Digitaler Unterricht mit Foto vom Deutschbuch
Das Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium setzt als „Talentschule“auf Digitalisierung. Das zahlt sich jetzt aus.
Sarah Spieß unterrichtet Deutsch und Kunst. Sie berichtet, wie am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium versucht wird, trotz der Schulschließungen noch so etwas wie Unterricht stattfinden zu lassen – und das auf digitalem Weg. „Morgens um 9 Uhr werden Aufgaben per E-Mail verschickt, bis 10.30 Uhr können auf dem gleichen Weg Fragen an den Lehrer geschickt werden. Um 14 Uhr müssen die erledigten Aufgaben dann von den Schülern zurückgeschickt werden. Ab der fünften Klasse lernen die Schüler des Gymnasiums den Umgang mit dem Schulserver iserv. „Vor allem im Rahmen der Talentschule wurden zusätzliche Schulen eingerichtet, in denen die Schüler lernen, wie man E-Mails liest, mit Anhang versieht und verschickt“, erläutert Sarah Spieß. Die gelernte digitale Kompetenz könnte nun dazu beitragen, die Lück bis zu den Osterferien zu füllen.
So weit die Theorie. „Reibungslos funktioniert das nicht“, sagt die Pädagogin. Das Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium ist in Marxloh. Und da ist es nicht unbedingt selbstverständlich, dass jeder Schüler technisch so ausgestattet ist, dass er die Aufgaben auch adäquat bearbieten kann. „Viele haben gar keinen Drucker oder teilen sich mit vier Geschwistern einen PC. Manche haben auch nur ein Smartphone, und das ist beim Lesen längerer Texte nicht unbedingt komfortabel“, so Sarah Spieß. Und wenn sich eine Aufgabe auf das Deutschbuch bezieht, aber gerade das in der Schule vergessen wurde, ist Kreativität gefragt. Die entsprechenden Seiten des vergessenen Deutschbuchs werden halt von einem Mitschüler abfotografiert und per WhatsApp-Nachricht verschickt.
Die Lehrer halten nach, welche Schüler die erledigten Aufgaben verschicken. Wahrscheinlich würden viele einfach länger schlafen, als den Vormittag zu Hause lernend zu verbringen. Aber so ganz auf Freiwilligkeit will sich Sarah Spieß in den vermeintlich vorgezogenen und verlängerten Osterferien nicht zurückziehen: „Wir haben schließlich Schulpflicht.“Und der geht man am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium derzeit halt auf anderem Wege nach als durch herkömmlichen Unterricht im Klassenraum.
Der eingeschlagene Weg sollte sich gerade in diesen Pandemiezeiten auszahlen: So ermöglicht das „digitale Klassenbuch“über das Smartphone den Stunden- und Vertretungsplan, aber auch die Stundeninhalte, Hausaufgaben oder den Ordnungsdienst abzurufen – eben auch von Zuhause. So können auch die Klassenlehrer im digitalen Klassenbuch sehen, welcher Schüler in welchem Fach seine Aufgaben (noch) nicht abgegeben hat.
Die Lehrer können auch nicht nur Aufgaben verteilen, sondern auch auf spezielle Lern-Apps verweisen oder Erklär-Videos verschicken. „Die Schüler freut es: Sie können länger schlafen, den Tag selbst strukturieren und vor lauter Langeweile Englisch-Vokabeln lernen“, sagt Sarah Spieß. Als Kunstlehrerin
ist ihr natürlich klar, dass sie nicht so mit Materialien arbeiten kann, als wie es realen Unterricht im Klassenraum möglich wäre. Sie macht aus der Not eine Tugend: So fordert sie in einer Mail die Fünftklässler dazu auf, ein Bild zu malen, der den Blick aus ihrem Fenster wiedergibt – schließlich sind Spiel- und Bolzplätze ja tabu.
Das digitale Lernen ersetze aber keinen Unterricht, erklärte eine Oberstufenschülerin. So antworteten die wenigsten Lehrer auf eine Frage sofort. Schließlich kontrollieren sie nicht permanent ihren E-Mail-Eingang, machen müssen auch ihre eigenen Kinder betreuen. Dazu kommt für den Abiturjahrgang die Ungewissheit bezüglich ihrer Prüfungstermine. „Bis auf eine Schülerin haben wir zum Glück alle Vorabiklausuren noch schreiben können“, berichtet die Gymnasiallehrerin. Sie geht davon aus, dass die ursprünglichen Abiturprüfungstermine wohl nicht gehalten werden können. Vielleicht weiche ja man einfach auf die eigentlich als Nachschreibtermine geplanten Tage aus.
Aber alles geht eben doch nicht digital: Ob es in diesem Jahr noch Abibälle geben kann, erscheint zurzeit eher unwahrscheinlich. Es bleibt später nur der Trost, zum legendären „Corona-Abijahrgang“gehört zu haben.