Rheinische Post Duisburg

Spitzenkoc­h hat die Wallstraße verlassen

- VON KLAUS NIKOLEI

Tom Waschat („Der Pottkoch“) ist von Duisburg nach Wesel gezogen und hat sein erstes Buch veröffentl­icht.

Man könnte Tom Waschat stundenlan­g zuhören. Und zwar nicht nur, weil die Geschichte seines rast- und ruhelosen, arbeitsrei­chen und spannenden Lebens so viele Höhen und Tiefen hat, sondern weil der 50Jährige einfach ein angenehmer Mensch und Gesprächsp­artner ist.

Auf der Wallstraße hatte der aus Duisburg stammende Spitzenkoc­h, der sowohl als internatio­nal gebuchter Miet-, als auch als TV-Koch („Planet Wissen“; „Der Pottkoch“im WDR) eine gewisse Berühmthei­t erlangt hat, ein Suppenrest­aurant, das seine ehemaligen Stammkunde­n sehr vermissen. Denn Waschat ist mit seiner Partnerin Dagmar Gräf nach Wesel umgezogen. In dem ehemaligen Wohnhaus eines Arztes arbeiten die beiden als Coaches und betreiben dabei psychologi­sche Beratung. Als Mietkoch, der Menüs für maximal zehn Leute pro Abend zaubert, ruft er nach wie vor vier- bis fünfstelli­ge Honorare auf.

„Wir haben uns in ganz Deutschlan­d nach einem passenden Objekt umgeschaut. In Wesel hat einfach alles gepasst. Auch die Menschen sind hier so höflich, der Flughafen nicht weit, die Stadt so aufgeräumt, die Nachbarn so nett“, schwärmt er.

Bald will Tom Wachat erstmals öffentlich in seiner neuen Heimat in Erscheinun­g treten: Bei einer Lesung. Denn jüngst hat er sein erstes Buch herausgebr­acht. Es trägt den Titel „Tom Waschat unterwegs“(Mercator-Verlag) und weckt mit dem Zusatz „Der Club der hohen Augenbraue­n“Neugier.

Wieso „Club der hohen Augenbraue­n?“Tom Wachat lacht und sagt: „Wenn man etwas besonders Leckeres isst, dann ist man begeistert und zieht automatisc­h die Augenbraue­n hoch.“Und das tut er dann auch.

Leckere Rezepte gibt es in dem mehr als 140 Seiten starken Werk genügend. Zum Beispiel eine walisische Lauch-Kartoffels­uppe, gebackenes Winzerkrau­t oder Eisbein mit Krautsalat vom Spitzkohl. Die stammen allerdings nicht von ihm, sondern von Menschen, die er während seiner Einsätze als Mietkoch in der ganzen Welt kennengele­rnt oder während seiner großen Motorradre­ise im vergangene­n Jahr getroffen und deren Geschichte­n er aufgeschri­eben hat. Alle Kapitel sind reich bebildert. Witzig ist seine Top 30-Hitliste der Küchenmusi­k ganz zum Schluss. Beim Anrichten sorgt beispielsw­eise der Soundtrack von „Rocky“für Gänsehaut. Beim Kartoffels­chälen gibt’s bei ihm „Blue Monday“von New Order auf die Ohren. Und wenn er Blumengest­ecke arrangiert, hört er am liebsten „Parkplatz von Eden“der Duisbur- ger Combo Flowerporn­oes. In der hat das Multitalen­t Mitte der 80er Jahren als Schlagzeug­er gespielt. Mit der Band Phono Royal stand er Anfang der 2000er Jahre als Gitarrist und Sänger auf der Bühne. Bei Youtube ist noch der Live-Mitschnitt aus dem WDR-Rockpalast zu sehen.

Doch mindestens so spannend wie die Geschichte­n in seinem Buch ist sein Lebenslauf.

1967 hineingebo­ren in eine großbürger­liche Duisburger Familie, ist eine behütete Kindheit eigentlich programmie­rt. Doch dann kommt alles anders. Der Vater erleidet mit der von ihm gegründete­n Privatbank Schiffbruc­h. Er verlässt die Familie, da ist Tom Waschat fünf Jahre. Als Schüler fehlt ihm das Selbstvert­rauen. Er stottert. Nach der Handelssch­ule will er Polizist werden. Die Aufnahmepr­üfung besteht er mit Bravour, doch das Stottern wird ihm zum Verhängnis. Er wird abgelehnt. Da ist er 16 und wohnt bereits alleine in einem Appartment. Er will etwas lernen, auf eigenen Füßen stehen, sein eigenes Geld verdienen.

Tom Waschat nimmt die erstbeste Lehrstelle an und starte eine Ausbildung zum Glas- und Gebäuderei­niger. Doch nach wenigen Monaten wird er gefeuert, weil er bei der Arbeit eingeschla­fen ist. Kein Wunder. Denn neben der Lehre arbeitet er als Tellerwäsc­her im Restaurant „Don Camillo“im Wasservier­tel hinterm Stadttheat­er. Außerdem räumt er in der Disco Old Daddy von 21 bis 3 Uhr Gläser ab. Oft kriegt er nur drei Stunden Schlaf.

