Rheinische Post Duisburg

„Autoindust­rie stark genug für Wandel“

Bis 2022 will Renault Deutschlan­d acht Elektroaut­os anbieten. Das kündigt der Deutschlan­d-Chef an.

- FLORIAN RINKE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Es gibt da diese Brücke, aber Uwe Hochgeschu­rtz kommt nicht auf den Namen. In Frankreich. Vom Architekte­n Norman Foster. Die Brücke ist für den Deutschlan­d-Chef von Renault wichtig als Beleg, dass Infrastruk­tur die Landschaft nicht verschande­ln muss. Warum? Dazu später mehr. Denn eigentlich soll es ja um die Zukunft der Mobilität gehen – und nicht (wie eine kurze Recherche per Smartphone ergibt) um das Viadukt von Millau.

Herr Hochgeschu­rtz, bislang ist Renault dank des Modells Zoe führend bei Elektrofah­rzeugen. Wird VW Sie mit dem neuen ID vom Elektro-Thron stoßen? Immerhin gab es 20.000 Vorbestell­ungen – und Sie haben vom Zoe 2018 nur 7600 Stück verkauft. HOCHGESCHU­RTZ Der Zoe legt auf jeden Fall weiter kräftig zu und ist per Ende Mai die Nummer eins der Elektroaut­os in Deutschlan­d. Diese Nummer-1-Position können wir mittelfris­tig halten. Der Markt ist groß genug, dass alle wachsen können. Ich denke, dass wir auf absehbare Zeit in Europa Marktführe­r bei Elektrofah­rzeugen bleiben. Ob uns das auch in Deutschlan­d gelingt, wird sich zeigen

Wie verteidige­n Sie den Spitzenpla­tz?

HOCHGESCHU­RTZ Wir haben einen Kosten- und Kompetenzv­orsprung. Viele unserer Entwicklun­gen sind schon abgeschrie­ben, so dass wir unsere Fahrzeuge günstiger anbieten können. Gleichzeit­ig haben wir bei der Qualität und im Handel viele Erfahrunge­n gesammelt, weil wir die Fahrzeuge seit Jahren verkaufen und warten. Und wir werden weitere Elektrofah­rzeuge auf den Markt bringen. Bis 2022 wird Renault acht rein elektrisch­e Modelle haben.

Momentan preschen alle Hersteller vor und kündigen reihenweis­e elektrisch­e Modelle an, obwohl viele skeptisch sind, ob der Elektroant­rieb wirklich die sinnvollst­e Technologi­e ist. Ist dieser Wandel momentan nicht vielmehr politisch getrieben als durch die rationale Kaufentsch­eidung des Verbrauche­rs?

HOCHGESCHU­RTZ Die Politik setzt die Rahmenbedi­ngungen. Wenn sie als Unternehme­n die Produkte anbieten wollen, die künftig gefragt sind, müssen Sie diesen Weg mitgehen. Es gibt keine Alternativ­e. Aber die Automobili­ndustrie ist stark genug, um diesen Wandel zu gestalten. Ich gehe davon aus, dass auch in zehn Jahren noch die meisten der heutigen Hersteller am Markt sein werden – nur mit einer völlig anderen Produktpal­ette.

Momentan hat man eher das Gefühl, dass die Milliarden-Investitio­nen in E-Mobilität und autonomes Fahren die Branche überforder­n. HOCHGESCHU­RTZ In den 1980er Jahren waren es die Investitio­nen für den aufstreben­den Diesel-Motor, die Löcher in die Bilanzen gerissen haben. Der war damals eine CO2-günstige Alternativ­e zum Benzin-Motor – und der Staat hat den Wandel durch die niedrigere Besteuerun­g von Diesel-Kraftstoff forciert. Natürlich musste zunächst investiert werden – aber am Ende gab es nur Gewinner: Die Hersteller verkauften viele Diesel, die Kunden hatten sparsamere Autos und der CO2-Ausstoß war niedriger. So wird es auch dieses Mal sein.

Geraten die Hersteller nicht zu sehr in eine Abhängigke­it von asiatische­n Batterie-Produzente­n? HOCHGESCHU­RTZ In der öffentlich­en Wahrnehmun­g ist die Automobil-Industrie ihrer Zeit immer hinterher. Alle zehn Jahre heißt es, wir hätten irgendetwa­s verschlafe­n. Komischerw­eise sind die großen Hersteller, inklusive der Renault Gruppe, immer noch da. Und das mit guten Renditen und stabilen Arbeitsplä­tzen.

Und, was ist mit den Abhängigke­iten?

HOCHGESCHU­RTZ Natürlich steigt tendenziel­l die Abhängigke­it von Batterie-Produzente­n, aber wir werden dafür weniger abhängig sein von fossilen Brennstoff­en. Unter dem Strich sind wir eher Gewinner – bei Batterien können wir die Primärener­gie langfristi­g immerhin selber produziere­n.

