Silbermond erzählen vom Erwachsenwerden
Im Kulturzentrum Zakk bejubeln 800 Fans den Auftritt einer der erfolgreichsten Deutschrockbands.
VON JÖRG KLEMENZ
Es ist kurz nach 21 Uhr, als sich Stefanie Kloß – zusammen mit ihren drei Jungs Johannes, Thomas und Andreas – ihren Weg von der Bühne aus über die eng gewundenen Stufen des Zakk hinauf auf die Galerie bahnt, verfolgt von staunenden Blicken und seicht klingenden Erinnerungen einer „verbeulten und ramponierten Kindheit“. Silbermond so weit oben, Silbermond so nah. Zwar hatte sich Konzertbesucherin Nina Amininia eine Stunde zuvor im fast leergefegten Biergarten eine besondere Nähe zur Deutschrockband gewünscht; doch dass die Wahlberliner einen derartigen Perspektivwechsel hinlegen, hätte niemand der 800 kreischenden Fans erahnen können.
Und weil sich der herzzerreißenden Powerpop-Ballade „Das Beste“keiner entziehen kann, taucht der Saal sofort willenlos in die silbermondsche Welt von „Ruhe und Zuflucht“ein, vergisst Zakk-Barkeeperin Midal L’Kattaow für einen kurzen Augenblick „den Rest der Welt“und singt ganz leise, mit halb verschlossenen Augen: „Es ist schön, dass es dich gibt“.
Wie alles begann an diesem denkwürdigen Abend? Pünktlich um Acht heben die jungen Frauen in den ersten Reihen ihre Stimmen und Arme. Und die gebürtigen Bautzener, die sich einst als frische Zwanzigjährige in längst vergangenen Hoch-Zeiten des Privatfernsehens für den harten Weg zum Ruhm entschieden, können die Zeit auch nicht anhalten. Stattdessen legen sie liebevoll ein breit-bassiges Geschirr an, gepaart mit zurückhaltend dumpf-vibrierenden Achteln der handgefertigten Becken. „Ich will noch nicht gehen“, Stefanies warmherzige Fragilität presst sich kompromisslos in die Gesichter der Bewunderer, ein hauchdünner Schleier kollektiver Erleichterung legt sich über die eingefleischte Fangemeinde. Langsam“, eine Kampfansage „gegen die Uhren der Zeit“, ein perfekt gewählter Auftakt. Silbermond ist erwachsen. Silbermond ist da.
Erwachsen zu sein bedeutet schließlich auch, ranzugehen an das, was man bisher ausgespart hat, ranzugehen an das Eingemachte. Das wahre Leben ist kein Märchen, die Leichtigkeit des Protagonisten in der grimmschen Erzählung entpuppt sich in Wirklichkeit allzu oft als „das Schwerste dieser Welt“. Die Band erzählt genau davon, „als wär’s das Leichteste der Welt“, melancholisch treibend, vollkommen bei sich. Silbermond wirkt da so authentisch, Silbermond so nah.
Und was bleibt am Ende? „Irgendwas“ist an dieser Stelle wohl zu flapsig und zu wenig konkret, das denken sich auch die vier Hauptakteure aus der Oberlausitz, da muss „Me(h)er sein“. Die Halle schreit „So wie jetzt wird’s nie wieder!“– berauscht von eben dieser Erkenntnis und dem durchdringenden Tempo des Erwachsenwerdens. Sätze wie Löcher gegen die Vergänglichkeit in die Backsteinfassaden des Zakk.
Und um kurz vor Zehn „hat uns der Boden wieder und die Wirklichkeit zurück“. War schön euch in Düsseldorf zu erleben.