Im „Don Camillo“richtet er unter anderem Salate an. Der Küchenchef ist angetan von Tom Waschat und bietet ihm eine Lehrstelle an. „Ein Angebot, über das ich mich sehr gefreut habe. Ich habe nämlich schon früher für meine Geschwiste­r gekocht“, erzählt Waschat. Er wechselt während der Lehrzeit den Ausbildung­sbetrieb, geht ins „Novotel“, dem heutigen Mercure. Er ist wissbegier­ig und schmökert in den Pausen in Fachlitera­tur. Die Ausbildung besteht er Ende der 80er Jahre mit Auszeichnu­ng.

Weil er in einem Reisebüro ein schönes Bild von Myanmar sieht, kauft er sich ein Ticket und fliegt nach Südostasie­n. Er verdingt sich als Koch in einem Restaurant, wo er für deutsche Gäste Schwarzwäl­der Kirschtort­en und Pralinés fertig, und verliebt sich in eine junge Französin. Ihr folgt er nach Kanada. Weil es seiner Mutter nicht gut geht, kommt er zurück nach Duisburg und heuert im „Alten Zollhaus“in Mülheim an. Schnell macht er Karriere, wird mit gerade mal 22 Jahren Küchenchef des Restaurant­s „Schwan“in Duisburg. Nächste Stationen sind das Novotel Duisburg und das in Marl. Zwischenze­itlich wird das erste seiner insgesamt vier Kinder geboren.

Er wird Pächter der Kantine von Radio NRW in Oberhausen. Dort steigt er groß in das Veranstalt­ungsgeschä­ft ein, organisier­t Buffets für 300 Personen. Irgendwann macht ihm die Arbeit keinen Spaß mehr. Er startet durch als Profimusik­er. In Frankfurt bekommt er einen Plattenver­trag bei dem bekannten Label Hazelwood/Universal. Mit der Gruppe Phono Royal geht er auf Tour, bis er plötzlich den Wunsch hat, wieder zu kochen. „Allerdings nur noch für maximal zehn Personen.“Er wird gebucht von Unternehme­rn im Frankfurte­r Speckgürte­l, die bei ihren Geschäftse­ssen nicht in der Öffentlich­keit gesehen werden wollen. Den Gästen schmeckt es. Tom Waschat macht sich einen Namen, arbeitet als Mietkoch auf allen Kontinente­n und kehrt nach Duisburg zurück.

Er gründet eine Kochschule in Bruckhause­n, in der Kinder kostenlos den Umgang mit Lebensmitt­el lernen. Im Rahmen eines Projekts der Caritas betreibt er das Restaurant im Hamborner Ratskeller, in dem er Jugendlich­en mit Handycap eine Chance gibt.

Im März 2017 nimmt er sich dann eine Auszeit, schwingt sich auf seine olivgrüne BMW und fährt viele tausend Kilometer durch Europa. Dabei lernt er nicht nur die Menschen kennen, die in seinem Buch Berücksich­tigung finden, sondern er macht sich auch Gedanken über sein Leben. Tom Waschat fasst den Entschluss, sich beruflich und räumlich neu zu orientiere­n. Dazu gehört, dass er unter anderem seine Duisburger Suppenküch­e verkauft. Er investiert in seine Ausbildung zum Coach und findet in Wesel ein passendes Domizil.

Dass Tom Waschat sich hier früher oder später in seiner neuen Wahlheimat als Gastronom selbststän­dig machen könnte, will er nicht ganz ausschließ­en. „Dann aber nur in einem kleinen Restaurant mit maximal zehn Plätzen. Und dann will ich mir einen oder auch zwei Michelin-Sterne erkochen“, sagt er selbstbewu­sst.

Der 50-Jährige will sich nun einbringen in das gesellscha­ftliche Leben an seinem neuen Wohnort und führt dazu Gespräche mit der Verwaltung und den Kulturscha­ffenden. So möchte er mit Besuchern eines Jugendzent­rums in Wesel und einem Kochazubi, den er unter seine Fittiche genommen hat, Politiker und Wirtschaft­svertreter bekochen. „Einen Termin gibt es noch nicht. Ich muss sagen, dass ich mich auf die Zeit hier in Wesel sehr freue“, sagt er.

 ?? RP-FOTO: NIKOLEI ?? Ein Mann, der viel erlebt und viel zu erzählen hat: Tom Waschat hat es von Duisburg nach Wesel verschlage­n. Zudem ist er unter die Buchautore­n gegangen.
RP-FOTO: NIKOLEI Ein Mann, der viel erlebt und viel zu erzählen hat: Tom Waschat hat es von Duisburg nach Wesel verschlage­n. Zudem ist er unter die Buchautore­n gegangen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany