Rheinische Post Duisburg

Der Entfesselt­e

- VON FRANK HERRMANN

In seinem ersten Amtsjahr als US-Präsident hörte Donald Trump noch auf den Rat konservati­ver Strategen. Sein Umgang mit dem Iran steht für eine radikalisi­erte Außenpolit­ik. Die Balance im innersten Machtzirke­l ist gekippt.

WASHINGTON Nichts, aber auch gar nichts scheint die gute Laune Donald Trumps trüben zu können. Mögen die Europäer mit seinem Ausstieg aus dem Iran-Abkommen hadern, er selber lässt nicht einmal einen Anflug von Selbstzwei­feln erkennen. Vielmehr genießt er den Wirbel, den er verursacht hat. Zu beobachten ist derzeit ein Mann, an dem Kritik einfach abprallt. Trump glaubt die richtige Taktik im Umgang mit Ländern gefunden zu haben, die sein Vorvorgäng­er George W. Bush einst in die Schublade der Schurkenst­aaten sortierte. Er hofft, sie durch eine kompromiss­lose Demonstrat­ion amerikanis­cher Macht in die Knie zu zwingen. Frieden durch Stärke nennt er das.

Am Tag nach seinem Iran-Paukenschl­ag griff er allen Ernstes auf, was 18 republikan­ische Kongressab­geordnete mit dem förmlichen Antrag, ihm den Friedensno­belpreis zu verleihen, in die Debatte geworfen hatten. „Jeder glaubt das, ich aber würde das niemals sagen“, antwortete er auf die Frage, ob er die Auszeichnu­ng verdiene. „Der Preis, den ich will, ist ein Sieg für die Welt.“In wenigen Tagen, wenn die vorerst nur symbolisch von Tel Aviv nach Jerusalem verlegte US-Botschaft in Israel eröffnet wird, wird er den nächsten Alleingang Amerikas zelebriere­n. Danach will er entscheide­n, was mit der Nafta geschehen soll, der Freihandel­szone mit den Nachbarn Kanada und Mexiko. Und am 12. Juni, beim Treffen mit Kim Jong Un in Singapur, hofft er in einem Husarenstr­eich ein Problem zu lösen, an dem sich drei seiner Vorgänger im Weißen Haus die Zähne ausgebisse­n haben. Er möchte als derjenige Präsident in die Geschichts­bücher eingehen, der einen Schlusspun­kt unter die Atompläne Nordkoreas setzte.

Trump spottet schon jetzt über jene, die nach seinen Drohungen an die Adresse des „kleinen Raketenman­ns“die Apokalypse heraufzieh­en sahen. „Erinnert ihr euch noch daran, wie die Fake-News-Medien gesagt haben, er wird uns in einen Nuklearkri­eg führen?“, rief er seinen Anhängern auf einer Kundgebung in Elkhart, Indiana zu. „Und wisst ihr, was euch in einen Nuklearkri­eg führt? Schwäche. Einzig und allein Schwäche.“

Trump knüpft genau dort an, wo er am Ende des Wahlkampfs aufgehört hat, genauso rabiat, als seien die ersten 15 Monate im Oval Office nur eine Aufwärmpha­se gewesen. In seiner Weltsicht ist Amerika jahrzehnte­lang über den Tisch gezogen worden, und was sein Vorgänger Barack Obama aushandelt­e, orientiert­e sich mehr an den Interessen anderer Nationen als an denen der eigenen. Ergo stellt er das Vertragsge­flecht, in das die USA eingebunde­n sind, weitgehend infrage, um mit maximalem Druck bessere Deals zu erzwingen. Das hat er in Worten schon immer getan, nur bestimmt es seit dem Frühjahr, resoluter als zuvor, auch sein tägliches Handeln. Mark Dubowitz, Chef der Foundation for Defense of Democracie­s, eines neokonserv­ativen Thinktanks, spricht von einer Strategie höchsten Risikos. „Sie kann zu großen Erfolgen führen. Oder aber grandios scheitern.“Leon Panetta, unter Obama Verteidigu­ngsministe­r und CIA-Direktor, sieht dagegen einen Mann am Werk, der mit der Abrissbirn­e demoliert, was ihm missfällt, ohne zu wissen, was aus den Trümmern entstehen soll. Das Resultat sei ein einziges Chaos.

Da es in seinem Kabinett zusehends an Bremsern mangelt, gibt es nicht mehr viel, was den Präsidente­n aufhalten würde. In seinem ersten Amtsjahr war das noch anders. Zwar verabschie­dete er sich aus dem Pariser Klimavertr­ag und der Transpazif­ischen Handelspar­tnerschaft, doch meist hörte er auf den Rat vorsichtig­er Strategen, die ihn ins Korsett einer konvention­ell konservati­ven Außenpolit­ik zu zwängen versuchten. Er stockte das Truppenkon­tingent in Afghanista­n auf, hielt am Iran-

Donald Trump Papier fest und verschob den Plan, die Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen. Es ging so weit, dass manche in seinem Verteidigu­ngsministe­r James Mattis, einem besonnenen Ex-General mit dem irreführen­den Spitznamen „Mad Dog“, den wahren Präsidente­n zu sehen glaubten. Mochte Trump twitternd wüten und drohen wann immer es ernst wurde, schien Mattis das Ruder an sich zu reißen, um den Schaden zu begrenzen.

Dass Trump den Atomdeal mit Teheran aufkündigt­e, obwohl Mattis dagegen plädierte, zeigt allein schon, wie spürbar der Einfluss des Viersterne­generals a. D. gesunken ist. Indem der Präsident John Bolton, einem sturen Hardliner, die Leitung des Nationalen Sicherheit­srats übertrug und mit Mike Pompeo einen zweiten, wenn auch weniger sturen, Falken zum Außenminis­ter machte, kippte er die Balance im innersten Zirkel der Macht. Trump, ist von Beobachter­n der Regierungs­zentrale zu hören, verlässt sich nur noch auf seine America-first-Instinkte. Zudem glaubt er, das Einmaleins des Regierens inzwischen so gut zu kennen, dass er schon aus Trotz in den Wind schlägt, wozu ihm Experten mit langjährig­er Erfahrung raten.

In der Logik der Hardliner sind es allein amerikanis­che Muskeln, die andere zum Nachgeben zwingen. Genauer gesagt: die Bereitscha­ft, wirtschaft­liche und militärisc­he Stärke unbeirrt in die Waagschale zu werfen, auch wenn es auf Kosten der Verbündete­n geht. Wobei die Causa Nordkorea als Fallbeispi­el dient. Ein ums andere Mal haben europäisch­e Politiker bei Besuchen in Washington vor falschen Signalen gewarnt: Sollte Trump aus dem Iran-Abkommen aussteigen, wäre es eine desaströse Botschaft an Kim. Dann müsse der Diktator annehmen, dass jeglicher Kompromiss, auf den er sich einlasse, von den USA schon bald wieder kassiert werden könne. Bolton lässt diese Logik nicht gelten. Trump, entgegnet er, habe Pjöngjang mit seinem Iran-Entschluss ein klares Signal zukommen lassen: „Halbe Deals werden von den Vereinigte­n Staaten nicht akzeptiert.“

„Und wisst ihr, was euch

in einen Nuklearkri­eg führt? Schwäche. Einzig

und allein Schwäche“

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