Auf die Jubeltaste
Beim politischen Aschermittwoch der CSU zünden kernige Sätze stets am besten. Es geht um Roller, Nazis und Bärte.
PASSAU Franz Josef Strauß steht als Minipüppchen auf einem der Biertische in der Dreiländerhalle. Sein Porträt ziert Bierkrüge. Das Video zur Einstimmung bringt ihn wieder und wieder. Und auch Manfred Weber, Niederbayer und Europa-Spitzenkandidat der Konservativen, greift in seiner Aschermittwochsrede auf das CSU-Urgestein und dessen politisch-geografische Verortung zurück: Bayern als Heimat, Deutschland als Vaterland und Europa als Zukunft. Trotz so viel Strauß wagt die CSU dieses Mal Neues: mit kompromisslosem Einstehen für Europa die Lufthoheit über dem „größten Stammtisch der Welt“gewinnen zu wollen.
Dabei hat schon die Eröffnungsmoderation dieses Ansinnen als Wagnis erscheinen lassen. „Nur jeder Zweite interessiert sich für die Europawahl“, gibt der Moderator zu bedenken, bevor er den üblichen Defiliermarsch anstimmen lässt. Der steht laut bayerischem Protokoll nur Ministerpräsidenten zu. Im letzten Jahr war es Markus Söder noch nicht, doch er „kam damit zurecht“. Nun ist er nicht nur Regierungs-, sondern auch Parteichef. Doch die Bühne überlässt er erst einmal Manfred Weber.
Der testet die Stimmung für Europa. Das Bild von den DDR-Bürgern, die nach ihrer Flucht den europäischen Boden küssen, den Kontinent der Freiheit, es kommt ganz gut an. Auch das Bild von den Deutschen und Franzosen, die ihren Hass überwinden, für den Kontinent der Freiheit, es funktioniert einigermaßen. Deutlich lauter wird der Beifall bei Webers Schilderung von der türkisch-bulgarischen Grenze mit dem 180 Kilometer langen und fünf Meter hohen Zaun. „Damit nicht mehr Mafia und Schlepperbanden entscheiden, wer europäischen Boden betritt“, sagt Weber und weiß damit erstmals den Saal mit den „gefühlt 10.000“CSU-Fans ziemlich lautstark hinter sich.
Weniger enthusiastisch reagieren sie auf seine Vision, mit einer europaweiten Kraftanstrengung den Krebs zu besiegen. Schon freundlicher gehen sie mit seiner Ankündigung um, US-Schutzzöllen „auf Augenhöhe“zu begegnen und sich von Donald Trump nicht erpressen zu lassen. Richtig gut finden sie seine Drohung, amerikanische Internet-Giganten europäischen Regeln und Steuerpflichten zu unterwerfen. Aber als er ruft, dass er als EU-Kommissionspräsident anweisen werde, „die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu beenden“, da ist es, als hätte er eine Jubeltaste gedrückt. Diese Passagen sichern ihm das wohlige Gefühl von minutenlangem Schlussapplaus, zu dem Tausende von den Stühlen aufstehen.
Da hat es sogar Aschermittwochsprofi Söder zunächst schwer, mit neuen Themen die Stimmung wieder hochzubringen. Er beschwört das neue Verhältnis zwischen den Schwesterparteien und gemeinsamen Positionierungen („Die neue der CDU ist die alte der CSU“). Dazu passt, dass mit Paul Ziemiak erstmals auch ein CDU-Generalsekretär in Passau dabei ist. Im dunkelroten Trachtenjanker und mit dem Bekenntnis: „Ich bin ein großer Fan Bayerns.“
Zielstrebig steuert Söder auf seine zentrale Attacke zu. Er geißelt den rechtsextremistischen Kurs der Höcke-AfD und ruft zum Parteiaustritt auf: „Kehrt zurück und lasst die Nazis alleine in der AfD.“Das zündet. Gefolgt wird es von einer originellen Differenzierung zwischen führenden Sozialdemokraten: Parteichefin Andrea Nahles traue er, sagt Söder. Aber von Juso-Chef Kevin Kühnert werde er „kein Auto, kein Fahrrad, keinen Roller kaufen“. Bei der Halbzeitbilanz dürfe die SPD nicht überziehen: „Das No-Groko-Genöle geht den Deutschen auf den Geist“, sagt Söder. Und einen „Linksruck“werde die CSU nicht mitmachen.
Korrekturen verlangt Söder am Konzept für die Grundsteuer-Reform und auch am Entwurf zum Verlust der Staatsbürgerschaft. Das müsse schon für aktuelle IS-Kämpfer gelten. Unter weiteren aktuellen Themen: Die Klimademonstrationen der Schüler seien „schön und gut, aber bitte freitagnachmittags oder samstagfrüh“.
Besonders intensiv distanziert er sich von den Grünen und setzt sich wiederholt mit Grünen-Chef Robert Habeck auseinander. Auch männlich-persönlich. Wie gewöhnlich Habeck bei seinen Auftritten kommt Söder ohne Krawatte, unrasiert und mit offenem Hemd. „So lässig wie der sind wir schon lange, nur wächst bei uns mehr“, sagt er. Und tätschelt sein Stoppelbart-Kinn.