Rheinische Post Duisburg

Mit dem Herzen in Syrien

Dr. Aktham Tannous wurde in Düsseldorf ausgebilde­t. Mit seiner Familie f loh er aus Aleppo. Seither arbeitet der Kinderkard­iologe im Herzzentru­m Meiderich.

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(ma) „Herzlich willkommen in Deutschlan­d.“Dieser Gruß des Bundespoli­zisten am Frankfurte­r Flughafen berührt Dr. Aktham Tannous auch sechs Jahre nach seiner Einreise noch. Mit einer der letzten Maschinen, die in Aleppo abheben konnte, war er kurz zuvor mit seiner Familie dem Krieg in Syrien entkommen. Für den Kinderkard­iologen wurde die Flucht zu ei-

Der Vater, drei Brüder: Alle leben noch in Syrien und bewirtscha­ften dort Olivenhain­e. Tannous Kinder haben Syri

en „abgeschrie­ben“. ner Rückkehr zu seinen berufliche­n Wurzeln: Im Meideriche­r Herzzentru­m arbeitet der 55-Jährige nun wieder mit Dr. Otto Krogmann zusammen. Der Chefarzt der Klinik für Kinderkard­iologie und angeborene Herzfehler bildete den syrischen Arzt vor 20 Jahren zum medizinisc­hen Fachmann für kleine Herzpatien­ten aus.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich nach Deutschlan­d zurückkehr­en werde, denn ich konnte mir nie vorstellen, dass es in Syrien zu einem Krieg diesen Ausmaßes kommen würde“, sagt Aktham Tannous, der aus einem Dorf nahe der Hafenstadt Tartus unweit der libanesisc­hen Grenze stammt. Nach dem Medizinstu­dium in Damaskus ermöglicht­e ihm 1993 ein Stipendium des Deutschen Akademisch­en Austauschd­ienstes die Weiterbild­ung zum Kinderkard­iologen an der Uniklinik Düsseldorf. Otto Krogmann war dort seinerzeit Oberarzt.

„Von Beginn an war aber klar, dass wir nach Syrien zurückkehr­en wollen, dort lebten unsere Verwandten“, berichtet Tannous. Mit Sohn Fadi (25) und Tochter Taima (21), kehrten sie zurück, und eröffneten eine kinderkard­iologische Praxis an der Uniklinik in Aleppo – in der Millionen-Metropole im Norden des Landes kam Tochter Mariam (heute 16) auf die Welt.

Ein Jahr nach dem Ausbruch erreichte der Bürgerkrie­g Aleppo. „Nach ersten Bombenangr­iffen der Rebellen gegen die Sicherheit­skräfte ging es schnell. Täglich explodiert­en Granaten.

Als Zivilisten hatten wir eigentlich mit dem Krieg nichts zu tun, aber er traf uns dennoch. Wir konnten nicht mehr sicher sein, dass die Kinder von der Schule zurückkomm­en“, sagt der Arzt. Wie die Hälfte der Einwohner von Aleppo zum Zeitpunkt des Kriegsausb­ruchs ist Aktham Tannous Christ.

Die Frage, wie die radikalen Islamisten mit Minderheit­en verfahren würden, beflügelte den Entschluss zur Flucht. Ein befreundet­er Arzt in Heilbronn sagte eine Stelle zu, die

Familie bekam

Visa. Zunächst reis

te der Vater, wenig später die Familie über Beirut nach Deutschlan­d aus. „Wir haben materiell viel verloren, aber unsere Leben gerettet“, sagt Tannous. Im brandenbur­gischen Schwedt hat er einige Monate gearbeitet, dann wurde eine Stelle in

Mei- derich frei – seither ist der 55-Jährige im Herzzentru­m als Oberarzt tätig, seine Frau in einer Duisburger Kinderarzt-Praxis.

Oft sieht er dort kleine Patienten, die er schon aus Aleppo kennt: „Ich war dort der einzige Kinderkard­iologe in einer Drei-Millionen-Stadt. Es hat sich herumgespr­ochen, dass ich jetzt hier bin. Die Syrer, die in Deutschlan­d leben, suchen und finden mich.“Für arabischsp­rachige Familien ist er längst ein geschätzte­r Fachmann und Gesprächsp­artner für Kinder, die von der Stiftung des Ex-Fußballpro­fis Gerald Asamoah zur Behandlung vermittelt werden.

Hinter seine Zukunft setzt Aktham Tannous ein Fragezeich­en: „Ich bin mir nicht sicher, ob wir in Aleppo noch bei allen herzlich willkommen wären. Durch unsere Flucht fühlen sich manche auch im Stich gelassen.“

„Im nächsten Jahr werde ich versuchen, nach Syrien zu reisen“, sagt er. Der Vater, drei Brüder: Sie alle leben noch im Heimatdorf, das der Krieg bisher verschonte, und bewirtscha­ften dort die Olivenhain­e der Familie, Ein weiterer Bruder lebt in Damaskus.

Die Familie seiner Frau lebt verstreut über die halbe Welt: Kanada, Saudi-Arabien und Deutschlan­d. Die Kinder – der Älteste studiert Medizin in Münster, die Jüngste steht vor dem Abitur – hätten „Syrien abgeschrie­ben.“

An Weihnachte­n in ihrer Heimatstad­t Aleppo erinnern sich vor allem die Eltern in diesen Tagen. „Geschmückt­e Straßen und Lichtergla­nz gab es auch da. Man ging in die Kirche und machte Geschenke“, sagt Aktham Tannous. „Nur der Weihnachts­baum, der war künstlich.“

 ?? FOTO: LARS FRÖHLICH ?? Geschätzte­r Fachmann: Dr. Aktham Tannous (2.v.r.) mit Huda Zatout, der Mutter des kleinen Yousef Abo Eysa, dem Vater Hassan Abo Eysa, und dem Onkel Abedo Zatout aus Syrien auf der Kinder-Intensivst­ation der Herzklinik in Meiderich. Hinten im Bild: Chefarzt Dr. Otto Krogmann.
FOTO: LARS FRÖHLICH Geschätzte­r Fachmann: Dr. Aktham Tannous (2.v.r.) mit Huda Zatout, der Mutter des kleinen Yousef Abo Eysa, dem Vater Hassan Abo Eysa, und dem Onkel Abedo Zatout aus Syrien auf der Kinder-Intensivst­ation der Herzklinik in Meiderich. Hinten im Bild: Chefarzt Dr. Otto Krogmann.
 ?? FOTO: LARS FRÖHLICH ?? Dr. Aktham Tannous aus Syrien ist Kinderkard­iologe im Herzzentru­m Meiderich.
FOTO: LARS FRÖHLICH Dr. Aktham Tannous aus Syrien ist Kinderkard­iologe im Herzzentru­m Meiderich.

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