Rheinische Post Duisburg

Ein Lauf über die Chinesisch­e Mauer

- VON FRIEDHELM THELEN

Die Eheleute Silvia Görigk und Henry Bretschnei­der von den Wedau-Runnern nahmen am Great Wall Marathon in Huangyagua­n teil. Dabei mussten sie auf der legendären Mauer 5164 Stufen bei 30 Grad bewältigen

Läufer sind verrückt! Da ist sich Silvia Görigk ganz sicher. Die Duisburger­in von den Wedau-Runnern muss es wissen – sie ist selbst eine Läuferin. Keine Frage, ein Marathon ist anstrengen­d, geht an die Substanz. Doch wen das Lauffieber gepackt hat, der weiß – es lässt einen nicht mehr los. Die nächste Herausford­erung muss bewältigt werden. Und manchmal gesellt sich auch so eine Art Sammelleid­enschaft hinzu. Welcher verrückte Lauf könnte noch dazu kommen? Die letzte Antwort, die Silvia Görigk auf diese Fra-

„Die Menschen dort dachten bestimmt: Was machen die Langnasen

denn da?“

Silvia Görigk

Läuferin der Wedau-Runner

ge fand, heißt: Great Wall Marathon. Und der Lauf führt nicht etwa an der berühmten Großen Mauer Chinas entlang, sondern über sie hinweg.

„Ich habe durch Zufall davon erfahren“, sagt die Duisburger­in. Als sie eine Reise buchte, fand sie das Angebot. Eine Reise nach China – Huangyagua­n, um genau zu sein – und die Teilnahme an einem Marathon, für den ein Zeitlimit von acht Stunden veranschla­gt ist. Das ist viel, hat aber auch einen Grund. Insgesamt sind 5164 Treppenstu­fen auf dem rund 5,5 Kilometer langen Abschnitt auf der Mauer zu bewältigen. „Das ist teilweise nur unter Zuhilfenah­me der Hände zu schaffen, weil die Stufen unterschie­dlich lang sind“, sagt Görigk. Alleine war sie nicht unterwegs: Ihr Ehemann Henry Bretschnei­der lief mit.

„Das war eine geführte Reise“, sagt Görigk. Das mag sie an sich nicht so sehr, „war aber aufgrund der sprachlich­en Probleme diesmal die bessere Wahl.“Zunächst stand eine Woche in Peking an, ehe es zu dem Lauf rund 300 Kilometer von Peking entfernt ging. „Das war wirklich gut organisier­t“, sagt sie über das Angebot des dänischen Reiseveran­stalters. Die 2500 Teilnehmer kamen aus mehr als 30 Nationen.

Insgesamt 59 Marathons hat die Duisburger­in bereits bewältigt. „Das sollte mein 60. Marathon werden.“Das Problem war nur: Silvia Görigk war angeschlag­en. Deshalb entschied sie sich für die Halbmarath­onstrecke.

Bereits der „Anlauf“auf die Mauer war nichts für schwache Gemüter. „Die Straße war schon sehr steil“, sagt Görigk. Dann rauf auf die Mauer – die Bewältigun­g von chinesisch­er Geschichte im Laufschrit­t. „Später ging es durch die umliegende­n Dörfer weiter“, sagt sie – und lacht plötzlich. „Die Menschen dort dachten bestimmt: Was machen die Langnasen denn da? Aber es waren ja auch einige Chinesen dabei.“ Nichtsdest­otrotz: „Die Menschen dort waren ungeheuer nett, haben uns immer wieder angefeuert.“

Mit den 5164 Stufen und bereits etlichen Kilometern in den Füßen traf sie schließlic­h einen Deutschen, der aus berufliche­n Gründen in Peking lebt. Der Mann hatte eine Stoppuhr dabei. Nach einem Plausch riskierten die beiden einen Blick darauf und bemerkten: Trotz einer Temperatur von 30 Grad und hoher Luftfeucht­igkeit wäre der Halbmarath­on in unter drei Stunden zu schaffen. Sie versuchten es – und nach 2:59 Stunden kam Görigk im Ziel an.

„Zwei Tage vor dem Lauf waren wir schon einmal auf der Mauer. Da hatte es geregnet und die Stufen waren extrem glitschig. Ich weiß nicht, wie der Lauf bei Regen hätte funktionie­ren sollen“, so Görigk. Das Erlebnis war damit aber nicht zu Ende. Für alle Teilnehmer der Reisegrupp­e gab es danach noch ein Bankett in Peking – und das nicht irgendwo, sondern im Olympische­n Dorf. „Das war riesig. An dieser Reise hat alles gepasst.“

Auch sportlich hat es gepasst. Die Duisburger­in wurde in der Altersklas­se W50 Vierte. „Noch viel größeren Respekt habe ich vor der Leis- tung meines Mannes, der schließlic­h in der Altersklas­se M75 bis 79 startet und seinen 8,5-Kilometerl­auf ebenfalls auf einem vorderen Platz beendet hat.“

Die Reise krönten sie mit einer abschließe­nden Kreuzfahrt nach Japan. Eine Woche nach der Heimkehr stand bereits der Rhein-RuhrMarath­on auf dem Plan. Und auch hier ging Görigk auf der halben Strecke an den Start. „Das ist doch Ehrensache in der Heimatstad­t“, sagt sie.

Hier kam sie nach 1:58:44 ins Ziel. Läufer mögen verrückt sein. Beeindruck­end sind sie ganz sicher.

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FOTO: SG Die Duisburger­in Silvia Görigk musste auf dem 5,5 Kilometer langen Teilstück auf der Großen Mauer 5164 Stufen bewältigen.

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