Englisch lernen für den New-York-Trip
Im Seniorenkurs lernen Silver Ager die Fremdsprache ohne Stress und im eigenen Lerntempo. Die Motivation der meisten: Auf Reisen wollen sie endlich mehr verstehen.
BUCHHOLZ Was Hänschen nicht lernt, kann Hans durchaus lernen. Englisch zum Beispiel. In der AwoBegegnungsstätte an der Traunsteiner Straße büffeln seit Anfang des Jahres 20 Silver Ager, wie man heutzutage Menschen jenseits der 60 nennt, Englisch. Das Lehrbuch des Anfängerkurses heißt passenderweise Sterling Silver.
Acht Frauen, ein Mann und neun Lesebrillen: Eine davon hat Kursleiterin Birgitt Quast auf der Nase. Das Interesse der Senioren, Englisch zu lernen, war so groß, dass die Englischlehrerin den Kursus geteilt hat. Schließlich soll jeder möglichst oft zum Sprechen kommen.
Man duzt sich, das ist allgemeiner Konsens. Bärbel erzählt von ihrer Motivation, mit Mitte 60 noch mal eine Fremdsprache zu lernen: „Es hat mich genervt, dass ich ohne Englisch auf Reisen vieles nicht mitkriege.“Die Kindergärtnerin ist seit kurzem in Rente und hat jetzt endlich die Zeit, viel zu reisen und eine Sprache zu lernen. Demnächst will die Buchholzerin nach New York. Sie hofft, bis dahin so weit zu sein, dass sie in der Landessprache etwas zu trinken bestellen kann.
Die Atmosphäre in der Lerngruppe ist ausgesprochen entspannt. Schließlich muss niemand anschließend eine Prüfung absolvieren. „Klar fällt einem das Lernen im Alter nicht mehr so leicht“, sagt Elfi, eine ältere Dame mit flottem Kurzhaarschnitt. „Das Problem ist, das Gehörte dauerhaft abzuspeichern“, weiß Birgitt Quast.
Deswegen passt die Englischlehrerin sich dem Tempo der Gruppe an. „Wir müssen den Stoff ja nicht in einer bestimmten Zeit durchpauken.“Eine der Teilnehmerinnen hat zuvor einen VHS-Kursus mit überwiegend jüngeren Schülern besucht – und aufgegeben. „Das war mir einfach zu schnell. Das hat mich überfordert“, sagt sie. Hier, im Seniorenkreis, fühlt sie sich wohl. Die Schüler machen durch die Bank weg einen fitten Eindruck. Alle sind aktiv, reisen gerne. Die Verständigung auf Reisen ist daher auch eine Hauptmotivation. Ilona hat außerdem Verwandte in Kanada, mit denen sie sich endlich mal verständigen will. „Ich will endlich mal wissen, was mein Computer zu mir sagt“, sagt Monika. Desktop, Browser, Account – ohne Englisch läuft schließlich nichts. Überall begegnen einem im Alltag ständig englische Wörter. „Wenn wir keine Enkel hätten, wüsste ich nicht, was Chillen heißt“, sagt eine mehrfache Großmutter. Sie kann sich allerdings nicht recht mit den Anglizismen anfreunden: „Das grenzt Leute aus, die noch älter sind als wir und die Sprache nicht in der Schule gelernt haben.“Damit sie mitten im Geschehen bleiben kann, hat sie diesen Englischkursus gebucht. Birgitt Quast ist eigentlich gelernte Bankkauffrau. Sie hat einige Jahre in London gearbeitet und nach einer Familienzeit vor 25 Jahren angefangen, Englischkurse zu geben. Die älteste Teilnehmerin in ihren Kursen war 83 Jahre, die meisten sind zwischen 60 und 70. In den Anfängerkursen sind Frauen deutlich in der Mehrheit. Kniffelig wird es ihrer Erfahrung nach, wenn Ehepaare zusammen einen Kursus besuchen und die Gattin sich als die Talentiertere von beiden herausstellt. „Das können viele Männer nicht gut vertragen“, weiß Quast.
Ziel ist es, die Anfänger soweit zu bringen, dass sie frei sprechen können. Dabei versucht Birgitt Quast, nur soviel Grammatik zu vermitteln, wie notwendig ist. Nach drei Jahren haben die meisten dann ein Level erreicht, bei dem es nicht mehr weitergeht. „Shakespeare schaffen wir nicht“, sagt die Englischlehrerin. „Wollen wir auch gar nicht“, ergänzt Elfi. Für sie ist Englisch lernen auch Gehirntraining: „Man bleibt geistig fit, wenn man was Neues lernt.“