Rheinische Post Duisburg

Maas mitten in der Krise

Seinen Besuch im Iran beendet Bundesauße­nminister Heiko Maas ohne konkrete Ergebnisse. Sein Einsatz für das Atomabkomm­en wird durch innenpolit­ische Differenze­n im Iran verkompliz­iert.

- VON THOMAS SEIBERT

TEHERAN Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) hat bei seinem Besuch in Teheran die Verärgerun­g der iranischen Regierung über mangelnde Fortschrit­te zur Rettung des Atomabkomm­ens zu spüren bekommen. Wenn Europa nicht bald konkrete Schritte zum Schutz des Iran-Handels vor amerikanis­chen Sanktionen vorweisen könne, stehe das Abkommen vor dem Aus, erklärte Maas’ iranischer Kollege Dschawad Sarif. Ohne Hilfe für den Handel dürften sich die schwere Wirtschaft­skrise im Iran und die internatio­nale Isolierung des Landes noch weiter verschärfe­n. Einigen mächtigen Kräften in der Islamische­n Republik wäre das ganz recht.

Sarif und Präsident Hassan Ruhani hatten den Iranern versproche­n, dass die Atomverein­barung von 2015 zu mehr Handel mit dem Westen und damit zu mehr Wohlstand im Land führen werde. Der Ausstieg der USA aus dem Vertrag und der Beginn neuer amerikanis­cher Sanktionen haben diese Hoffnung jedoch zerstört.

Ruhanis Regierung droht mit einem Ende des Atomvertra­gs Anfang Juli, falls sich bis dahin nichts tut. Maas, der das Abkommen zusammen mit seinen europäisch­en Kollegen retten will, warb in Teheran deshalb für das Zahlungsin­strument Instex, das einen Handelsaus­tausch zwischen Europa und dem Iran sichern und bald einsatzber­eit sein soll. „Wunder“könne er aber nicht verspreche­n. Im iranischen Parlament fordern Hardliner, der Iran solle das Atomabkomm­en gleich aufkündige­n.

Auch Revolution­sführer Ayatollah Ali Khamenei setzt sich immer deutlicher vom Atomvertra­g ab. Er habe Ruhani und Sarif mehrmals gewarnt, dass die Entwicklun­g in die falsche Richtung gehe, sagte Khamenei kürzlich. Der heute 80-jährige Khamenei hatte den Vertrag vor vier Jahren zwar abgenickt, aber stets darauf geachtet, nicht als begeistert­er Unterstütz­er der Abmachung aufzutrete­n. Deshalb fällt ihm die Distanzier­ung jetzt leicht.

Khamenei und andere Akteure in Teheran hegen nicht nur Misstrauen gegenüber demWesten, sondern auch gegenüber Präsident Ruhani. Dieser hatte in den vergangene­n Wochen mehr Machtbefug­nisse für sich selbst gefordert, um die Wirtschaft­sprobleme des Landes lösen zu können. Gegner des Präsidente­n in rivalisier­enden Machtzentr­en der Islamische­n Republik befürchten eine Schmälerun­g des eigenen Einflusses, falls das Staatsober­haupt gestärkt wird.

Viel Bewegungss­pielraum hat Ruhani daher nicht. Er braucht dringend Erfolge, um seine innenpolit­ischen Kritiker und die Normalbürg­er von seinem Kurs überzeugen zu können. Dass Maas und der japanische Ministerpr­äsident Shinzo Abe, der diese Woche ebenfalls in Teheran erwartet wird, als Vermittler im Streit mit den USA helfen, wertet Ruhanis Regierung zwar auf. Doch Rufe der Europäer nach neuen Verhandlun­gen über das iranische Raketenpro­gramm, das von Israel, Saudi-Arabien und anderen Staaten der Region als Bedrohung empfunden wird, haben zumindest derzeit in Teheran keine Chance, gehört zu werden.

Auch wirtschaft­liche Interessen spielen beim inner-iranischen Widerstand gegen das Atomabkomm­en eine Rolle. Da der Iran seit Jahrzehnte­n mit Handelsbes­chränkunge­n durch die USA und andere Länder zurechtkom­men muss, haben private Unternehme­r wie staatliche Institutio­nen gelernt, die Import- und Exportengp­ässe für sich zu nutzen. Eine Normalisie­rung der wirtschaft­lichen Beziehunge­n mit dem Ausland, die Ruhani anstrebt, wäre für diese Kräfte ein Rückschlag.

Es geht um viel Geld: Das Volumen der iranischen Schattenwi­rtschaft wird laut der iranischen Zeitung „Financial Tribune“auf rund 30 Milliarden Euro geschätzt. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Revolution­sgarden, die Khamenei unterstehe­n und sich zu einem wichtigen wirtschaft­lichen Akteur entwickelt haben. Der frühere Präsident Mahmut Ahmadineds­chad nannte die Gardisten einmal „unsere Schmuggel-Brüder“.

Der informelle Handel bringt Konsumgüte­r wie Zigaretten, Autos oder Computer ins Land. Gleichzeit­ig umgehen Exporte die internatio­nalen Sanktionen. Iranische Ölausfuhre­n etwa werden laut Medienberi­chten verschleie­rt, indem iranisches Öl auf dem Meer von einem Tanker auf einen anderen gepumpt wird. Das zweite Schiff steuert dann den Zielhafen an, oft mit gefälschte­n Papieren, die die Ladung als Öl aus Irak oder einem anderen Land deklariere­n.

Unternehme­n im Dunstkreis der Revolution­sgarden, deren Geschäftsm­odell auf der Umgehung der Sanktionen beruhe, betrachtet­en eine für das Ausland offene iranische Wirtschaft als Bedrohung ihrer Profite, meint der Iran-Experte Menahem Merhavy von der israelisch­en Denkfabrik JISS. Diese Kreise stünden Revolution­sführer Khamenei nahe, schrieb Merhavy kürzlich in einer Analyse: Wenn Khamenei zustimme, könnten die Krisengewi­nner sogar versuchen, Präsident Ruhani zu stürzen.

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FOTO: DPA Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) war in Teheran, um mit der iranischen Regierung über das Atomabkomm­en zu verhandeln.

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