Witzige Flaubert-Parodie mit Tiefgang
Das Schauspiel Hannover gastierte im Stadttheater mit „Madame Bovary...“
Es ist eine eigentümliche Gesellschaft, die sich da versammelt und zwischen Plattenspieler, Sesseln, Vitrinen, Klavier und Hammondorgel jener literarischen Frauenfigur huldigt, die seit ihrem Erscheinen zum Inbegriff weiblicher Leidenschaft geworden ist: Emma Bovary. Sie darf als die berühmteste Ehebrecherin der Weltliteratur gelten. Gustave Flaubert schrieb dieses Sittenbild aus der Provinz in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts, ausgehend von einer Zeitungsnotiz. Eine junge Arztgattin aus dem normannischen Ry bei Rouen hatte sich vergiftet. Ihr Leben hatte nicht an jene Träume herangereicht, die eine übermäßi- ge Lektüre von Liebesromanen ihr vermittelt hatte. Die Monotonie des Alltags hatte sie zermürbt. Die hier Versammelten nehmen sich ihres Schicksals an. Die Saiten von drei Celli und einer Violine beginnen zu schwingen, sechs Stimme versuchen einander zu finden.
Zu den Utopie-Akzenten gastierte jetzt das Schauspiel Hannover mit dem Musiktheaterabend „Madame Bovary – allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“von Clemens Sienknecht und Barbara Bürk im leider nur halb gefüllten Duisburger Theater. Die Anwesenden waren aber hernach begeistert, denn wir erlebten hier mehr als eine musiklastige Dramatisierung des Romans und auch mehr als eine respektvolle Parodie in der Nachfolge eines Christoph Marthaler. Schließlich geht es bei Flaubert auch um die Utopie der Kunst als Gegenentwurf zum hässlichen Leben. Johanna Bantzer, Beatrice Frey und Sophie Krauß sind alle drei je eine wunderbare Madame Bovary, in unterschiedlichen Altersklassen, streiten sich auch manchmal, wer die „echte“ist.
Nur Beatrice Frey verwandelt sich kurzzeitig in die Mutter und Schwiegermutter Bovarys und den atheistischen Apotheker Homais. Mathias Max Herrmann, Friedrich Paravicini und Clemens Sienknecht verkörpern die wechselnden, eher lächerlichen Männer-Rollen.
Bewundernswert, wie die Sechs sich in die vielen, zum Teil sehr anspruchsvollen Songs und mehrstimmigen Gesänge stürzen, sich an den Streichinstrumenten versuchen (nur Paravicini ist Profi am Cello). Die drei Damen, von denen zwei aus der Schweiz stammen, singen stellenweise sogar auf Schwyzerdütsch. Aus dem Off hört man den verstorbenen Gert Westphal mit Märchenonkel-Tonfall. Der Wahnsinn wird auf die Spitze getrieben, wenn die Erzählerstimme willkürlich springt und die Darsteller in einen saukomischen Gegensatz zu ihren Aktionen geraten, nach dem Motto „Er beugte sich nieder und betrachtete die Wolken“.