Umsteigen in ein anderes Leben
Karmelgemeinde: Der ehemalige Musikmanager und heutige Bestatter Eric Wrede plädierte im Gespräch mit Moderatorin Gisela Steinhauer für einen Wandel in der Trauerkultur.
Zum Abschluss eines eintägigen Fortbildungsseminars zum Thema „Schmerztherapie in der Pflege richtig anwenden“, lud der veranstaltende Förderverein für Palliative Arbeit in Duisburg zusammen mit dem Literaturbüro Ruhr nicht nur die daran teilnehmenden Pflegekräfte, sondern auch die Öffentlichkeit zu einem Gesprächsabend mit dem Bestatter Eric Wrede in die Begegnungsstätte der Karmel-Gemeinde am Duisburger Innenhafen ein. Der Abend wurde von der bekannten WDR-Journalistin Gisela Steinhauer moderiert.
Überschrieben war der Abend mit dem Titel „Lies mir das Buch vom Tod“. Eric Wrede hat nämlich ein Buch geschrieben „The End – Das Buch vom Tod“, das Ende Oktober
„Wir sind Teil einer neuen Generation von Bestattern, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Abschiedskultur in Deutschland zu verbes
sern.“ erschien und in dem er dazu aufruft, etwas an der gängigen Trauerkultur zu ändern, um Menschen auf deren letzten Weg frei von Konventionen begleiten zu können.
Der Autor, der 1980 in Rostock geboren und in Berlin aufgewachsen ist, sei vor seinem jetzigen Besuch, so erzählte er, erst einmal in Duisburg gewesen, nämlich unmittelbar nach Wende, und zwar mit seiner Mutter, die einen früheren Freund damals hier aufsuchte. Duisburg sei ihm erst wieder 2010 im Zusammenhang mit der Katastrophe bei der Love-Parade ins Gedächtnis gekommen.
Zu dieser Zeit war er in der Hauptstadt ein erfolgreicher Musikmanager, der an der Seite von Tim Renner beim Label „Motor Music“ Musikgrößen wie Rammstein, Selig, Polarkreis 18 oder Marius Müller-Westernhagen managte und währenddessen jede Nacht zum Tag machte.
2010 wird er 30 und gleichzeitig beginnt er seinen Einstieg zum Ausstieg in ein anderes Leben – nicht nur beruflich. Wrede: „Ich habe angefangen, mir über mich und meine berufliche Zukunft Gedanken zu machen und dabei die Frage gestellt, was willst du eigentlich mit deinem Leben? Was brauchst du dazu? Daraufhin habe ich Listen geschrieben und Berufe aufgezählt, von denen ich meinte, die könnten irgendwie zu mir passen: Psychologe etwa oder Möbelrestaurator. Doch das alles war nicht zielführend, stattdessen half der Zufall: Auf einer Rückfahrt des Nachts nach Berlin nämlich hörte ich ein Radiointerview mit Fritz Roth, einem Pionier der alternativen Bestattungsszene in Deutschland, der inzwischen leider verstorben ist. Dieser hatte davon gesprochen, dass ein Abschied auch eine sinnliche Erfahrung sei, die man fürs Leben mitnimmt. Das hat mich zutiefst bewegt.“
Im Frühjahr 2013 schmeißt Wrede seinen Musikjob ohne Wenn und Aber hin. Er beschließt Bestatter zu werden und erlernt das Handwerk in einem traditionellen Berliner Betrieb. 2014 gründet er das Bestattungsinstitut mit dem ungewöhnlichen Namen „Lebensnah – individuelle Bestattungen“. Seine Bestattungsarbeit, die er zusammen mit neun festen Mitarbeitern, davon vier Bestattern, durchführt, folgt folgender Philosophie: „Wir sind Teil einer neuen Generation von Bestattern, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Abschiedskultur in Deutschland zu verbessern, dem Tod ein bisschen von seinem Grauen zu nehmen und ihn zum natürlichen Bestandteil des Lebens zu machen. Der Tod ist kein Geheimnis, er wird aber aus dem normalen Leben verbannt, doch wir öffnen Ihm die Türen.“
In besagtem Buch zeigt er anhand vieler Beispiele aus der Pra-
Eric Wrede
Bestatter
xis, wie die von ihm und seinesgleichen angedachte und vielerorts oft bereits umgesetzte Alternative aussieht. Er beschreibt darin konkrete Fälle für einen sehr individuellen letzten Weg. Und er teilt (im Prolog: Mein Testament, geschrieben am 1. August 2017 in Berlin) mit, wie er irgendwann selbst einmal gehen möchte: Ohne Trauerreden nämlich und zur Begrüßung den Song „I’m Not Like Everybody Else“von der Beatgruppe „The Kings“.
Jetzt las er aber nicht nur diesen Part seines Buches, sondern noch aus drei anderen Kapiteln, darunter dem, wo es um die Klarheit der Sprache und den Humor geht (5. Kapitel: London Bridge Is Down), und dem (11. Kapitel: Let It Be), wo der gleichnamige Beatles-Titel zitiert wird, der von Tod und dessen Angstbewältigung erzählt. Der Tod erwischt uns irgendwann alle. Aber wer weiß, wie das geht: sterben, beerdigen und trauern? Erklärt hat uns das so gut wie niemand. Eric Wrede versucht es zumindest – und das äußerst fachkompetent und ungemein emphatisch.