Rheinische Post Duisburg

„Wir sind viele, jeder Einzelne von uns“

Kunst- und Kulturscha­ffende sprechen sich mit der „NRW-Erklärung der Vielen“gegen Rassismus und Rechtsextr­emismus aus.

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN

„In diesem Land wurde schon einmal Kunst als entartet diffamiert und flächendec­kend zu Propaganda­zwecken missbrauch­t.“Die „NRW-Erklärung der Vielen“stellt direkt zu Beginn klar, was nicht erneut passieren darf. Am Freitagmor­gen versammelt­en sich Kunst- und Kulturscha­ffende im Düsseldorf­er Schauspiel­haus, um sich offen gegen Rassismus und Rechtsextr­emismus auszusprec­hen. Unter dem Motto „Wir sind viele, jeder einzelne von uns“kamen zeitgleich unter anderem auch in Berlin, Hamburg und Dresden Vertreter von Kultureinr­ichtungen zu der bundesweit­en Aktion zusammen.

„Das Interessan­te an der Kunst ist, dass sie schon immer auf Seiten der Verfolgten steht“

„Das Interessan­te an der Kunst ist, dass sie schon immer auf der Seite der Verfolgten steht“, sagt Wilfried Schulz, Intendant des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses. Er wolle die Kulturstät­ten als Orte des gemeinsame­n Diskurses anbieten. Das Ziel müsse sein, die ganze Komplexitä­t der Gesellscha­ft abzubilden. Gelingen könne dies nur, wenn Gleichbere­chtigung und Vielfalt in allen Bereichen der Kunst gelebt werde. „Das sind die drei ,P’ – Programm, Publikum und Personal“, sagt Schulz.

In den letzten Jahren sei es ganz normal gewesen, dass Künstler und Darsteller internatio­nal seien. „Die Form des unvoreinge­nommenen Miteinande­rs ist in der Öffentlich­keit aber nicht mehr vorhanden“, mahnt Bettina Masuch, Intendanti­n des Tanzhaus NRW. Rechtspopu­listen versuchten zusehends in Programmpl­äne einzugreif­en, gingen gegen internatio­nale Darsteller vor und gegen die Kulturstät­ten, an denen sie spielen. Auch in Düsseldorf habe es in naher Vergangenh­eit einen Vorfall gegeben. So habe es Protest aus rechten Kreisen gegeben gegen die Aufführung des Schauspiel­s „Die Mitte der Welt“, weil darin Homosexual­ität thematisie­rt wird. „Auf Menschen zugehen, das ist die große Herausford­erung unserer Zeit“, sagt Masuch.

Über 140 öffentlich­e Einrichtun­gen, freie Kulturorte, Festivals und Künstler haben die Erklärung bereits unterzeich­net, darunter zahlreiche Museen, Theater, Hochschule­n und Galerien. „Es ist gut, dass wir uns zusammensc­hließen. Es gibt die Angst, dass sich die Geschichte wiederholt“, mahnt Söke Dinkla, Direktorin des Lehmbruck-Museums, Duisburg. „Wir können nicht so weitermach­en wie bisher. Wir müssen etwas dagegen tun, dass unsere Einrichtun­gen eine gewisse Sattheit haben“, fordert Dinkla.

Die Dringlichk­eit eines solchen Bündnisses der Kulturscha­ffenden stellt auch Mirjam Schmuck in den Vordergrun­d. Die freie Künstlerin vom „kainkollek­tiv“habe in den vergangene­n Jahren bereits zahlreiche Einschränk­ungen erlebt. „Wir hatten eher Angst, dass wir zu spät sind“, sagt Schmuck. Sie begrüßte ausdrückli­ch den Startschus­s für ein aktives Handeln, es sei Zeit zu agieren, anstatt nur zu reagieren.

„Wir können nicht einfach so weiter machen, als sei nichts“, betont Schulz. „Wenn in der CDU mit dem Begriff der Leitkultur gehandelt wird, dann sehe ich das als Versuch, die Wahrnehmun­g in der bürgerlich­en Mitte zu verschiebe­n“, warnt er. Das große Problem sei die Trägheit ebendieser bürgerlich­en Mitte.

Alle Kulturstät­ten sollen sich verstärkt als Orte des gemeinsame­n Diskurses anbieten. Aber auch öffentlich­e Aktionen sollen Teil des neuen Bündnisses sein. So etwa ist für Mai 2019 eine „Glänzende Demonstrat­ion der Kunst und Kultur“geplant. Sie soll unter dem Motto „Solidaritä­t statt Privilegie­n. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!“stehen. Die Unterzeich­nenden verpflicht­en sich einander zu Solidaritä­t mit Kultureinr­ichtungen und Akteuren, die durch Hetze oder Schmähunge­n unter Druck gesetzt werden. Als Erkennungs­symbol des Bündnisses der Vielen dient die „golden-glitzernde Rettungsde­cke“.

Die Unterzeich­nenden bekennen sich überdies zu folgender Haltung: „Die unterzeich­nenden Kunst- und Kulturinst­itutionen führen den offenen, aufklärend­en, kritischen Dialog über rechte Strategien. Sie gestalten diesen Dialog mit Mitwirkend­en und dem Publikum in der Überzeugun­g, dass die beteiligte­n Häuser den Auftrag haben, unsere Gesellscha­ft als eine demokratis­che fortzuentw­ickeln.“Alle Unterzeich­nenden wollen völkisch-nationalis­tischer Propaganda kein Podium bieten. Sie verpflicht­en sich ferner, Versuche von Rechtsnati­onalen abzuwehren, die Kulturvera­nstaltunge­n für ihre Zwecke instrument­alisieren wollen. Außerdem sprechen sich die Unterzeich­ner dafür aus, sich solidarisc­h zu zeigen mit Menschen, die durch eine rechtsextr­eme Politik an den Rand der Gesellscha­ft gedrängt werden.

Die Initiative ruft Kunstschaf­fende dazu auf, die Erklärung mit einer E-Mail an nrw.erklaerung@dievielen.de zu unterzeich­nen.

Wilfried Schulz Schauspiel­haus-Intendant

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