„Wenigstens keine Albträume“
Die Duisburgerin Lütfiye Güzel las in der Zentralbibliothek aus „Nix Meer“.
Zwischen Witz und Depression changiert die 1972 im Duisburger Stadtteil Hamborn geborene Autorin Lütfiye Güzel. Dafür steht sie auch mit ihrer Person, das zeigte sich jetzt bei ihrer Lesung für den Verein für Literatur in der Zentralbibliothek. Das dauerte nur eine Dreiviertelstunde, war aber sehr verdichtet, oder wie die Dichterin es selbst ausdrückte: „Ich ballere Sie jetzt mal zu, und Sie können sich dann aussuchen, was Sie aufnehmen und für sich mitnehmen.“Die klugen kurzen Sätze stammten nicht nur aus ihrer jüngsten, elften Publikation „Nix Meer“.
„Duisburg hat mir viel gegeben, aber auch viel genommen“, befand Güzel, die inzwischen abwechselnd in Berlin und in unserer Stadt lebt. Ihre Mutter war Analphabetin, sortierte die Geldscheine nach der Farbe („man konnte sie nicht übers Ohr hauen – ich weiß das, ich habe es versucht“), und die Tochter gab es irgendwann auf, der Mutter das Schreiben beizubringen, denn „statt ,Fatma‘ schrieb sie immer ‚Fanta‘“. Ihr Vater war Stahlarbeiter, nach seinem Tod fand die Tochter in seinem Ehering die Inschrift „Für Gerda“– „mein Vater war immer der Trödel-King“.
Die Eltern weckten mit schön und selbst formulierten Lebensweisheiten unbewusst die Liebe der Tochter zur Poesie (und zum Aphorismus). Im Übrigen seien Eltern überschätzt: „Einen ungefragt in die Welt setzen und sich dann verpissen.“Dann schon lieber sich an amerikanischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts orientieren wie „Ernest“, gemeint ist Hemingway, der „Suizidant - das klingt nach Uni-Abschluss“, den Lütfiye Güzel eben nicht hat. Oder „Charles“, das ist Bukowski, der „hatte keine Träume, wollte aber wenigstens keine Albträume“. Einerseits liest sie: „Früher gab es mich zweimal – die eine schaute aufs Meer, die andere ertrank darin“, andererseits kokettiert sie mit dem Publikum: „Sie dürfen ruhig lachen! Hier darf jeder alles, mit Respekt.“Man hört ihr gerne zu, denn sie bringt die Zwiespältigkeit der Welt auf den poetischen Punkt, nach dem Motto „Ich habe überlebt, ich bin hier.“
Die nächste Lesung für den Verein für Literatur am Donnerstag, 22. November, um 20 Uhr, in der Zentralbibliothek, hat gleichfalls mit der Türkei zu tun. Dann liest Sabine Adatepe aus ihrer Übersetzung des Romans „Istanbul Istanbul“von Burhan Sömnez. Der Eintritt kostet sechs Euro, im Vorverkauf über die Zentralbibliothek fünf Euro. Mitglieder des Literaturvereins Duisburg haben freien Eintritt.