Den Sieg in letzter Sekunde verspielt
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft gibt im WM-Kracher beim 25:25 gegen Frankreich den Sieg aus der Hand.
BERLIN Nach dem Remis gegen Russland am Montag wollte der deutsche Bundestrainer keine Endzeitstimmung aufkommen lassen: „Wir haben uns ein bisschen was aufgebaut, das will ich nach einem Unentschieden nicht kaputtgeredet haben“, sagte Christian Prokop ein wenig trotzig, als sein Team den ersten Dämpfer bei der Handball-WM 2019 hatte hinnehmen müssen. Die Ansage hatte gesessen. Couragiert und voller Siegeswille ging Deutschland nur 24 Stunden später in den WM-Höhepunkt gegen Weltmeister Frankreich – und musste in letzter Sekunde ein 25:25 hinnehmen.
Das Spiel glich einer Achterbahnfahrt. Derart hin- und hergerissen dürften die deutschen Handballfans bislang noch nicht gewesen sein: Minütlich schwankten die Gedanken von „Das wird nichts!“bis „Deutschland packt es!“Klatschpappen-Orgien und Jubelschreie in der Berliner Arena begleiteten die deutsche Mannschaft durch diesen Ritt von einem Handballspiel.
Frankreichs Abwehr spielte aggressiv und geschlossen. Hier eine Lücke zu finden, war eine gewaltige Aufgabe, die Deutschland vor Probleme stellte. Allzu oft versuchte Rückraumspieler Steffen Fäth mit unüberlegten Würfen, das leichte Tor zu erzielen – und scheiterte. Fehlpässe schlichen sich immer wieder ein. Die deutsche Abwehr hingegen stand über weite Strecken gut. Patrick Wiencek, Steffen Weinhold und Hendrik Pekeler nahmen die Franzosen so hart ran, wie die es mit den deutschen Angreifern taten. Einzig Fabregas und Mahé bekamen sie kaum in den Griff.
Nach 13 Minuten stand es 3:3. Dann der Schockmoment, als Kapitän Uwe Gensheimer seinen ersten Siebenmeter im Turnier verwarf. Doch das Team brach nicht ein, es ließ sich von den die meiste Zeit stehenden 13.500 Fans vor- Deutschland - Frankreich 25:25 (12:10). Deutschland: Heinevetter (Füchse Berlin), Wolff (THW Kiel) - Gensheimer (Paris St. Germain) 4/1, Strobel (HBW Balingen-Weilstetten) 4, Wiede (Füchse Berlin) 4, Groetzki (Rhein-Neckar Löwen) 3, Pekeler (THW Kiel) 3, Böhm (TSV Hannover-Burgdorf) 2, Drux (Füchse Berlin) 2, Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen) 2, Fäth (Rhein-Neckar Löwen) 1, F. Lemke (MT Melsungen), Musche (SC Magdeburg), Semper (DHfK Leipzig), Weinhold (THW Kiel), Wiencek (THW Kiel). Frankreich: Dumoulin, Gerard - Mahé 9/4, Fabregas 3, Remili 3, Grebille 2, Lagarde 2, Mem 2, Abalo 1, Guigou 1, L. Karabatic 1, N´Guessan 1, Claire, Dipanda, Porte, Sorhaindo.
Schiedsrichter: Martin Gjeding (Dänemark)/Mads Hansen (Dänemark).
Zuschauer: 13500 (ausverkauft).
Strafminuten: 10/12. antreiben. Gensheimer brachte nur zwei Minuten später im zweiten Versuch einen Strafwurf zum 4:3 unter. Deutschlands Torhüter Andreas Wolff war in überragender Form. Seine an Ballett erinnernden Paraden hinten und Fabian Wiedes beste drei Minuten bei dieser WM sorgten dafür, dass Deutschland mit drei Toren in Front ging. Zur Halbzeit stand es dann 12:10.
Gastgeber gegen Weltmeister, zwei Top-Nationen buhlten um den Sieg. Und das brachte Aggressivität auf die Platte. Selbstvertrauen brachte das aber kaum: Heinevetter hatte Wolff abgelöst, konnte gegen zwei Siebenmeter-Tore aber nichts tun. Rückraumspieler Steffen Fäth blieb ein Unsicherheitsfaktor im Angriff und auch auf der Bank: Zweimal löste er den Auszeit-Buzzer ungewollt aus. Dafür drehten Wiede, Gensheimer und Mittelmann Martin Strobel auf. Strobel übernahm Verantwortung und zeigte sein bestes Spiel bislang. 16:16 hieß es nach 40 Minuten, dann fassten sich die Deutschen immer wieder ein Herz. Wechselnd trafen Strobel (am Ende vier Treffer), Wiede und der eingewechselte Fabian Böhm. Im turbulenten Schlussakt leistete sich Böhm beim Stand von 25:24 aber den fata- len Fehlpass, der Deutschland den Sieg kostete. In der letzten Sekunde glich Frankreich aus.
Eine gute Nachricht gab es aber am Dienstagnachmittag: Brasilien hatte gegen Russland gewonnen und den Deutschen Schützenhilfe geleistet. Brasilien steht nun selbst vor dem Einzug in die Hauptrunde, Russland vor dem Aus. Weil der direkte Vergleich gilt, wäre der deutsche Punktverlust gegen Russland letztlich bedeutungslos für den weiteren Turnierverlauf. Für Deutschland wäre – einen Sieg gegen Serbien (Donnerstag) vorausgesetzt – alles drin.