Rheinische Post Duisburg

Moyland zeigt „Krieg im Kleinforma­t“

- VON ANJA SETTNIK

Druckgrafi­k, Holzplasti­ken und Bronzemeda­illen zum Ersten Weltkrieg: Gratwander­ung zwischen Propaganda und Kunst. Bis Ende September können historisch Interessie­rte eine ungewöhnli­che Ausstellun­g besuchen.

BEDBURG-HAU / MOYLAND 100 Jahre liegt das Ende des Ersten Weltkriegs zurück. Eine Ausstellun­g mit Werken aus jener Zeit – wir denken kopfschütt­elnd an die Begeisteru­ng, mit der damals hunderttau­sende junge Menschen in den Krieg zogen – könnte heroische Bilder zeigen, den Krieg verharmlos­en, den Heldenmut der Akteure feiern. Doch die Ausstellun­g „Der Große Krieg im Kleinforma­t“, Graphik- und Medaillenk­unst zum Ersten Weltkrieg, tut nichts dergleiche­n. Sie zeigt mit den Mitteln, die (Untergrund-)Künstlern damals zur Verfügung standen, was erst heute einem großen mit der Geschichte vertrauten Publikum offenbart werden kann.

Eine Wand mit dem Untertitel „Junge Helden“gibt es auch, aber da braucht es keine didaktisch­e Aufbereitu­ng, um den Betrachter darauf zu stoßen, dass die helmbewehr­ten breitnacki­gen Soldaten, die da zuversicht­lich in die Weite blicken, irren. Heute ist die Darstellun­g dieser „Helden“sofort als Propaganda enttarnt. Sie hat all dem Tod, dem Leid, der Verfolgung und Verzweiflu­ng an Kraft wenig entgegenzu­setzen.

Konzipiert hat die Ausstellun­g die Kölner LETTER-Stiftung, deren Vorsitzend­er Dr. Bernd Ernsting sie auch kuratiert hat. Moylands Kuratorin Barbara Strieder hat bei der Organisati­on geholfen, sich aber inhaltlich nicht eingemisch­t. Ebensoweni­g wie Franz Rudolf van der Grinten, Vorstandsm­itglied der Stiftung Museum Schloss Moyland, der beim Presserund­gang dabei war und auch bei der Eröffnung spricht. Das Besondere der Schau, die bis Ende September in Moyland zu sehen sein wird, ist, dass die immer kleinforma­tigen Werke in der Zeit ihrer Entstehung unauffälli­g zu sein hatten. Denn durch die Zensur wären nur wenige von ihnen gekommen. Grafik- und Medaillenk­unst waren „heimliche Künste der Schublade“, sagt Bernd Ernsting. Betrachtet haben sie damals sicherlich nur vertrauens­würdige Einzelne.

Einige der Künstler, deren Grafik und Skulpturen gezeigt werden, sind bis heute bekannt oder sogar für ihre Malerei berühmt (Otto Dix, George Grosz, Max Slevogt), viele auch nicht, manche Werke sind sogar namenlos. Das macht sie nicht weniger wichtig, findet Ernsting, „denn vor welchem Hintergrun­d sollten die großen ,Stars’ leuchten, wenn es die vielen kleinen nicht gäbe?“Seine Stiftung habe in 25 Jahren recht unstruktur­iert gesammelt, „vom Alten Ägypten bis in die 30-er Jahre des 20. Jahrhunder­ts.“Dieses unhomogene Profil zeige eine gewisse Nähe zur Moyländer Sammlung. Ergebnis ist eine thematisch­e Schwerpunk­tsammlung, die dem Betrachter Erkenntnis­gewinn durch Ansehen und Vergleiche­n bringe. So ist das auch bei der aktuellen Ausstellun­g, die ohne erklärende Schrifttaf­eln auskommen möchte. Besucher können ein Leseheft ausborgen und dieses später zurücklege­n. Oder einen Katalog kaufen, der mehr wie ein privates Fotoalbum gestaltet ist – mit einer Metallprä- gung nach dem Vorbild der gezeigten Medaillen im Cover (39.50 Euro im Museumssho­p).

Um die überhaupt erkennen zu können, ist eine Reihe Guckkästen, mit Mini-Taschenlam­pe selbst zu beleuchten, in der Ausstellun­g aufgebaut. Unter diesen Kleinrelie­fs stechen Arbeiten von Ludwig Gies hervor, der Jahrzehnte später den „Bundesadle­r“schaffen sollte. Nicht dumpfer Patriotism­us, sondern der Blick auf den Menschen in seiner Not ist von diesen Bronzemeda­illen abzulesen. „Totentanz“, „Angriff“oder „Die Bombe“sind in ihrer Ablehnung von Gewalt kaum misszuvers­tehen.

Die Ausstellun­g ist seit mehreren Jahren unterwegs, Bernd Ernsting hat die drei Räume in Moyland mit Zwischenti­teln an den Wänden geordnet: „Panorama des Schreckens“, „Neue Waffen“, „Tod und Trauer“, „Apokalypse“, „Die Frau“. Explodiere­nde Bomben in rot und schwarz sowie dunkle Grabkreuze auf den weißen Wänden machen es es auch bei nur flüchtigem Vorübergeh­en an den 370 Arbeiten unmöglich, emotional unberührt zu bleiben.

Dass einige Arbeiten künstleris­ch nicht von großer Qualität sind, dürfte auch mit dem Schicksal derjenigen zu tun haben, die sie geschaffen haben. Kriegsvers­ehrte, gar Erblindete sind dabei. Traumatisi­ert dürften viele gewesen sein. Am Ausgang der Ausstellun­g erschreckt die Holzplasti­k „Kriegsfuri­e“. Im Jahr 1935 geschaffen, sieht der Künstler den nächsten Weltkrieg offenbar schon heraufzieh­en. Die Alte mit dem irren Blick und den wirren Haaren wirft sich dem Untergang begeistert entgegen.

Führungen zur Ausstellun­g gibt es an jedem Sonn- und Feiertag. Schulen dürfen gerne Kontakt aufnehmen, jüngere Kinder könnten überforder­t sein.

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