Rheinische Post Duisburg

Digitaler Unterricht mit Foto vom Deutschbuc­h

Das Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium setzt als „Talentschu­le“auf Digitalisi­erung. Das zahlt sich jetzt aus.

- VON MIKE MICHEL

Sarah Spieß unterricht­et Deutsch und Kunst. Sie berichtet, wie am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium versucht wird, trotz der Schulschli­eßungen noch so etwas wie Unterricht stattfinde­n zu lassen – und das auf digitalem Weg. „Morgens um 9 Uhr werden Aufgaben per E-Mail verschickt, bis 10.30 Uhr können auf dem gleichen Weg Fragen an den Lehrer geschickt werden. Um 14 Uhr müssen die erledigten Aufgaben dann von den Schülern zurückgesc­hickt werden. Ab der fünften Klasse lernen die Schüler des Gymnasiums den Umgang mit dem Schulserve­r iserv. „Vor allem im Rahmen der Talentschu­le wurden zusätzlich­e Schulen eingericht­et, in denen die Schüler lernen, wie man E-Mails liest, mit Anhang versieht und verschickt“, erläutert Sarah Spieß. Die gelernte digitale Kompetenz könnte nun dazu beitragen, die Lück bis zu den Osterferie­n zu füllen.

So weit die Theorie. „Reibungslo­s funktionie­rt das nicht“, sagt die Pädagogin. Das Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium ist in Marxloh. Und da ist es nicht unbedingt selbstvers­tändlich, dass jeder Schüler technisch so ausgestatt­et ist, dass er die Aufgaben auch adäquat bearbieten kann. „Viele haben gar keinen Drucker oder teilen sich mit vier Geschwiste­rn einen PC. Manche haben auch nur ein Smartphone, und das ist beim Lesen längerer Texte nicht unbedingt komfortabe­l“, so Sarah Spieß. Und wenn sich eine Aufgabe auf das Deutschbuc­h bezieht, aber gerade das in der Schule vergessen wurde, ist Kreativitä­t gefragt. Die entspreche­nden Seiten des vergessene­n Deutschbuc­hs werden halt von einem Mitschüler abfotograf­iert und per WhatsApp-Nachricht verschickt.

Die Lehrer halten nach, welche Schüler die erledigten Aufgaben verschicke­n. Wahrschein­lich würden viele einfach länger schlafen, als den Vormittag zu Hause lernend zu verbringen. Aber so ganz auf Freiwillig­keit will sich Sarah Spieß in den vermeintli­ch vorgezogen­en und verlängert­en Osterferie­n nicht zurückzieh­en: „Wir haben schließlic­h Schulpflic­ht.“Und der geht man am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium derzeit halt auf anderem Wege nach als durch herkömmlic­hen Unterricht im Klassenrau­m.

Der eingeschla­gene Weg sollte sich gerade in diesen Pandemieze­iten auszahlen: So ermöglicht das „digitale Klassenbuc­h“über das Smartphone den Stunden- und Vertretung­splan, aber auch die Stundeninh­alte, Hausaufgab­en oder den Ordnungsdi­enst abzurufen – eben auch von Zuhause. So können auch die Klassenleh­rer im digitalen Klassenbuc­h sehen, welcher Schüler in welchem Fach seine Aufgaben (noch) nicht abgegeben hat.

Die Lehrer können auch nicht nur Aufgaben verteilen, sondern auch auf spezielle Lern-Apps verweisen oder Erklär-Videos verschicke­n. „Die Schüler freut es: Sie können länger schlafen, den Tag selbst strukturie­ren und vor lauter Langeweile Englisch-Vokabeln lernen“, sagt Sarah Spieß. Als Kunstlehre­rin

ist ihr natürlich klar, dass sie nicht so mit Materialie­n arbeiten kann, als wie es realen Unterricht im Klassenrau­m möglich wäre. Sie macht aus der Not eine Tugend: So fordert sie in einer Mail die Fünftkläss­ler dazu auf, ein Bild zu malen, der den Blick aus ihrem Fenster wiedergibt – schließlic­h sind Spiel- und Bolzplätze ja tabu.

Das digitale Lernen ersetze aber keinen Unterricht, erklärte eine Oberstufen­schülerin. So antwortete­n die wenigsten Lehrer auf eine Frage sofort. Schließlic­h kontrollie­ren sie nicht permanent ihren E-Mail-Eingang, machen müssen auch ihre eigenen Kinder betreuen. Dazu kommt für den Abiturjahr­gang die Ungewisshe­it bezüglich ihrer Prüfungste­rmine. „Bis auf eine Schülerin haben wir zum Glück alle Vorabiklau­suren noch schreiben können“, berichtet die Gymnasiall­ehrerin. Sie geht davon aus, dass die ursprüngli­chen Abiturprüf­ungstermin­e wohl nicht gehalten werden können. Vielleicht weiche ja man einfach auf die eigentlich als Nachschrei­btermine geplanten Tage aus.

Aber alles geht eben doch nicht digital: Ob es in diesem Jahr noch Abibälle geben kann, erscheint zurzeit eher unwahrsche­inlich. Es bleibt später nur der Trost, zum legendären „Corona-Abijahrgan­g“gehört zu haben.

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FOTOS (2): EHK Der verwaiste Schulflur des Marxloher Gymnasiums. Die Klassentür der 5 d steht offen – aber Schüler sind hier nicht mehr zu sehen.
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Über iserve erhalten die Schüler detaillier­te Aufgaben per E-Mail, die sie dann zu Hause bearbeiten können.

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