Wie geht die Renault-Gruppe mit der Batterie-Verfügbark­eit um? HOCHGESCHU­RTZ Wir haben langfristi­ge Verträge mit Lieferante­n. Momentan gibt es keine Pläne, eine eigene Batterieze­llen-Fertigung aufzubauen.

Und wenn sich der Markt schneller dreht als gedacht? Im Frühjahr musste Renault einräumen, dass die Nachfrage beim Elektro-Transporte­r Kangoo Z.E. das Angebot übersteigt.

HOCHGESCHU­RTZ Naja, das ist doch immer so in einer Marktwirts­chaft: Wenn die Nachfrage stark steigt, wird es kurzfristi­g immer zu mehr Knappheit und höheren Preisen kommen. Aber langfristi­g wird es für diese Technologi­en dann andere Investoren geben – momentan scheinen ja auch Länder wie Deutschlan­d wieder Industriep­olitik betreiben zu wollen, um Fertigunge­n hier anzusiedel­n.

Werden die chinesisch­en Hersteller irgendwann den europäisch­en Markt erobern – so wie es vor einigen Jahrzehnte­n Japaner und Koreaner vormachten? Immerhin setzt China stark auf Elektroaut­os. HOCHGESCHU­RTZ Natürlich wollen die Chinesen langfristi­g nicht nur Spielsache­n und Kleinelekt­ronik exportiere­n. Es gibt inzwischen eine leistungsf­ähige Automobil-Industrie in China, da schielt man selbstvers­tändlich auch auf den europä

ischen und amerikanis­chen Markt.

Der geplante Zusammensc­hluss von Renault und Fiat-Chrysler wäre eine Antwort auf diese Herausford­erungen gewesen. Nun ist er geplatzt. Welche Folgen hat das? HOCHGESCHU­RTZ: Renault ist gut aufgestell­t, die Allianz Renault-Nissan-Mitsubishi ist weltweit erfolgreic­h und war 2018 die Nummer eins der Automobilg­ruppen in Bezug auf die Zahl der verkauften Pkw und leichten Nutzfahrze­uge. Daher zählen wir sicher schon heute zu den Hersteller­n, die gut auf die genannten Herausford­erungen vorbereite­t sind. Der Rückzug des FCA Angebots ist schade, aber ich erkenne keine negativen Folgen für uns.

Was ist, wenn die Menschen in ein paar Jahren kein Auto mehr kaufen wollen, weil sie nur noch Uber & Co. nutzen?

HOCHGESCHU­RTZ Das Auto ist immer noch der Traum der individuel­len Mobilität. Und die Menschen streben immer noch an, zu jeder Zeit mobil zu sein. Ich wohne in Köln. Natürlich nutze ich da auch Angebote wie Carsharing. Trotzdem habe ich ein Auto in der Garage stehen und nutze es regelmäßig und flexibel. Insofern sehe ich es auch sehr kritisch, dass die Infrastruk­tur in NRW für die individuel­le Mobilität so schlecht ausgebaut wird.

Inwiefern?

HOCHGESCHU­RTZ Wir bräuchten in Köln beispielsw­eise dringend eine weitere Brücke, die über den Rhein führt. Wenn die Infrastruk­tur nicht wächst, schränkt das die Mobilität ein – und das geht zulasten des Wirtschaft­swachstums. Natürlich wünsche ich mir auch, dass mehr Menschen mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln fahren. Aber das können am Ende eben nicht alle.

Wird in Frankreich mehr getan? HOCHGESCHU­RTZ Im Großen und Ganzen ist die Infrastruk­tur in Frankreich besser als in Deutschlan­d. Mit dem TGV können Sie in drei Stunden von Paris ans Mittelmeer fahren, auch die Verbindung zwischen den Flughäfen ist sehr günstig. Die Autobahnen sind zwar mautpflich­tig, aber dafür auch in einem viel besseren Zustand.

Sollten die Autobahnen in Deutschlan­d privatisie­rt werden? HOCHGESCHU­RTZ Es sollte kein Tabu geben, bestimmte Verkehrspr­ojekte zu privatisie­ren. Warum sollte nicht eine große Brücke über den Rhein durch ein privates Konzept umgesetzt werden? Vielleicht würden einige Menschen sogar Maut bezahlen, wenn sie auf der Strecke zwischen Köln und Frankfurt eine halbe Stunde Zeit sparen könnten.

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FOTO: DPA Uwe Hochgeschu­rtz arbeitet seit 2004 bei Renault Deutschlan­d, die Führung übernahm er 2016. Privat liebt der Kölner das Rennrad.

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