Zocken um E-Sport
BERLIN Beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) wollte man zumindest nicht den Anschein erwecken, sich nicht intensiv genug mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben. Wenn man das Ergebnis betrachtet, hätte man es sich indes auch einfacher machen können. Der DOSB hat nun jedenfalls noch einmal festgehalten, dass er es ablehnt, eSport als sportliche Aktivität anzuerkennen. Und um wirklich deutlich zu machen, dass man von dem Ganzen so gar nichts hält, will der DOSB künftig von eGaming sprechen. Eine bewusste Abgrenzung von einem mittlerweile etablierten Begriff.
Hinter den Kulissen kracht es seit Monaten unter den Funktionären. Der E-Sport hat die Unterstützung der Bundesregierung zugesichert bekommen und deshalb sehr selbstbewusst beim DOSB angeklopft. Bei der Dachorganisation war man von diesem Vorgehen überhaupt nicht amüsiert und lässt seither die Muskeln spielen. Es wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, um über das Für undWider zu beraten. Bisherige Einschätzung: Eine Reihe von Voraussetzungen seien nicht erfüllt, es wird auf seine Aufnahmeordnung verwiesen. In der ist von einer „eigenen, sportartbestimmenden motorischen Aktivität“, der „Einhaltung ethischer Werte“und „bestimmten Verbandsstrukturen“die Rede.
„Wir haben natürlich schon über die Aufnahme diskutiert. Wir haben nur ein Problem: Wenn wir das machen, ist ein Grundsatz in Frage gestellt. Es geht uns darum, die Kinder und Jugendlichen in Bewegung zu bringen. Wir wollen sie vom Computer wegbringen. Sie müssten verantwortlich mit diesen neuen Medien umgehen und noch die Zeit haben, sich zu bewegen“, sagte DOSB-Vize Walter Schneeloch unlängst in einem Gespräch mit unserer Redaktion.
Jugendliche müssten also verpflichtend einmal um den Block gehen, bevor sie die Kiste anschmeißen und zocken? „So ungefähr“, befindet Schneeloch. „Es macht wenig Sinn, sich da wie ein Oberlehrer aufzuführen und irgendwelche Vorschriften zu fordern, über die sich die Kids kaputtlachen. Man könnte natürlich sagen, wir beginnen nun eine neue Zeitrechnung. Wir verschließen uns dem gar nicht. Aber wie gesagt: Es kann nicht sein, dass jemand sieben Stunden vor einem Rechner sitzt und dann ganz stolz seinen Eltern berichtet, wie viel Sport er heute schon gemacht hat.“Messungen haben ergeben, dass eSportler bis zu 400 Mal in der Minute auf ihre Maus drücken und Herzfrequenzbereiche erreichen, als ob sie einen Marathon liefen.
Das Asiatische Olympische Komitee hat E-Sport mittlerweile ins Programm für die Asienspiele aufgenommen. 2022 wird es auf dem vir- tuellen Spielfeld erstmals um Gold gehen. Deshalb sehen es auch hier zu Lande viele nur als eine Frage der Zeit an, bis der DOSB an einer Aufnahme überhaupt nicht vorbeikommt. Davon ist auch Michael Bister überzeugt, deutscher E-SportChef bei der Electronic Sports League (ESL). „Es wird so oder so passieren. Die Frage ist immer nur – wann.“
Hans Jagnow ist Präsident des eSport-Bund Deutschland. Er hat kein Verständnis für die restriktive Haltung. „Der DOSB vergleicht Äpfel mit Birnen. Man verlässt sich auf ein Bauchgefühl, statt tiefer in die Sachargumente einzusteigen“, sagt er. „Für die E-Sports-Entwicklung in Deutschland ist das Geld des DOSB nicht wichtig.“Aber natürlich sei es wünschenswert, wenn man miteinander im Gespräch bleibe, statt die Gräben immer größer werden zu lassen.
„Wir wollen einen offenen Austausch miteinander und am Ende müssen auch wir uns ehrlich die Frage stellen, ob wir uns überhaupt unter dem Dach des organisierten Sports aufstellen wollen“, erklärt Jagnow. „Wir sind eine Szene, die seit Jahrzehnten mit Vorurteilen kämpfen muss. Wir stellen uns der gesellschaftlichen Debatte und versuchen ruhig, sachlich und fachlich fundiert Antworten zu geben. Diesen Willen zur Öffnung sieht man auf der anderen Seite nicht immer.“
Woran liegt das? Alle haben Angst, einen gewichtigen Partner an die Seite zu bekommen. Schon jetzt gibt es in vielen Breitensportvereinen auch E-Sport-Abteilungen. Also (echte) Fußballer, Leichtathleten und Turner sind in einem Klub organisiert. Warum also stellen sich die Dachverbände quer? „Man muss natürlich auch ein paar ökonomische Fragen aufwerfen“, sagt Jagnow. „Warum hat zum Beispiel der DFB ein Interesse daran, das vor allem ein Fußballspiel für ihn echter E-Sport ist und andere Dinge nicht? Weil er durch Lizenzgebühren direkt an dieser Entwicklung profitiert.“
Beim DFB redet man übrigens nicht von E-Sport, sondern von E-Soccer.