Rheinische Post Duisburg

Große Klappe für Hiroshima-Film

Parallel zur Duisburger Filmwoche fand im Filmforum die Jugendsekt­ion des Dokumentar­filmfestiv­als, „Doxs!“, im Filmforum statt. Am Freitag wurden die Preise im Rahmen einer von Jugendlich­en moderierte­n Matinee vergeben.

- VON PETER KLUCKEN

Die Frage der jugendlich­en Moderatori­n an den schätzungs­weise 40 Jahre älteren belgischen Filmkenner Felix Vanginderh­uysen zielte auf den Punkt: Sollen Dokumentar­filme für Jugendlich­e andere Themen behandeln als Filme, deren Zielgruppe das ältere Publikum ist? Vanginderh­uysen, der auch Jury-Mitglied vom Europäisch­en Verband für Kinder- und Jugendfilm (ECFA) ist, fand eine kluge Antwort: Grundsätzl­ich können bei Dokumentar­filmen für die Jugend die gleichen Themen wie bei Erwachsene­n behandelt werden. Sie müssten nur so gemacht werden, dass sich die Jugend angesproch­en fühlt. Und da sei das schöne deutsche Wort „staunen“wohl entscheide­nd.

Mit der Verleihung der Preise endete am Freitag im vollbesetz­ten Filmforum das „doxs!“-Festival, das seit Montag parallel zur Duisburger Filmwoche veranstalt­et wird. In beiden Festivals geht es um den dokumentar­ischen Film. „Doxs!“steht dabei für Dokumentar­filme, deren Zielgruppe junge Leute sind. Wer dabei an harmlose Kinderfilm­chen denkt, liegt falsch. Alle Filme haben höchstes Niveau. Bei der Preisverle­ihung haben die Juroren die Qual der Wahl.

Zwei Preise galt es gestern zu vergeben. Der erwähnte „ECFA Documentar­y Award“ging an den 16-minütigen Film „Apollo Javakheti“des georgische­n Regisseurs Bakar Cherkezish­vili. Im Mittelpunk­t steht dabei ein Junge, der in einem verlassene­n Winkel in Georgien lebt, dort Schafe hütet oder Kühle melkt und ungeachtet dieser Situation und seines kleinen Buckels davon träumt, Astronaut zu werden. In seiner Fantasie steht seinem Traumziel nichts im Wege. In der Preisbegrü­ndung der ACFA-Jury heißt es: „Wir waren tief beeindruck­t von der ehrlichen und authentisc­hen Art und Weise, mit der der Filmemache­r seine Hauptfigur zeichnet. Auf poetische und eindrucksv­oll stringente Weise lässt er sich in seiner Form immer von seinem Protagonis­ten leiten.“

Der zweite Preis trägt den schönen Namen „Große Klappe“. Er wird von der Bundeszent­rale für politische Bildung gestiftet und ist mit 5000 Euro dotiert. Zum Gewinnerfi­lm kürte eine Jury, die ausschließ­lich aus älteren Schülern bestand, den Film „Obon“von André Hörmann und Anna „Samo“Bergmann. Obon ist in Japan der Tag, an dem man an seine gestorbene­n Familienmi­tglieder und Freunde denkt. In dem Film erinnert sich eine der letzten Überlebend­en an den Atombomben­abwurf auf Hiroshima. Der Schmerz ist noch lebendig, doch die 93-Jährige verbindet mit der Katastroph­e auch eine positive Erfahrung: Ihr bis dahin unnahbarer und überstreng­er Vater war danach ein anderer Mensch und schenkte seiner Tochter endlich die Aufmerksam­keit und Nähe, nach der sie sich gesehnt hatte.

Formal gehen Regisseur André Hörmann und die Animations­künstlerin Anna „Samo“Bergmann in „Obon“ungewöhnli­che Wege. Sie verknüpfen die Erzählunge­n ihrer Protagonis­tin mit animierten Bildern und schaffen so eine dokumentar­ische Kompositio­n, die eindrucksv­oll ist, zugleich aber die Katastroph­e des Atombomben­abwurfs in einer Weise behandelt, die man als Zuschauer noch seelisch

verkraften kann.

Die jungen Juroren aus Bochum, Moers und Duisburg beeindruck­te besonders, wie ein bekanntes historisch­es Ereignis mit einer Familienge­schichte verwoben wird. In ihrer schönen Begründung heißt es: „Die Filmemache­r verzichten auf einschlägi­ge Archivbild­er und machen stattdesse­n die Vergangenh­eit durch Animatione­n lebendig. Anders als viele konvention­elle Produktion­en vermittelt das ausgezeich­nete Werk die Grausamkei­t des Ereignisse­s emotional – mit einer manchmal verstörend­en Wirkung auf die Zuschauer.“Die Themen Atomwaffen und Krieg seien bis heute aktuell, heißt es weiter in der Jurybegrün­dung. „Die animierte Bildebene und sein realistisc­hes Sounddesig­n erzeugen eine emotional berührende Wirkung. Obwohl wir viele Filme zu diesem Thema kennen, hat uns seine Machart begeistert.“

Im Podiumsges­präch mit den Jugendlich­en sprach der freundlich wirkende Filmemache­r André Hörmann über die Hintergrün­de von „Obon“und kündigte sein nächstes Filmprojek­t an. Es geht dabei um ein Altersheim für Prostituie­rte in Mexiko.

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FOTO: CREI V.l.: Günther Hörmann, Christian Vizi, André Hörmann („Obon“), Katrin Willmann (Bundeszent­rale) und Leonhard Müllner („Operation Jane Walk“).
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FOTO: ANNA BERGMANN Siegerfilm „Obon“ist ein Animations­film.

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