Heraus aus der Anonymität
Das Kultur- und Stadthistorische Museum zeigt die Ausstellung „Deportiert ins Ghetto“.
Das Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie der Stadt Duisburg (ZfE), das organisatorisch und räumlich unter dem Dach von Kultur- und Stadthistorischem Museum sowie Stadtarchiv untergebracht ist, nahm im März 2014 seine Arbeit auf. Erste öffentliche Veranstaltungen gab es im Herbst des gleichen Jahres. Die erste Sonderausstellung „Jüdisches Leben in Duisburg von 1918 bis 1945“wurde dann im April 2015 im Stadtmuseum gezeigt. Mit der Eröffnung der „DenkStätte“im Frühjahr 2016 ist in den Räumlichkeiten des Stadtarchivs ein Ort der Begegnung und Vermittlung entstanden. Seit 2017 gehört das ZfE dem renommierten „Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in Nordrhein-Westfalen“an.
2011 erarbeitete die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf zusammen mit dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln in Kooperation mit dem Staatlichen Archiv Łód im Auftrag des besagten Arbeitskreises eine Ausstellung unter dem Titel „Deportiert ins Ghetto“. Konzipiert wurde diese als Wanderausstellung, wovon die Arbeitskreismitglieder regen Gebrauch machen. Ergänzt um Duisburger Biografietafeln ist die inhaltlich äußerst eindrucksvolle und gestalterisch sehr ansprechende Ausstellung seit Dienstag im Obergeschoss des Kultur- und Stadthistorischen Museums untergebracht. Partner der Ausstellung hier ist die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Duisburg-Mülheim-Oberhausen. Die Laufzeit der Ausstellung endet am 10. Februar 2019.
Das Thema der Dokumentation sind Deportationen von Juden aus dem Rheinland ins Ghetto Litzmannstadt. Im Herbst 1941 beginnen die systematischen Deportationen der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich. Es ist der Auftakt zum Holocaust, dem Mord an den Juden in Europa. Drei Deportationszüge werden im Oktober 1941 über Köln und Düsseldorf in das Ghetto Litzmannstadt im besetzten polnischen Łód geleitet. In dem Deportationszug, der am 27. Oktober 1941 den Güterbahnhof Düsseldorf-Derendorf verlässt, sind unter den 1.003 Frauen, Männern und Kindern auch 50 Personen aus Duisburg. Ein Teil der Deportierten starben im Ghetto, andere wurden von dort ins Vernichtungslager Kulmhof gebracht und dort ermordet. Diejenigen, die 1944 noch im Ghetto lebten, wurden im Zuge der Auflösung des Ghettos in verschiedenste Konzentrations- und Vernichtungslager zur Zwangsarbeit gebracht und fanden dort den Tod. Nur 36 Personen, darunter ein Duisburger, von einst insgesamt 3.014 aus Köln und Düsseldorf Deportierten, überlebten das Kriegsende dauerhaft.
Die bewusst teils aufklärerisch angelegte, teils beklemmend stimmende Ausstellung befasst sich mit der Geschichte der Deportierten vor, insbesondere aber während ihrer Zeit im Ghetto. Sie ist in sechs Themenbereiche gegliedert: Vorgeschichte – Fahrt ins Ungewisse/Deportation – Das Ghetto Litzmannstadt – Alltag im Ghetto – Arbeit oder Vernichtung – Strategien des Überlebens/Letzte Spuren. Diese wiederum sind auf mehreren Wandelementen, einem Kartentisch und diversen Stahlaufstellern für Biografien untergebracht. Es sind vor allem die Biografien und die handgeschriebenen Postkarten, die eindringlich und nachhaltig Zeugnis abgeben vom Grauen des alltäglichen Individualerlebten. So ist das große Verdienst der Ausstellung, die Vorgänge um die Deportation und das Ghettoleben aus der allgemeinen Anonymität herauszuholen und diese stattdessen als persönliche Erlebnisse der Betroffenen dem Besucher zugänglich zu machen.
Genau in diesem Zusammenhang sind auch die vier zusätzlichen Duisburger Biografietafeln zu sehen: Dazu gehört der einzige Überlebende, Albert Lucas (1906 bis 1972), der Zeit seines Lebens – außer von 1941 bis 1944 – in Duisburg lebte. Die 1922 in Hamborn gebürtige Regina Rosenberg wurde am 13. Juli 1944 im Vernichtungslager Kulmbach umgebracht; der 1885 in Warschau geborene, dann nach Braunschweig, später nach Duisburg umgesiedelte Levi (Leo) Rak kam am 7. Mai 1942 ebenso in Kulmbach um, während der 1895 ebenfalls in Warschau gebürtige Josef Jablonower am 29. Juni 1944 wiederum im Vernichtungslager Kulmbach von den Nazis ermordet wurde.
Zur Ausstellung gehört ein wirklich bemerkenswertes Begleitprogramm, das am Sonntag, 9. Dezember um 12 Uhr mit dem Dokumentarfilm von Tanja Cummings (Deutschland 2015, 100 Minuten) „Linie 41 – Rückkehr eines Überlebenden ins heutige Łód “startet. Informationen über Öffnungszeiten, Eintrittspreise und weitere Programmangebote zur Ausstellung sind im Internet auf der Homepage des Museums http://www.stadtmuseum-duisburg.de zu finden.