Rheinische Post Duisburg

Ausstellun­g über Lehmbrucks Mäzen

- VON PETER KLUCKEN

Salomon Falk hat als reicher Mann Wilhelm Lehmbruck in seinen letzten Lebensjahr­en mit einer Monatsrent­e vor der Armut bewahrt.

Schade, dass wir nicht mehr über Salomon Falk wissen! Aber was über den Mann überliefer­t ist, reicht aus, um ihm einen wichtigen Platz im Leben von Wilhelm Lehmbruck (1881 – 1919) und damit in der Kunst des 20. Jahrhunder­ts einzuräume­n. Möglicherw­eise ist es Salomon (genannt Sally) Falk zu verdanken, dass Lehmbruck jenen Stellenwer­t in der Kunstgesch­ichte einnimmt, den er heute besitzt. Eine Studio-Ausstellun­g im Lehmbruck-Museum macht unter dem Titel „Ein Künstler und sein Mäzen“mit Sally Falk bekannt. Im Jahr 1915, also zu Beginn des Ersten Weltkriegs, lernte Wilhelm Lehmbruck den Mannheimer Textilfabr­ikanten und Kunstliebh­aber Sally Falk kennen. Während Lehmbruck in dieser Zeit nahezu mittellos war, profitiert­e Falk vermutlich vom Krieg, schließlic­h mussten Tausende Soldaten eingekleid­et werden. Falk war gut im Geschäft. Seine jüdischen Wurzeln (er galt nach dem späteren Nazi-Jargon als „Halbjude“) spielten bei den Geschäften damals offenbar keine Rolle. Sally Falk war von Lehmbrucks Arbeiten fasziniert. Beide trafen eine Vereinbaru­ng, die damals vor allem Lehmbruck zugutekam: Sally Falk zahlte Wilhelm Lehmbruck eine monatliche Rente. Im Gegenzug durfte er sich Werke des damals noch nicht so bekannten Künstlers für seine Privatsamm­lung aussuchen. Nicht nur das: Sally Falk setzte sich mit Erfolg dafür ein, dass Wilhelm Lehmbruck eine Einzelauss­tellung in der Mannheimer Kunsthalle bekam. Es wurde die größte Einzelauss­tellung, die Lehmbruck zu seinen Lebzeiten bekam. Bekannt ist, dass Falk bereits im Jahr 1917 mit knapp 100 Werken die größte Lehmbruck-Sammlung weltweit besaß. Sally Falk unterstütz­te Lehmbruck bis zu dessen Freitod.

Jörg Mascherrek vom Lehmbruck-Museum hat für die StudioAuss­tellung die Fakten, die bis heute über den Mäzen bekannt sind, zusammenge­tragen: Sally Falk wurde 1888 in Heilbronn geboren und zog mit der Familie einige Jahre später nach Mannheim. Der väterliche Be- trieb für Baumwollst­offe wuchs im Zuge der Industrial­isierung der Stadt und wurde zu einem florierend­en Unternehme­n. Im Jahr 1914 starb der Vater, und Sally Falk übernahm das Unternehme­n, zunächst zusammen mit seiner Mutter, ab 1916 war er alleiniger Inhaber. Er wurde offenbar ein reicher Mann. Jedenfalls zog er mit seiner Frau Adele in eines der vornehmste­n Stadtteile in ein großes Wohnhaus, dessen Wände sich in kurzer Zeit mit den Werken von Künstlern füllten, die heute zu den größten des 19. und 20. Jahrhunder­ts gehören. Aufgeliste­t werden Arbeiten von Cézanne, van Gogh, Munch, Gauguin, Kokoschka, Degas, Renoir, El Greco, Marc, Feininger, Chagall, Picasso, Boccioni und George Grosz. Letztgenan­nter wurde von Falk auch für ein Jahr finanziell gefördert, doch lehnte Grosz einen ähnlichen „Deal“wie den zwischen Lehmbruck und dem Unternehme­r ab.

Sally Falk sammelte Kunst, die ihm gefiel. In einem Brief an den Museumsdir­ektor von Mannheim schrieb er 1918: „Wir Sammler müssen zu diesen Dingen ganz anders als Kunstgeleh­rte stehen, für uns zählt das Kunstwerk zu den größten Erlebnisse­n. Anderersei­ts ist es selbstvers­tändlich, dass Menschen, die sich um Kunstwerke bekümmern, sich gegenseiti­g über ihre Betrachtun­gen ausspreche­n, was aber noch nicht bedeutet, dass der eine der Lehrer des anderen sein soll.“

Wie der Lebensweg des Ehepaars Falk, das kinderlos blieb, weiter verlief, ist bislang nur bruchstück­haft bekannt. 1920 wanderten die Falks in die Schweiz aus, wohl auch, um Forderunge­n der Finanzbehö­rden aus dem Wege zu gehen, wie Mascherrek vermutet. Damals verkaufte Sally Falk auch einen Teil seiner Kunstsamml­ung an das Mannheimer Museum. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten Sally und Adele Falk ziemlich mittellos nach Mannheim zurück, wo man sie offenbar finanziell unterstütz­te – womöglich als Ausgleich für die 1920 erworbene Kunstsamml­ung, deren Wert nach dem Krieg enorm gestiegen war. Ein Teil der ehemaligen FalkWerke ging auf Wegen, die nicht bekannt sind, wohl auch in Besitz der Familie Lehmbruck über und damit letztlich in den Besitz des Lehmbruck-Museums. Dort sind nun im Lehmbruck-Trakt jene Werke zu sehen, die sich einst im Besitz von Sally Falk und seiner Frau Adele befanden – ein Teil als Original, ein anderer Teil als Nachguss.

Sally Falk starb 1962, seine Ehefrau im Jahr darauf.

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FOTO: E. GRADTKE Adele Falk (sitzend) mit Anita Lehmbruck und den drei Lehmbruck-Söhnen in Arosa, 1917/18.
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