Für den Job von Bayern nach Rheinhausen
Jana Simeth ist extra von Regensburg nach Rheinhausen gezogen, um ihren Traumberuf Bestatterin zu lernen.
RHEINHAUSEN (kh) Jana Simeths Eltern werden den Tag sicherlich nicht so schnell vergessen, an dem ihre 26 Jahre alte Tochter, die bis dato erfolgreich als Fremdsprachenkorrespondentin arbeitete, ihnen mitteilte, dass sie doch lieber Bestatterin werden wolle. „Meine Eltern waren gleich doppelt geschockt“, erklärt die Bayerin schmunzelnd. „Zuerst einmal, weil ich Bestatterin werden wollte, und zweitens, weil ich nach Duisburg ziehen wollte.“Seit Juli ist die 27-Jährige nun in Rheinhausen als Auszubildende zur Bestattungsfachkraft. Ein Traumberuf? „Ja, ich bin ein kreativer Mensch, ich hatte mir auch überlegt, etwas mit Schmuckdesign zu machen, aber da macht man ja immer nur Auftragsarbeiten.“
Da dem Laien der intellektuelle Bogen von Kreativität hin zur Bestattung nicht direkt ins Auge fällt, erklärt sie diesen Punkt genauer: „Ich gestalte mit den Angehörigen die gesamte Feier. Vom Blumenarrangement über die passende Musik bis hin zur Deko am Sarg. Das ist jedes Mal genau auf die Familie und deren individuelle Wünsche abgestimmt.“Da ist kreatives Geschick sicher gefragt. Allerdings hätte die zierliche Frau das ja auch in ihrer Heimat ausüben können. Warum also Rheinhausen?
Hier klärt Chef Stefan Menge über die Strukturen der bundesweiten Bestatterszene auf: „Viele Unternehmen sind reine Familienbetriebe, die das in vierter oder fünfter Generation machen. Da alle Kollegen Schwierigkeiten haben, gutes Personal zu bekommen, haben sie Angst, sich die eigene Konkurrenz im Hause großzuziehen. Deshalb bilden sie zumeist nur Kinder, Nichten, Neffen oder andere Verwandte aus, die das Geschäft dann später übernehmen.“
Erst seit 2003 ist Bestatter überhaupt ein Ausbildungsberuf. Vorher wurden die Mitarbeiter einfach nur angelernt. Stefan Menge war einer der ersten, der einen Meisterbrief erworben hat. Ihm sind hohe Qualitätsstandards sehr wichtig. „Wir begleiten Menschen psychologisch und emotional, die gerade einen großen Verlust erlitten haben. Wenn ich mich unsensibel verhalte, dann kann ich den Angehörigen großen psychischen Schaden zufügen“, so der Chef.
Für Jana Simeth gab es noch andere Gründe, ins Ruhrgebiet zu ziehen: „Ich kann in diesem Betrieb die komplette Bandbreite des Berufes erlernen. In Bayern haben mich auch mehrere Firmen nicht genommen, weil ich eine Frau bin und einen schweren Verstorbenen im Eichensarg nicht so ohne Weiteres heben kann“, sagt sie. Das ist in Rheinhausen aber auch gar nicht nötig, denn das Team um Stefan Menge, der das Unternehmen in vierter Generation führt, ist so breit aufgestellt, dass es für solche Fälle kräftige Männer gibt, die den Auftrag dann übernehmen. Was nicht heißt, dass die Auszubildende keine Überführungen und Vorbereitungen macht. Nur an den entscheidenden Stellen eben mit tatkräftiger Hilfe. „Ich wollte schon immer ei- nen Beruf, der für mich persönlich einen Sinn gibt, und habe lange Zeit darüber nachgedacht, ob ich den Weg gehen soll.“Sieben Jahre hat es gedauert, bis sie sich entschloss. Für den Freundeskreis keine große Überraschung, denn dort wussten alle vom heimlichen Traumberuf.
Obwohl erst ganz frisch in der Ausbildung, hat sie bereits einen ersten Unterrichtsblock in der Berufsschule hinter sich gebracht. Firma Menge schickt die Azubis grundsätzlich nach Bad Kissingen zum Lernen. „Dort gibt es einen vernünftigen Lehrfriedhof und das Institut ist gut vernetzt,“so Menge. Auch die Bundeswehr bildet ihr Personal dort aus. Bei Militärbegräbnissen gibt es noch mal andere Riten zu beachten als bei christlichen Zeremonien, die die Rheinhauser in überwiegender Mehrheit durchführen. Neben Grundwissen über die Weltreligionen, klassische Buchführung und Unternehmensvernetzung gibt es praxisbezogene Fächer. „Wir haben unter anderem Materialkunde. Dort lernen wir, woraus die Särge oder Urnen gebaut sind und müssen die Holzarten erkennen“, so Simeth. Außerdem gehört das korrekte Ausschachten des Grabes zum Prüfungsstoff.
Die Schüler werden in institutseigenen Versorgungsräumen Schritt für Schritt mit den Arbeitsabläufen vertraut gemacht. Früher hat das die Familie gemacht. Heute wird mehr und mehr dem Bestatter überantwortet. Somit ist er nicht nur Hygienefachmann, Transporteur, Logistiker und Trauerpsychologe, er hilft auch bei Behördenfragen und dem virtuellen Nachlass, den ein Verstorbener heutzutage im Internet hinterlässt. Alles in allem ein vielschichtiges Berufsfeld, das jede Menge Einfühlungsvermögen, Pietät und Organisationstalent erfordert.