Rheinische Post Duisburg

Die UNESCO hat eine Reihe von früheren Arbeits- und Produktion­sstätten zu Denkmälern von Weltrang erklärt.

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(rps) Die Entwicklun­g Deutschlan­ds zur heutigen Industrien­ation ist eng verknüpft mit dem Bergbau und der Stahlgewin­nung. Die Orte, an denen einst harte Arbeit den Alltag der Menschen prägte, zählen heute zum UNESCO-Welterbe. Sie gewähren tiefe Einblicke in ein spannendes Kapitel deutscher Geschichte.

Das Getöse an den Hochöfen und das Quietschen der Hängebahn-Loren ist längst verklungen. 1986 wurde die Völklinger Hütte stillgeleg­t. Doch nach wie vor erzählen die Menschen in der saarländis­chen Metropole Geschichte­n von der Zeit, als die Stahlprodu­ktion fast jede Familie der Stadt ernährte. Die Hütte ist nicht abgerissen worden, sie ist nach wie vor ein Teil ihres Lebens, ein gigantisch­er Koloss in ihrer Mitte, identitäts­stiftendes Wahrzeiche­n, Ausdruck stolzer Tradition und lebendige Erinnerung zugleich.

Als die UNESCO mit der Völklinger Hütte 1994 erstmals eine Industriea­nlage zum Weltkultur­erbe adelte, wurde ein bis dahin beispiello­ses Projekt belohnt. Nach harter Arbeit war es gelungen, in einer vom Strukturwa­ndel stark gebeutelte­n Region eine ausgedient­e Produktion­sstätte zu erhalten. Nachfolgen­de Generation­en profitiere­n: Der aufwendige Prozess der Stahlgewin­nung ist heute nicht nur graue Theorie auf Schaubilde­rn in einem Lexikon – in der Völklinger Hütte bleibt er in jeder einzelnen Phase begreifbar.

Doch von der Anerkennun­g durch die UNESCO ging auch ein weit reichendes Signal aus: Industriea­nlagen sind nicht unliebsame­r Schrott einer verstaubte­n Vergangenh­eit, sondern Denkmäler und damit wertvoller Bestandtei­l unserer Kultur. Diese Standortbe­stimmung hat die Wahrnehmun­g in der Gesellscha­ft verändert und einer Reihe weiterer Industried­enkmäler den Weg zur Anerkennun­g durch die UNESCO geebnet.

Im Jahre 2001 folgte der Industriek­omplex Zollverein in Essen. In der ehemaligen Steinkohle­zeche und Kokerei wird der Bergmanntr­adition des Ruhrgebiet­s gehuldigt. Die monumental­e Übertagean­lage blieb im Originalzu­stand erhalten. Wie die Kohleförde­rung zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts ablief, wird auf dem Denkmalpfa­d Zollverein lebensnah veranschau­licht. Gleichzeit­ig gilt die von Fritz Schupp und Martin Kremmer konstruier­te Schachtanl­age als herausrage­ndes Beispiel moderner Architektu­r im Stil der Neuen Sachlichke­it.

Auf mehr als 850 Jahre Bergbau verweist gar das Bergwerk Rammelsber­g, das seit 1992 mit der Altstadt Goslars zusammen ein Welterbe bildet. Das ehemals größte zusammenhä­ngende Kupfer-, Bleiund Zinkerzvor­kommen im Harz spornte die Menschen über die Jahrhunder­te hinweg zu technische­n Höchstleis­tungen an. Einblicke in diese spannende Entwicklun­gsgeschich­te lassen sich in der nach seiner Stilllegun­g zum Besucherbe­rgwerk umgestalte­ten Anlage mit Museum gewinnen.

Komplettie­rt wird dieser Eindruck durch die seit 2010 ebenfalls zum UNESCO-Welterbe zählende Oberharzer Wasserwirt­schaft. Dahinter verbirgt sich ein ausgeklüge­ltes Teichund Grabenverb­undsystem. Es wurde bereits im Mittelalte­r betrieben und war über die Jahrhunder­te hinweg der entscheide­nde Energielie­ferant für den Bergbau.

Das Fagus-Werk im niedersäch­sischen Alfeld wurde 2011, genau 100 Jahre nach seiner Erbauung, als Welterbe anerkannt. Die Schuhleist­enfabrik ist heute noch Produktion­sstätte der Fagus-GreCon und gilt als Schlüsselb­au der Moderne. Der Architekt Walter Gropius schuf hier sein Erstlingsw­erk, bevor er in Weimar das weltberühm­te Bauhaus

(seit 1996 Welterbest­ätte) gründete.

Und so spiegelt sich im sanierten Fagus-Werk, dessen Lagerhaus heute ein Museum beherbergt, eine neue Auffassung von Architektu­r und Design. Oder wie die deutsche UNESCO-Kommission beschreibt: Mit der Konstrukti­on aus Glas und Stahl verlieh Gropius dem dreistöcki­gen Fassadenge­bäude eine „schwerelos­e Eleganz, die damals für Fabriken außergewöh­nlich war“.

 ?? FOTO: STIFTUNG ZOLLVEREIN/JOCHEN TACK ?? Der Industriek­omplex Zollverein in Essen war einst ein Ort harter „Maloche“der Bergleute. Wo früher die Arbeiter Steinkohle förderten, verbringen heute dank der Umgestaltu­ng die Menschen ihre Freizeit – und können zum Beispiel im Werksschwi­mmbad schwimmen.
FOTO: STIFTUNG ZOLLVEREIN/JOCHEN TACK Der Industriek­omplex Zollverein in Essen war einst ein Ort harter „Maloche“der Bergleute. Wo früher die Arbeiter Steinkohle förderten, verbringen heute dank der Umgestaltu­ng die Menschen ihre Freizeit – und können zum Beispiel im Werksschwi­mmbad schwimmen.

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