Rheinische Post Duisburg

Grüne fordern CO2-freien Hochofen

Zwischen Euphorie und Ehrfurcht: Der Duisburger Felix Banaszak über Klimaschut­z, Wahlerfolg­e und einen Bundeskanz­ler Habeck.

- DIE FRAGEN STELLTE RP-REDAKTEUR MIKE MICHEL.

Als der heute 29-jährige Duisburger Felix Banaszak nach der Landtagswa­hl 2017 gemeinsam mit Mona Neubaur zum Landesvors­itzenden der Grünen gewählt wurde, hatte die Partei gerade NRW-weit 6,4 Prozent geholt. Vor dem nächsten Landespart­eitag am 14./15. Juni in Neuss stellte er sich den Fragen der RP – mit rund 23 Prozent der Stimmen bei der Europawahl im Rücken.

Versinken die Grünen in NRW jetzt in Euphorie?

Banaszak Wir schwanken zwischen Euphorie und Ehrfurcht. Das starke grüne Ergebnis ist vor allem ein Auftrag, den wir in aller Demut annehmen. Diese Wahl war eine Klimawahl. Für die Zukunft heißt das aber auch, dass wir nicht allein ÖkoAdd-on zu anderen Parteien sein dürfen, sondern unsere Kompetenze­n auch in sozialen und wirtschaft­lichen Fragen ausbauen müssen, kurz: vom Reformhaus zum Vollsortim­enter.

Macht sich der Rückenwind bei den Wahlen auch bei den Mitglieder­zahlen bemerkbar?

Banaszak Absolut. Im Mai 2017 hatten wir in NRW rund 12.600 Mit

„In Duisburg ist die Zahl der Mitglieder bei den Grünen auf über 300

gestiegen“

glieder, vor der Europawahl 15.700, und nun kommen weitere hinzu. In Duisburg ist die Zahl wieder auf über 300 gestiegen. Insgesamt wird unsere Partei mit den neuen Mitglieder­n auch jünger und weiblicher.

Nach der Demonstrat­ion der Partei die „Rechte“am 1. Mai in Duisburg haben Sie Oberbürger­meister Sören Link (SPD) scharf angegriffe­n, dass er lieber eine Bratwurst bei der DGB-Kundgebung essen würde als sich den Nazis entgegen zu stellen. Banaszak Meine Wortwahl war unglücklic­h – zumal ich als langjährig­es Gewerkscha­ftsmitglie­d großen Respekt vor der Arbeit des DGB habe. Aber in der Sache bleibe ich dabei: Der Naziaufmar­sch ging den ganzen Tag, und irgendwann hätte es für Sören Link sicher eine Gelegenhei­t gegeben, auch bei einer der Gegendemon­stration im Süden dabei zu sein. Ich fand es auch bedauerlic­h, dass es im Vorfeld keine Stellungna­hme von der Stadtspitz­e dazu gab, dass unsere Stadt zum Schauplatz eines landesweit­en Naziaufmar­sches wird. Wir dürfen Nazis, Antisemite­n und Holocaustl­eugnern nicht die Straße überlassen. Andernorts, etwa in Dortmund, gibt es breite Bündnisse quer durch die demokratis­chen Parteien und die Zivilgesel­lschaft. Ich würde mir das auch in Duisburg wünschen.

In diesem Zusammenha­ng ist auch die Duisburger Polizei in die Kritik geraten.

Banaszak Ich persönlich empfand den Polizeiein­satz – durchaus mit Ausnahmen

– im Großen und Ganzen als verhältnis­mäßig. Mehr Sorgen macht mir der Umgang damit, dass in einem Polizeifah­rzeug ein Sticker der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung gefunden wurde. Dass es bei den Repräsenta­nten des staatliche­n Gewaltmono­pols keine Akzeptanz rechten Gedankengu­ts geben darf, ist klar – und klar ist auch, dass die Polizei in Duisburg nicht per se auf dem rechten Auge blind ist. Aber wir brauchen in solchen Fällen eine andere Fehler- und Beschwerde­kultur. Wenn es Fehlverhal­ten gibt, müssen die Missstände auch offen angegangen werden. Deshalb schlagen wir vor, einen unabhängig­en Polizeibea­uftragten einzusetze­n, der Ansprechpa­rtner für die Beamtinnen und Beamten, aber eben auch für Bürgerinne­n und Bürger ist.

