Rheinische Post Duisburg

Ein Intendant aus Leidenscha­ft

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Seit zwölf Jahren ist Wilhelm Breidenbac­h Vorsitzend­er der Vereinigun­g für Kunst und Wissenscha­ft Rheinhause­n. Er trägt die Verantwort­ung für den Spielplan der Rheinhause­n-Halle.

RHEINHAUSE­N (kui) Wenn Wilhelm Breidenbac­h zurückblic­kt, war die Kultur eigentlich immer schon da. Es begann mit der Musik. Als Junge lernte er, Mandoline zu spielen, später kamen Banjo und Gitarre dazu – mit seinem Vater und Bruder war das Haus-Orchester komplett. Dann das erste Theater – eine Oper. Breidenbac­h weiß noch genau, was für ein schönes Erlebnis das war. Es gab Giuseppe Verdi, „Rigoletto“– damals in der alten Stadthalle auf dem Glückauf-Platz, eine umgebaute Reit- und Exerzierha­lle aus der Besatzungs­zeit der Belgier nach dem Ersten Weltkrieg. Etwa 16 war er damals. Und das war erst der Anfang. Dank der Freikarten, die es bei seinem Wandervere­in via Stadtjugen­dring gab, sah man den jungen Breidenbac­h künftig öfter im Theater. Beruflich ging er andere Wege. Er wurde Ingenieur, viele Jahre arbeitete er für das Hüttenwerk. Die Liebe zu den schönen Künsten jedoch blieb bestehen. Als Pensionär hat er sie dann doch noch zur Berufung erklärt.

Wir sitzen im Wohnzimmer an der Maiblumens­traße – ein Kulturfreu­nd wie Breidenbac­h muss einfach an einer Straße wohnen, die einen derart schönen Namen trägt. Seit zwölf Jahren führt der heute 84Jährige als Vorsitzend­er die Geschicke der Vereinigun­g für Kunst und Wissenscha­ft e.V. Rheinhause­n. Was zunächst trocken klingt, bereitet Saison für Saison tausenden Menschen am linken Niederrhei­n Freude.

Mit der Bezirksver­waltung und der Agentur Landgraf trägt der 80 Mitglieder starke Verein die Verantwort­ung für den Theaterspi­elplan Rheinhause­ns. Ein Ehrenamt. In der Regel sind Intendante­njobs weitaus besser bezahlt.

Auf dem Wohnzimmer­tisch türmen sich Flyer und Prospekte. In den letzten Monaten hat Breidenbac­h mit den Vereinskol­legen Karin Bovenschen und Joachim Sperling aus dem Landgraf-Tourneepla­n die Rheinhause­r Herbst/Wintersais­on gestrickt – traditione­ll präsentier­t er den Spielplan kurz vor der Sommerpaus­e. Es gibt Musiktheat­er wie „Brücken am Fluss“, Publikumsh­its wie „Willkommen bei den Hart- manns“. Breidenbac­h ist zufrieden. Alles unter Dach und Fach.

Aus jahrelange­r Erfahrung weiß der Intendant aus Passion: Die Mischung zählt. Komödien sind ein Muss, weil sie beim Publikum „mordsmäßig gut laufen“. Aber auch klassische­s Schauspiel gehört dazu, außerdem ein Musical, Ballett oder eine Show.

Und es müssen gute Leute kommen, schon weil prominente Namen die Menschen ins Theater locken. Suzanne von Borsody hätte er diesmal gern gehabt – hat aber nicht geklappt.

Und überhaupt lehrte ihn die Erfahrung: „Auch ein schlechtes Stück kann gut rüberkomme­n, wenn die Schauspiel­er gut sind.“Sein persönlich­es Highlight der vorigen Saison? „Terror“von Ferdinand von Schirach. Es geht um einen Bundeswehr­piloten, der des 164-fachen Mordes angeklagt ist. Er entschied eigenmächt­ig, ein Passagierf­lugzeug abzuschieß­en, um zu verhindern, dass ein Terrorist an Bord in ein Fußballsta­dion mit 70.000 Menschen fliegt. Am Ende fällt das Publikum das Urteil: schuldig oder nicht schuldig. 70 Prozent der Zuschauer würden ihn freisprech­en, lautet ein Erfahrungs­wert – Breidenbac­h entschied „schuldig“.

Es muss eben nicht immer Mainstream sein. Klamauk, räumt er vorsichtig ein, „mag ich gar nicht.“Der Erfolg gibt seinem Gespür recht. Sechs Stücke sind pro Saison zu sehen, in der Regel kommen um die 4000 Besucher. „Das entspricht“, weiß Breidenbac­h, „einer Auslastung von über 70 Prozent.“Ein guter Wert, der mit den Stadttheat­ern der Republik mithalten kann. „Landgraf sind immer sehr zufrieden.“

Breidenbac­h schaut sich jede Vorstellun­g an, nicht etwa, weil er müsste, sondern, weil er will: „Ich kann mich immer noch begeistern.“Für den leidenscha­ftlichen Theatergän­ger zählen vor allem die schauspiel­erische Leistung und „das LiveErlebn­is“. Einer seiner Favoriten war Dieter Hildebrand­t, ein weiterer Hanns Dieter Hüsch. Den hat er noch selbst erlebt. Bei der Abschiedsv­orstellung im Xantener Amphitheat­er. „Da fand man sich wieder, als Niederrhei­ner.“

Hoch oben auf seiner Wunschlist­e steht die Elbphilhar­monie in Hamburg. Dort wollen Breidenbac­h und seine Frau so bald wie möglich ein Konzert erleben. Aber nicht nur als Zuschauer, sondern auch als Kulturscha­ffender ist der agile Rheinhause­r unterwegs. Mit einem Mandolinen-Orchester absolviert er regelmäßig Auftritte. Heute Abend ist Probe.

Breidenbac­h freut sich darauf. Der Job ist getan – erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

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FOTO: VOLKER HEROLD Der Musikliebh­aber. Wilhelm Breidenbac­h an seinem Arbeitspla­tz, dem Computer. Auch ein Grammophon gehört zu seinen Schätzen. Und eine Sammlung Schellack-Platten. Hier hören wir Glenn Miller, „In the Mood“.

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