SAMSTAG, 23. FEBRUAR 2019
Schon bald nach der Abfahrt in Windhoek tauchen Wildtiere neben den Gleisen auf. Zuerst sind es nur ein paar filigrane Springböckchen, die verschreckt aufschauen, bevor sie wieder den Schutz des Dickichts suchen. Kurze Zeit später grast in Sichtweite eine große, graue Oryx-Antilope unbeeindruckt vom Zug-Rattern weiter. Und während der „African Explorer“-Sonderzug in gemächlichem Tempo danach weiter durch die Steppenlandschaft rumpelt, sind vom offenen Aussichtswaggon immer wieder ganz unterschiedliche Tierarten zu sehen. Ein wenig fühlt man sich als Entdecker. Ganz so, als wäre man hier nicht mit einer Reisegruppe auf einer komplett durchorganisierten Reise, sondern zu in einer ganz anderen Zeit unterwegs, als es globalen Tourismus bis in die abgelegendsten Ecken der Welt noch nicht gab.
Zu diesem Gefühl trägt der Zug selbst bei, der sich früher als Shongololo Express (deutsch: Tausendfüßler) schon Jahrzehnte lang durch das südliche Afrika schlängelte. Denn läuft man durch alle 18 Waggons, streift man auf rund 350 Metern viel Geschichte aus unterschiedlichen Jahrzehnten: Die Restaurants ganz vorn stammen aus den 50ern. Die Bar mit offener Beobachtungsplattform am Ende sogar aus den frühen 30ern. Und die Waggons dazwischen? Die wurden einst in den 50er-, 60er- und 70er- Jahren gebaut. Mittlerweile gehören sie zum südafrikanischen Luxus-Zugreise-Veranstalter „Rovos Rail“, der zwar alles modernisierte. Trotzdem stößt man in den holzverkleideten Abteilen nach wie vor auf viele hübsche Details aus der Vergangenheit: die silbernen Armaturen, die alten Hinweisschilder oder das aus der Wand aufklappbare Waschbecken.
All das lässt einen durch die Zeit taumeln, während sich der Zug auf dieser Reise von der namibischen Hauptstadt Windhoek bis ins südafrikanische Pretoria schlängelt. Dabei gibt es Abstecher zu Safaris im Etosha Nationalpark oder zu wuchtigen Landschaften wie der Namib Wüste, der ältesten der Welt. Der Zug steuert Städte mit Kolonialgeschichte genauso an wie das gigantische Diamantenloch in Kimberley. Dadurch wird der „African Explorer“zur nostalgischen Zeit-Reise-Maschine.
Die deutsche Kolonialherrschaft im Südwesten Afrikas zwischen 1884 und 1915 ist zwar schon über 100 Jahre vorbei. Dennoch stößt man in Namibia vielerorts auf Spuren und Echos dieser Zeit. Man trifft nicht nur Deutschstämmige, die an ihren Traditionen festhalten – und welche, für die das ewige Gestern noch nicht vorbei scheint. In der Hafenstadt Lüderitz findet man auch bis heute die Reichs-Apotheke und deutsche Straßennamen auf den Schildern. Nirgendwo aber wird die Verschmel- zung deutscher Historie mit afrikanischem Alltag deutlicher als in Swakopmund. Der Wüstensand kriecht in der Küstenstadt bis an die Wohngebiete und umzingelt ein Stück Afrika, wie es deutscher kaum vorstellbar ist. Es gibt ein Ho- tel „Zum Kaiser“, einen deutschen Buchladen, eine Konditorei und einen Friseursalon. Der „African Explorer“ist eine der raren Möglichkeiten, das Land auf Schienen zu entdecken. „Es gibt wenige Züge in Namibia, vielleicht ein bis zwei pro Woche auf jeder Strecke“, sagt Zug-Manager Senele Mkiza. Weil die Züge sehr langsam fahren, nähmen ohnehin die meisten lieber das Auto.
Die Reise wurde unterstützt durch Lernidee Erlebnisreisen.