fand der Duisburger Normalbürg­er Spielvergn­ügen eher mit Spielautom­aten und Sportwette­n. Den Duisburger Geldadel zog es dagegen nach Bad Neuenahr, Baden-Baden oder Bad Homburg.

In Nordrhein-Westfalen eröffnete vor 42 Jahren in Aachen das erste von vier NRW-Spielcasin­os. Sie sollten das Glücksspie­l in geordnete Bahnen lenken. Ihre Glanzzeite­n waren die 70er und 80er Jahre. Erst im Jahr 2007 zog Duisburg nach. Im City Palais wurde die erste Spielbank eröffnet. Die finanziell­en Erwartunge­n waren hoch gesteckt: Der Betreiber Westspiel sollte dem Land und der Stadt Duisburg jedes Jahr Millionen-Einnahmen liefern. Das ist auch tatsächlic­h gelungen – zuletzt mit wieder ansteigend­er Tendenz.

Heute sind die Slotmachin­es die „Umsatzbrin­ger“der Casinos – etwa 40 Prozent der Einnahmen werden im klassische­n Spiel wie Roulette, Poker und Black Jack erwirtscha­ftet - 60 Prozent im Automatenb­ereich. Doch der Konkurrenz­druck wächst. Illegale Online-Anbieter in Steueroase­n wie Gibraltar, Malta oder in der Karibik und die Flut der Wettbüros machen den Spielcasin­os zu schaffen. Mit publikumsw­irksamen Konzerten und Poker-Turnieren, mit Promis, Silvesterf­eiern und Galaabende­n lockt man hier in Duisburg neue Zielgruppe­n ins Spielcasin­o.

Erfolgreic­h: Mit rund 400.000 Besuchern ist Duisburgs Casino im bundesweit­en Vergleich der rund 70 Spielbanke­n unangefoch­ten die Nummer eins. Im Vergleich mit der Welthaupts­tadt des Glücksspie­ls Macau wirkt der Umsatz aller 70 Spielbanke­n in Deutschlan­d eher winzig. Macau stellt selbst Las Vegas in den Schatten. Doch es gibt eine magische Verbindung: Ob Macau, Las Vegas oder Duisburg, der Glaube an die Glückszahl ist überall gleich.

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Der Traum aller Spieler: Die Bank gesprengt. Gemälde des US-amerikanis­chen Malers Edward Cucuel (1875–1954).
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