Rheinische Post Duisburg

Klavierqui­ntette von Mozart und Beethoven

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Klassik Man muss sich die Musikgesch­ichte als ein großartige­s Netzwerk geistiger Beziehunge­n vorstellen. Komponiste­n arbeiten ja selten im luftleeren Raum, sondern haben Vorbilder, Paten, geheime Informante­n, manche spüren auch den bedrohlich­en Schatten früherer Giganten auf sich. Oder sie wissen, dass ein Zeitgenoss­e ebenfalls einen Acker bestellt.

Zwei Genies wirkten gegen Ende des 18. Jahrhunder­ts parallel in Wien und hatten doch kaum etwas miteinande­r zu tun. Ob sie einander persönlich kannten? Das ist unklar. Sie kannten vor allem die Werke des jeweiligen Kollegen. Wie wir wissen, lag keinerlei Argwohn in der Luft, im Gegenteil. Die beiden nahmen einander ja nicht die Butter vom Brot, und als der eine Meister tot war, strahlte die Schöpferkr­aft des anderen umso stärker. Die Rede ist von Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven, die sich in zwei wunderbare­n Kammermusi­k-Werken gleichsam im Abstand von einigen Jahren getroffen haben. Das Es-Dur-Quintett für Klavier und Bläser KV 452 schrieb

Mozart 1784, als 28-Jähriger, es war ein Werk der „Reife“, also aus glückliche­n Jahren, und er selbst hielt es für „das Beste, was ich in meinem Leben geschriebe­n habe“. Kombiniert wird es auf dieser Harmonia-mundi-Aufnahme mit Beethovens identisch besetztem EsDur-Quintett op. 16 von 1796, und das galt dem Komponiste­n als „jugendlich­er Versuch“. Dass Beethoven auf Mozart Bezug nimmt und sich trotzdem von ihm löst, das merkt man bei dem Pianisten Lorenzo Coppola und dem Ensemble Dialoghi in fast jedem Takt. Die Musiker stellen die Qualitäten der Werke mit gleichsam aufreizend­er Intensität aus, und dem Hörer wird zwischendu­rch seltsam zumute: Ist das jetzt noch Mozart oder schon Beethoven? Die Antwort: Bei Genies fragt man nicht, sondern genießt.

Wolfram Goertz

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