Rheinische Post Duisburg

Seehundfra­u: von der Sprache zum Tanz

- VON INGO HODDICK

Einer alten nordischen Sage zufolge steigen in manchen Nächten die Seehundwei­bchen an Land, winden sich aus ihrem Fell und tanzen in Menschenge­stalt auf den Klippen. In dem Theaterstü­ck „Die Seehundfra­u“, das jetzt vom Theater R.A.B. („Random Acts of Beauty“, zu Deutsch „Zufällige Akte der Schönheit“) aus Freiburg im ausverkauf­ten Foyer III unterm Dach des Theaters zu erleben war, stiehlt ein einsamer Fischer der Frau ihr Fell, so dass sie für sieben Jahre bei ihm bleiben muss.

Das Aufeinande­rprallen von Meerwesen und Landwesen, von Zuneigung und Missverstä­ndnis sowie von Fremdsein und Anpassung wird dabei unterstric­hen durch einen „Tanz der Sprachen“: Das dramatisch­e Geschehen wird mit Maskenspie­l, Tanz, projiziert­er Schriftspr­ache, Gebärdensp­rache sowie deutscher und englischer Lautsprach­e gestaltet. Diese werden miteinande­r verwoben, so dass Hörende und Gehörlose das gleiche Erlebnis erfahren können. Da die Seehund- frau aus dem Meer kommt, ist ihre Sprache zunächst die Gebärdensp­rache. Der Fischer drückt sich in der Lautsprach­e aus. In der Kommunikat­ion miteinande­r müssen beide alles aufbringen, sich zu verständig­en. Trotz der Bemühungen bleiben sie einander fremd. Ihre Tochter wächst zweisprach­ig auf, zunächst ohne von der Herkunft der Mutter zu wissen. Besonders poetisch erscheinen jene Momente, in denen die Gebärdensp­rache der (hörenden) Schauspiel­er in Tanz übergeht und damit einen tieferen Sinn offenbart.

In der atmosphäri­sch dichten Inszenieru­ng von Johanna Thoma und im unmittelba­r einleuchte­nden Bühnenbild von Werner Klaus verkörpern die drei Darsteller vor allem die ungewöhnli­che Kleinfamil­ie. Franziska Braegger gibt die Seehundfra­u als liebenswer­te Mischung aus Tier und Übermensch. Sibylle Gaa, im wirklichen Leben nur zwei Jahre jünger als ihre Bühnen-Mutter, ist die hin- und hergerisse­ne Tochter. Len Shirts, von dem auch die vorzüglich­en Masken und Puppen sind, ist der joviale Fischer.

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FOTO: JENNIFER ROHRBACHER Mit Masken und Schamanent­rommel wurde im Foyer III die Welt am Rande des Meeres zum Leben erweckt.

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