Ohne Zweifel
Das Bekenntnis von Per Mertesacker zu psychischen Belastungen im Profifußball hat Aufsehen erregt. Cristiano Ronaldo und Zlatan Ibrahimovic wirken dagegen von allen Selbstzweifeln befreit. Kann das wirklich sein? Und wäre so etwas gut?
DÜSSELDORF Zurzeit ist der Fußball mal wieder sensibilisiert. Per Mertesacker sei dank. Der Weltmeister hatte Anfang März in einem „Spiegel“-Interview offen darüber gesprochen, wie sehr ihm Druck, Stress und Erwartungshaltung des Profidaseins zu schaffen machen. Damit war das Thema auf dem Tisch und seitdem so präsent, wie es seit dem Tod von Robert Enke im Jahr 2009 nicht mehr war. In Mertesackers Nachfolge bekannten zuletzt weitere (Ex-)Profis, dass sich hinter den Millionären der öffentlichen Wahrnehmung verletzliche Menschen wie du und ich verbergen können. Markus Babbel äußerte sich dahingehend im „Kicker“, nun tat es auch Werder-Profi Robert Bauer an selber Stelle.
Aber dann sind da eben auch Spieler wie Cristiano Ronaldo oder Zlatan Ibrahimovic. Stars, die sich mit ihren Aussagen eine Höhe schaffen, von der sie das Volk nur allzu gerne mal tief fallen sehen würde – allein, die beiden fallen nicht. Mehr noch: Ronaldo, der König von Real Madrid, und Ibrahimovic, der Wandervogel, der inzwischen bei Los Angeles Galaxy angekommen ist, lassen ihren kessen Sprüchen in der Regel Taten auf dem Platz folgen, die eine kesse Wortwahl nicht nur rechtfertigen, sie verlangen geradezu nach ihr. Es stellt sich also die Frage: Haben der Portugiese und der Schwede einen Zustand erreicht, in dem ihnen Selbstzweifel völlig fremd sind?
Babett Lobinger vom Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule in Köln glaubt nicht daran. „Von Ronaldo und Ibrahimovic sehen wir nur das, was sie nach außen zeigen – im Profifußball sind die Zuschauer so zahlreich, dass wir nicht selten eine Form der Selbstinszenierung erleben. Allein der Versuch, nie mehr an sich selbst oder dem, was man tut zu zweifeln, ist unrealistisch“, sagt sie.
Doch wo äußern sich Zweifel bei Ronaldo oder Ibrahimovic? In Sammlungen der besten RonaldoZitate findet sich jedenfalls die Aussage: „Wenn mich jemand als den Besten der Welt bezeichnen würde, würde mich das nicht überraschen.“Er brauchte auch keine Angst zu haben, dass ihm das jemand als überheblich auslegt. Höchstens die, die Lionel Messi noch besser finden. Aber da scheiden sich eben die Geister. Ronaldo schoss am Wochenende sein 650. Karrieretor, und Tage zuvor im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinalspiels in Turin traf er mit einem derart sehenswerten Fallrückzieher, dass ihm selbst die JuventusFans applaudierten. Die, die ihn vorher im Spiel ausgepfiffen hatten, wie man halt einen auspfeift, dem anders nicht beizukommen scheint. „Vielleicht hassen sie mich, weil ich zu gut bin“, hatte Ronaldo zu diesem Phäno- men schon früher einmal gesagt. Widerspruch muss er auch bei dieser Einschätzung nicht fürchten. Weil die Welt längst begriffen hat, dass der 33-Jährige sich nicht auf sein Jahrhunderttalent verlässt, sondern an seinem Körper arbeitet wie kein Zweiter in der Branche.
Als Ibrahimovic auf Ronaldos Traumtor angesprochen wurde, sagte er in seiner typischen Art: „Das Tor war ganz schön. Aber Ronaldo soll es mal aus 40 Metern versuchen.“Damit spielte der 36Jährige auf sein Tor gegen England von 2012 an. Damals hatte er mit einem Fallrückzieher aus 40 Metern getroffen. Der Treffer wurde zum Welttor des Jahres gewählt.
In seinem ersten Spiel für Los Angeles gelang dem Schweden zwar kein vergleichbares Tor, aber immerhin eins aus 35 Metern und dazu noch das Siegtor, so dass ihm Fußball-Kalifornien gleich mal standesgemäß zu Füßen lag. „Sie haben nach Zlatan gerufen, da habe ich ihnen Zlatan gegeben“, sagte er später. Dieser Satz klang dann auch für viele mehr nach einer logischen Verknüpfung von Ursache und Wirkung als nach Größenwahn. Und mit zunehmendem Alter kommt bei Ibrhimovic noch eins hinzu: Er spielt mit seiner Unfehlbarkeit, nimmt sich zuweilen selbst auf den Arm. Ibrahimovics Biographie, 2013 erschienen, heißt übrigens schlicht „Ich,
Zlatan“.