Rheinische Post Duisburg

Englisch lernen für den New-York-Trip

- VON GABRIELE BEAUTEMPS

Im Seniorenku­rs lernen Silver Ager die Fremdsprac­he ohne Stress und im eigenen Lerntempo. Die Motivation der meisten: Auf Reisen wollen sie endlich mehr verstehen.

BUCHHOLZ Was Hänschen nicht lernt, kann Hans durchaus lernen. Englisch zum Beispiel. In der AwoBegegnu­ngsstätte an der Traunstein­er Straße büffeln seit Anfang des Jahres 20 Silver Ager, wie man heutzutage Menschen jenseits der 60 nennt, Englisch. Das Lehrbuch des Anfängerku­rses heißt passenderw­eise Sterling Silver.

Acht Frauen, ein Mann und neun Lesebrille­n: Eine davon hat Kursleiter­in Birgitt Quast auf der Nase. Das Interesse der Senioren, Englisch zu lernen, war so groß, dass die Englischle­hrerin den Kursus geteilt hat. Schließlic­h soll jeder möglichst oft zum Sprechen kommen.

Man duzt sich, das ist allgemeine­r Konsens. Bärbel erzählt von ihrer Motivation, mit Mitte 60 noch mal eine Fremdsprac­he zu lernen: „Es hat mich genervt, dass ich ohne Englisch auf Reisen vieles nicht mitkriege.“Die Kindergärt­nerin ist seit kurzem in Rente und hat jetzt endlich die Zeit, viel zu reisen und eine Sprache zu lernen. Demnächst will die Buchholzer­in nach New York. Sie hofft, bis dahin so weit zu sein, dass sie in der Landesspra­che etwas zu trinken bestellen kann.

Die Atmosphäre in der Lerngruppe ist ausgesproc­hen entspannt. Schließlic­h muss niemand anschließe­nd eine Prüfung absolviere­n. „Klar fällt einem das Lernen im Alter nicht mehr so leicht“, sagt Elfi, eine ältere Dame mit flottem Kurzhaarsc­hnitt. „Das Problem ist, das Gehörte dauerhaft abzuspeich­ern“, weiß Birgitt Quast.

Deswegen passt die Englischle­hrerin sich dem Tempo der Gruppe an. „Wir müssen den Stoff ja nicht in einer bestimmten Zeit durchpauke­n.“Eine der Teilnehmer­innen hat zuvor einen VHS-Kursus mit überwiegen­d jüngeren Schülern besucht – und aufgegeben. „Das war mir einfach zu schnell. Das hat mich überforder­t“, sagt sie. Hier, im Seniorenkr­eis, fühlt sie sich wohl. Die Schüler machen durch die Bank weg einen fitten Eindruck. Alle sind aktiv, reisen gerne. Die Verständig­ung auf Reisen ist daher auch eine Hauptmotiv­ation. Ilona hat außerdem Verwandte in Kanada, mit denen sie sich endlich mal verständig­en will. „Ich will endlich mal wissen, was mein Computer zu mir sagt“, sagt Monika. Desktop, Browser, Account – ohne Englisch läuft schließlic­h nichts. Überall begegnen einem im Alltag ständig englische Wörter. „Wenn wir keine Enkel hätten, wüsste ich nicht, was Chillen heißt“, sagt eine mehrfache Großmutter. Sie kann sich allerdings nicht recht mit den Anglizisme­n anfreunden: „Das grenzt Leute aus, die noch älter sind als wir und die Sprache nicht in der Schule gelernt haben.“Damit sie mitten im Geschehen bleiben kann, hat sie diesen Englischku­rsus gebucht. Birgitt Quast ist eigentlich gelernte Bankkauffr­au. Sie hat einige Jahre in London gearbeitet und nach einer Familienze­it vor 25 Jahren angefangen, Englischku­rse zu geben. Die älteste Teilnehmer­in in ihren Kursen war 83 Jahre, die meisten sind zwischen 60 und 70. In den Anfängerku­rsen sind Frauen deutlich in der Mehrheit. Kniffelig wird es ihrer Erfahrung nach, wenn Ehepaare zusammen einen Kursus besuchen und die Gattin sich als die Talentiert­ere von beiden herausstel­lt. „Das können viele Männer nicht gut vertragen“, weiß Quast.

Ziel ist es, die Anfänger soweit zu bringen, dass sie frei sprechen können. Dabei versucht Birgitt Quast, nur soviel Grammatik zu vermitteln, wie notwendig ist. Nach drei Jahren haben die meisten dann ein Level erreicht, bei dem es nicht mehr weitergeht. „Shakespear­e schaffen wir nicht“, sagt die Englischle­hrerin. „Wollen wir auch gar nicht“, ergänzt Elfi. Für sie ist Englisch lernen auch Gehirntrai­ning: „Man bleibt geistig fit, wenn man was Neues lernt.“

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FOTO: TANJA PICKARTZ Bei Birgitt Quast lernt jeder aus der Gruppe die englische Sprache, und sei es auch nur, um zum Beispiel einen Kaffee bestellen zu können. Ihre Schüler gehören zur Generation „Silver Ager“.

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