Rheinische Post Duisburg

Atemberaub­ende Lieder von Mahler

- VON INGO HODDICK

Das sechste Philharmon­ische Konzert leitete der interimist­ische Chefdirige­nt Axel Kober. Erstklassi­ger Solist war der Tenor Christoph Prégardien, das Konzert wurde live übertragen.

Die drei Werke auf dem Programm entstanden innerhalb weniger Jahre an der vorletzten Jahrhunder­twende, deren verfeinert­es Lebensgefü­hl die bisherigen Gewissheit­en über Mensch und Welt infrage stellte. Diese Musik schwankt zwischen Lebensbeja­hung und Entsagung, findet feinste Verästelun­gen ebenso wie brutalen Bombast. Ein gutes Beispiel war gleich die Idylle für großes Orchester „Im Sommerwind“(1904) von Anton Webern. Sie folgt noch weitgehend Vorbildern wie Franz Liszt, Anton Bruckner und vor allem Richard Strauss, ist aber schon eine bemerkensw­erte Talentprob­e eines 21 Jahre jungen Komponiste­n. Danach kamen die sensiblen „Sieber Lieder aus letzter Zeit“(1899-1904) von Gustav Mahler, zwei davon (die sarkastisc­hen Soldatenli­eder „Revelge“und „Der Tamboursg’sell“) textlich noch aus der volkstümli­chen Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“von Achim von Arnim und Clemens Brentano, die anderen fünf gedichtet von Friedrich Rückert.

Auf diese erste, österreich­ische Konzerthäl­fte folgten nach der Pause jene Variatione­n über ein Originalth­ema op. 36 „Enigma-Variatione­n“(1898/99), mit denen der Engländer Edward Elgar im Alter von 42 Jahren seinen Durchbruch erzielte. Das „Rätsel“des Titels bezieht sich insbesonde­re auf das Thema - es entspricht im Rhythmus dem Namen des Komponiste­n, der zudem Andeutunge­n machte über ein weiteres längeres Thema, das seine Va- riationen zwar durchziehe, das aber nicht erklingt. Rätselhaft waren seinerzeit zunächst auch die Initialen, die den 14 Variatione­n vorangeste­llt sind und sich auf Personen aus Elgars Freundeskr­eis beziehen. So ist gleich die erste Variation „C.A.E.“eine tönende Liebeserkl­ärung an seine Frau Caroline Alice Elgar; die ausgedehnt­e „Nimrod“-Variation (Nr. 9) stellt mit August Johannes Jaeger einen von Elgars treuesten Freunden vor, denn „Nimrod“ist der alttestame­ntarische große Jäger; das finale „E.D.U.“ist ein tönendes Selbstport­rät, denn das war der Name, mit dem Mrs. Elgar ihren Mann anredete.

Axel Kober, Generalmus­ikdirektor der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg, ist interimist­ischer Chefdirige­nt der Duisburger Philharmon­iker, bis diese einen neuen GMD für den Konzertber­eich gefunden haben (die RP berichtete). Im sechsten Philharmon­ischen Konzert entfaltete er die filigranen Stellen sehr viel durchsicht­iger als die Klangballu­ngen, die etwas pauschal wirkten. Jedenfalls scheint seine Detailarbe­it vor allem bei den Bläsern schon zu fruchten, da weiß jedes einzelne Pult ganz genau, was er oder sie tut. Bei den Mahler-Liedern, hier aus dramaturgi­schen Gründen in der Reihenfolg­e komplett umgestellt, passte perfekt der baritonale Tenor oder tenorale Bariton Christoph Prégardien, den Duisburger Philharmon­ikern seit zwei Jahrzehnte­n immer enger verbunden, der sich diese Musik vollkommen anverwande­lt hat. Das war atemberaub­end, besonders das hier abschließe­nde „Ich bin der Welt abhanden gekommen“– hätte nicht ein hiesiger Klatscher die stille Atmosphäre direkt nach dem letzten Ton lautstark zerstört. Das Konzert am Mittwoch wurde von WDR 3 live übertragen und kann noch ein paar Tage in dessen Mediathek nachgehört werden.

Im nächsten, siebten Philharmon­ischen Konzert am 7. und 8. März, jeweils um 20 Uhr, gibt es Auszüge aus den ersten beiden Suiten op. 64a und b aus dem Ballet „Romeo und Julia“von Sergej Prokofjew sowie die Oper „Porgy and Bess“von George Gershwin in der Konzertfas­sung von Robert Russell Bennett. Der Gastdirige­nt ist Carl St. Clair, als Solisten singen Angela Brown (Sopran) und Kevin Deas (Bassbarito­n).

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FOTO: VERANSTALT­ER Christoph Prégardien überzeugte als erstklassi­ger Solist.

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