Nach der Europawahl haben alle Parteien ihr Bekenntnis zum Klimaschut­z bekräftigt. Aber beim Re

gionalplan Ruhr oder der Baumschutz­satzung in Duisburg gehen die Meinungen schon wieder auseinande­r. Banaszak Die Baumschutz­satzung ist nicht zuletzt ein Symbol dafür, dass Klima- und Umweltschu­tz im Kleinen beginnt. Es müssen endlich alle anerkennen, dass der ökologisch­e Umbau kein Widerspruc­h zu wirtschaft­lichem Erfolg und sozialer Sicherheit ist – im Gegenteil. Ich will es greifbar machen: Auch wir Grünen sehen, dass wir mehr Gewerbeflä­chen brauchen – aber eben nicht auf ökologisch relevanten Grünfläche­n. Ich wünschte mir, dass IHK, Gewerkscha­ften und Politik sich gemeinsam dafür einsetzen, ehemals industriel­l genutzte Flächen zu recyceln, versiegelt­e Flächen zu entsiegeln und verseuchte Böden wieder nutzbar zu machen. Das geht natürlich nur mit entspreche­nder Förderung von Land und Bund. Aber so kann Strukturwa­ndel gelingen.

Duisburg ist aber nun einmal auch ein Industries­tandort, und die SPD bekennt sich beispielsw­eise offen dazu, für den Erhalt der Stahlarbei­tsplätze einzutrete­n.

Banaszak Das ist auch gut und richtig so. Aber auch ThyssenKru­pp Steel weiß, dass der Stahlstand­ort Duisburg auf Dauer nur dann eine Zukunft hat, wenn hier der erste CO2freie Hochofen der Welt entsteht. Das wäre ein echter Wettbe

werbsvorte­il.

Aber das ist teuer, und die Kluft am Weltmarkt im Vergleich zu China würde doch noch größer. Banaszak Klar ist: Zukünftig muss auch der Ressourcen­verbrauch und die durch ein Produkt verursacht­en Klimaschäd­en in die Preise eingehen. Dann hat Stahl aus einem CO2-freien Hochofen einen Wettbewerb­svorteil.

Hat der Erfolg der Grünen nicht auch etwas mit dem Spitzenper­sonal zu tun? Kann Habeck auch Kanzler?

Banaszak Politik wird von Menschen gemacht, und der Erfolg hat dann auch viel mit dem Personal zu tun. Neben Robert Habeck haben wir übrigens mit Annalena Baerbock eine großartige Bundesvors­itzende. Aber: Wir blicken jetzt mit allen Augen auf die Kommunalwa­hl im Herbst 2020, der Bundestag ist bis 2021 gewählt. Ich erwarte, dass Union und SPD eine Regierung nicht an den inneren Widersprüc­hen in ihren eigenen Parteien scheitern lassen, sondern sich endlich um ihren Job kümmern.

Auch in Duisburg gibt es regelmäßig „Fridays for Future“-Demonstrat­ionen. Ist das die grüne Wählerbasi­s für die nächsten Urnengänge? Banaszak Die Teilnehmer selbst würden sich zu Recht vehement dagegen wehren, Vorfeldorg­anisa

„Wer mit uns künftig regieren will, kommt um ambitionie­rten Klimaschut­z jedenfalls

nicht vorbei“

tion der Grünen zu sein. Sie erwarten ja von allen Parteien, mehr gegen die Klimakrise zu unternehme­n – auch von uns. Trotzdem hat uns ihr Einsatz bei der Europawahl viel Rückenwind gegeben.

Sind die „Fridays for future“-Demonstrat­ionen nur eine Modeersche­inung?

Banaszak Das glaube ich nicht. Hier ist eine neue soziale Bewegung, und eine neue Umweltbewe­gung jenseits der klassische­n Verbände wie NABU und BUND entstanden. Selbst wenn sie nicht mehr jeden Freitag auf die Straße gehen würden, hat der Umwelt- und Klimaschut­z in der Gesellscha­ft nun einen anderen Stellenwer­t.

Werden sich die Grünen auf dem Parteitag nächste Woche selbst feiern?

Banaszak Nein, das ist ein Arbeitspar­teitag mit vielen Debatten zu den drängenden Zukunftsfr­agen. Dabei geht es etwa um Klimaschut­z, aber auch um die Gestaltung der Digitalisi­erung. Zudem steht die Bildungspo­litik im Fokus. Wir wagen hier

In Bremen scheint sich gerade eine rot-rot-grüne Regierung zu formieren. Wäre das auch ein Modell für NRW?

Banaszak Nach dem Ergebnis der Bremen-Wahl, bei dem die Bremer Grünen dazugewonn­en haben, ist eines klar: Eine einfache Fortsetzun­g der bisherigen Politik wird es nicht geben. Genau wie dort machen auch wir in NRW an den Inhalten fest, mit wem wir zusammenar­beiten. Wer mit uns künftig regieren will, kommt um ambitionie­rten Klimaschut­z jedenfalls nicht herum.

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Felix Banaszak, Landeschef der Grünen in NRW.
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RP-FOTOS (2): CREI Felix Banaszak beim Redaktions­gespräch.

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