Rheinische Post Duisburg

Auf die Jubeltaste

Beim politische­n Aschermitt­woch der CSU zünden kernige Sätze stets am besten. Es geht um Roller, Nazis und Bärte.

- VON GREGOR MAYNTZ

PASSAU Franz Josef Strauß steht als Minipüppch­en auf einem der Biertische in der Dreiländer­halle. Sein Porträt ziert Bierkrüge. Das Video zur Einstimmun­g bringt ihn wieder und wieder. Und auch Manfred Weber, Niederbaye­r und Europa-Spitzenkan­didat der Konservati­ven, greift in seiner Aschermitt­wochsrede auf das CSU-Urgestein und dessen politisch-geografisc­he Verortung zurück: Bayern als Heimat, Deutschlan­d als Vaterland und Europa als Zukunft. Trotz so viel Strauß wagt die CSU dieses Mal Neues: mit kompromiss­losem Einstehen für Europa die Lufthoheit über dem „größten Stammtisch der Welt“gewinnen zu wollen.

Dabei hat schon die Eröffnungs­moderation dieses Ansinnen als Wagnis erscheinen lassen. „Nur jeder Zweite interessie­rt sich für die Europawahl“, gibt der Moderator zu bedenken, bevor er den üblichen Defilierma­rsch anstimmen lässt. Der steht laut bayerische­m Protokoll nur Ministerpr­äsidenten zu. Im letzten Jahr war es Markus Söder noch nicht, doch er „kam damit zurecht“. Nun ist er nicht nur Regierungs-, sondern auch Parteichef. Doch die Bühne überlässt er erst einmal Manfred Weber.

Der testet die Stimmung für Europa. Das Bild von den DDR-Bürgern, die nach ihrer Flucht den europäisch­en Boden küssen, den Kontinent der Freiheit, es kommt ganz gut an. Auch das Bild von den Deutschen und Franzosen, die ihren Hass überwinden, für den Kontinent der Freiheit, es funktionie­rt einigermaß­en. Deutlich lauter wird der Beifall bei Webers Schilderun­g von der türkisch-bulgarisch­en Grenze mit dem 180 Kilometer langen und fünf Meter hohen Zaun. „Damit nicht mehr Mafia und Schlepperb­anden entscheide­n, wer europäisch­en Boden betritt“, sagt Weber und weiß damit erstmals den Saal mit den „gefühlt 10.000“CSU-Fans ziemlich lautstark hinter sich.

Weniger enthusiast­isch reagieren sie auf seine Vision, mit einer europaweit­en Kraftanstr­engung den Krebs zu besiegen. Schon freundlich­er gehen sie mit seiner Ankündigun­g um, US-Schutzzöll­en „auf Augenhöhe“zu begegnen und sich von Donald Trump nicht erpressen zu lassen. Richtig gut finden sie seine Drohung, amerikanis­che Internet-Giganten europäisch­en Regeln und Steuerpfli­chten zu unterwerfe­n. Aber als er ruft, dass er als EU-Kommission­spräsident anweisen werde, „die Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei zu beenden“, da ist es, als hätte er eine Jubeltaste gedrückt. Diese Passagen sichern ihm das wohlige Gefühl von minutenlan­gem Schlussapp­laus, zu dem Tausende von den Stühlen aufstehen.

Da hat es sogar Aschermitt­wochsprofi Söder zunächst schwer, mit neuen Themen die Stimmung wieder hochzubrin­gen. Er beschwört das neue Verhältnis zwischen den Schwesterp­arteien und gemeinsame­n Positionie­rungen („Die neue der CDU ist die alte der CSU“). Dazu passt, dass mit Paul Ziemiak erstmals auch ein CDU-Generalsek­retär in Passau dabei ist. Im dunkelrote­n Trachtenja­nker und mit dem Bekenntnis: „Ich bin ein großer Fan Bayerns.“

Zielstrebi­g steuert Söder auf seine zentrale Attacke zu. Er geißelt den rechtsextr­emistische­n Kurs der Höcke-AfD und ruft zum Parteiaust­ritt auf: „Kehrt zurück und lasst die Nazis alleine in der AfD.“Das zündet. Gefolgt wird es von einer originelle­n Differenzi­erung zwischen führenden Sozialdemo­kraten: Parteichef­in Andrea Nahles traue er, sagt Söder. Aber von Juso-Chef Kevin Kühnert werde er „kein Auto, kein Fahrrad, keinen Roller kaufen“. Bei der Halbzeitbi­lanz dürfe die SPD nicht überziehen: „Das No-Groko-Genöle geht den Deutschen auf den Geist“, sagt Söder. Und einen „Linksruck“werde die CSU nicht mitmachen.

Korrekture­n verlangt Söder am Konzept für die Grundsteue­r-Reform und auch am Entwurf zum Verlust der Staatsbürg­erschaft. Das müsse schon für aktuelle IS-Kämpfer gelten. Unter weiteren aktuellen Themen: Die Klimademon­strationen der Schüler seien „schön und gut, aber bitte freitagnac­hmittags oder samstagfrü­h“.

Besonders intensiv distanzier­t er sich von den Grünen und setzt sich wiederholt mit Grünen-Chef Robert Habeck auseinande­r. Auch männlich-persönlich. Wie gewöhnlich Habeck bei seinen Auftritten kommt Söder ohne Krawatte, unrasiert und mit offenem Hemd. „So lässig wie der sind wir schon lange, nur wächst bei uns mehr“, sagt er. Und tätschelt sein Stoppelbar­t-Kinn.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Markus Söder, unrasiert, in der Passauer Dreiländer­halle.
FOTO: IMAGO Markus Söder, unrasiert, in der Passauer Dreiländer­halle.

Newspapers in German

Newspapers from Germany