„Ich bin dankbar, dass wir die gleiche Gesin- nung haben.“
halten. Walter Jancke war erst 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt und studierte im Eiltempo Betriebs- und Volkswirtschaft in Göttingen und Köln, „ich hatte ja so viel Zeit versäumt.“
Irmela war im Krieg einen Tag nach ihrem Abitur zum Arbeitsdienst eingezogen worden. „Da war erstmal nichts mit Ausbildung“, sagt sie. Im Krankenhaus versorgte das junge Mädchen Kriegsverletzte. „Es gab kaum Medikamente, und gleich während meiner ersten Nachtwache starben zwei Männer. Für die Soldaten an der Front war der Krieg noch schrecklicher, aber auch wir haben gehungert. Am Wochenende fuhren wir aufs Land und sammelten Rüben ein. Davon konnten wir uns eine Weile ernähren.“
Dann herrschte endlich Frieden. Doch wohin sollte Irmela gehen? Der Vater war gefallen, die Mutter weggezogen. „Ich hatte kein Zuhause mehr“, erzählt sie. „In meiner Not fragte ich einen Onkel, der in Bremen Chirurg war, ob ich bei ihm anfangen könne. So wurde ich Krankenschwester.“
Das Paar heiratete erst, als Wal-
„Von meinem Vater habe ich das Bedürfnis
zu helfen geerbt.“ ter Jancke sein Diplom als Ingenieur hatte und eine Stelle in Düsseldorf bekam. „Wir wohnten am Zoo, Herderstraße 52, vierter Stock“, sagt er. „Davor stand unser erstes Auto, ein Topolino.“Er war Direktionsassistent beim Kosmetik- und Hygienehersteller Dr. Hahn und für den Finanzbereich verantwortlich. Dank der intensiv betriebenen Werbung wurde er auch mit den Marketing-Strategien des Unternehmens vertraut.
Seine Aufgaben erforderten schon Mitte der 50er Jahre zahlreiche Auslandsreisen. „Amerika, Neuseeland, Japan, ich war überall.“Er schmunzelt. „Zu unseren Produkten gehörten auch o.b.-Tampons, die ich zum Weltartikel gemacht habe, immer begleitet von einer Ärztin.“
Ein Jahrzehnt später wechselte der Ingenieur zum Maschinenbau nach Wuppertal, kaufte eine Tochterfirma in den USA – und reiste weiterhin in aller Herren Länder. „Und ich saß zu Hause und hütete die Kinder und die Omas“, ergänzt seine Frau. Nach einer Totgeburt 1955 brachte sie im Drei-Jahres-Takt zwei Töchter und einen Sohn zur Welt. Als die Kinder größer wurden, wandte sich Irmela Jancke einer ehrenamtlichen Aufgabe zu, die sie über 25 Jahre ausfüllen sollte: Sie war Mitbegründerin der „Grünen Damen“in der Kaiserswerther Diakonie.
Das Kümmern und das tätige Sorgen hat sie nie wieder aufgegeben. Noch mit ihren 93 Jahren betreut und fördert sie benachteiligte Kinder und Jugendliche, auch finanziell. „Aber nicht alles in den großen Pott“, erklärt sie. „Sondern immer nur Einzelne und ganz gezielt. Ich setze mich dafür ein, dass sie ordentlich zur Schule gehen, Unterstützung bei den Hausaufgaben oder eine Stelle bekommen. Dazu halte ich engen Kontakt mit den Lehrern und behalte alles im Auge.“Warum sie das tut? „Das muss ich einfach machen“, antwortet sie schlicht. „Durch unseren Lebenslauf kamen wir oft mit Menschen in Kontakt, denen es nicht so gut ging. Da entwickelt man ein Gespür.“Sie schaut zu ihrem Mann. „Er gibt ja noch so viel mehr. Ich bin dankbar, dass wir die gleiche Gesinnung haben.“
Walter Jancke nickt. „Mein Vater war Chirurg, von ihm habe ich wohl das Bedürfnis zu helfen geerbt.“Seit über 50 Jahren spendet er für die Einrichtung in Bethel, für seine Kirchengemeinde, für das Musikfest Hainbach in der Eifel. Hier gibt es wieder einen Berührungspunkt mit der klassischen Musik. Nach seiner Pensionierung war es ihm ein Be- dürfnis, das Klavierspiel zu lernen. Sieben Jahre lang paukte er Notenund Harmonielehre bei Mark-Andreas Schlingensiepen, Dirigent, Komponist und Leiter des „notabu. ensemble neue musik“.
Für die Klassik hatte sich Walter Jancke schon als junger Mann begeistert. Auch war sie ihm Trost in der Gefangenschaft. „Wir konnten im Lager Radio hören, da wurde oft symphonische Musik gespielt.“In Russland blieb er verschont von den Härten schwerster körperlicher
Arbeit. „Weil ich Griechisch und
Latein konnte, hatte ich sehr schnell Russisch gelernt, die Wortstämme ähneln sich. Deshalb wurde ich in der Verwaltung eingesetzt, wo ich viel für die Kameraden tun konnte.“
Jahre zuvor, beim Kriegseinsatz in Kroatien, hatte er seine Eindrücke noch mit der Kamera festgehalten, das kostbare Stück aber verloren „weil ich abhauen musste, um nicht geschnappt zu werden.“Dennoch blieben viele Bilder erhalten. Einige davon veröffentlichte er in seinem Buch „Vier gestohlene Jahre“über seine Erlebnisse in der Gefangenschaft.
Irmela Jancke