Das Kräftemessen der Wunderkinder
In der Musikhochschule hat die Robert-Schumann-Competition für junge Pianisten unter 20 Jahren aus der ganzen Welt begonnen.
Aus China, Korea, Russland, Ungarn, Italien, Kanada, Australien, Deutschland und noch vielen anderen Staaten sind sie nach Düsseldorf gereist, junge Pianisten zwischen zehn und 20 Jahren. Sie nehmen teil an der Internationalen Robert-Schumann-Competition, die zum zweiten Mal an der hiesigen Musikhochschule ausgetragen wird. Die erste Runde für die Jüngeren ist schon durch, am Donnerstag und in den nächsten Tagen geht es weiter vor Publikum und international zusammengestellter Jury.
Mädchen tragen feine Kleider von schlicht bis bombastisch, Jungs setzen sich mit Anzug und Krawatte, einige gar im Kindergrößen-Frack an den Flügel. Es geht um was. Langsam und konzentriert nähern sich körperlich noch nicht ganz ausgewachsene Musikprofis dem aufgeklappten schwarzen Steinway-Flügel im Partika-Saal. Manche Kinder lächeln bei der Verbeugung, andere bleiben ernst. Lampenfieber liegt in der Luft. Los ging es nun mit einer der jüngsten Kandidatinnen, der Deutschen Julia Kaufmann, Jahrgang 2008.
Fehlerfrei spielte sie Gavotte und Gigue aus der Französischen Suite G-Dur von Bach. Alle müssen unter anderem Bach spielen, so will es die Jury. Beim Hören der technisch nur mäßig schwierigen Suitensätze war noch nicht zu erahnen, welche pianistischen Kräfte in dem Mädchen stecken. Doch das änderte sich furios, denn dann kam Chopin dran: die Etüde gis-Moll op. 25 Nr. 6, die sogenannte „Terzenetüde“. Sie ist ein fingertechnischer Prüfstein für Virtuosen der Tasten. Rasant absolvierte die Kleine die langen Terzenketten. Noch mehrmals begegnete man dieser Etüde im Wettbewerb, denn mit ihr wollen Kandidaten zeigen, was sie manuell schon drauf haben.
Bislang erwies sich das Niveau als sehr unterschiedlich: Manche Kandidaten spielten am Mittwoch sehr ordentlich Klavier, aber erreichten nicht das Niveau der internationalen Oberliga. Und dann griffen plötzlich Musikgranaten wie die Ungarin Ildikó Rozsonits, Jahrgang 2006, in die Tasten, dass einem beim Hören fast der Mund offen blieb. In einen geordneten Wirbelsturm verwandelte sie die Toccata des österreichischen Komponisten Jenö Takacs. Und Schumanns Romanze Fis-Dur op. 28 Nr. 2 gestaltete sie mit Sinn für Nachtstimmung und erhabener Harmonik. Diese Kandidatin gehört auch zu jenen, die Johann Sebastian Bach nicht wie eine Pflichtübung abhaken, sondern mit viel Fingerspitzengefühl zum Blühen bringen.
Bei diesem Kräftemessen zwischen Wunderkindern gibt es drei Alters-Kategorien, damit nicht kleine Kinder gegen Volljährige antreten müssen. Das Köstliche daran: Altersunterschiede, die hinsichtlich Körpergröße teilweise deutlich ins Auge fallen, fanden nun in der musikalischen Darbietung weniger Niederschlag, als man zunächst annehmen mochte: Manch ausgewachsener Kandidat erwies sich gar gegenüber den Jüngeren als unterlegen. Insgesamt zeigte sich bei den Älteren aber schon ein höherer Reifegrad und etwas mehr Kraft beim Forte-Spiel.
Die Jury setzte auch für die Jüngsten hohe Hürden. Denn um eine „virtuose Etüde“, wie es laut Ausschreibungsunterlagen gefordert wird, kommen bei diesem Wettbewerb auch die unter-13-Jährigen nicht herum. Liszts „Waldesrauschen“oder Paganini-Adaptionen und Chopins Konzertetüden erklangen schon in der ersten Runde auf gehobenem Konzertexamen-Niveau – da dürften manch erwachsenem Klavier-Studenten die Oh-
Ohne hohe Musikalität und Brillanz ist hier kein
Blumentopf zu holen
ren geklingelt haben. Zudem muss jeder Kandidat, der sich Chancen auf den Sieg ausrechnet, für die Finalrunde am Sonntagvormittag im Schumann-Saal den Solopart für ein Konzert für Klavier und Orchester auswendig gelernt haben.
Der hohe Anspruch trägt die Handschrift der Organisatorin Barbara Szczepanska, Klavierprofessorin an der Robert-Schumann-Hochschule und selbst auch Mitglied der Jury. „Zunächst müssen die Kandidaten einfach richtig spielen, so wie es in den Noten steht“, sagt sie. Hinzu müsse eine perfekte Technik kommen, die man nur bei manueller Begabung durch intensives Üben erlangen könne. „Wer diese Voraussetzungen nicht mitbringt, sollte an einem Wettbewerb nicht teilnehmen.“Entscheidend sei natürlich die Musikalität: „Wenn ein Kandidat dann noch Persönlichkeit und Originalität zeigen kann, müsste er eigentlich zu den Gewinnern gehören.“
Derweil macht sich ein so groß aufgezogener Wettbewerb nicht von selbst: Zu den Aufgaben der Organisatoren gehörten neben der Auswahl der Jury und des Programms die Kommunikation der Competition an Interessenten in aller Welt. Hinzu kommt die Finanzierung: „Die Stadt Düsseldorf hat großzügigerweise 20.000 Euro beigesteuert“, sagt Szczepanska. Größtenteils sei der Wettbewerb aber privat finanziert. „Wir haben unter den Düsseldorfer Bürgern und auch im fernen China Sponsoren gefunden.“
Schon nach der Startrunde kann man sagen: Die Mühe hat sich wahrlich gelohnt.