„Der Lotse geht von Bord“
Das Machtgefüge im Kaiserreich hatte sich verändert.
Reichskanzler Otto von Bismarck hatte fast zwei Jahrzehnte lang als wichtigster Mann des Staates gegolten, er wurde von seinen Anhängern als Gründer des Deutschen Reichs verehrt. Doch 1888 hatte es im sogenannten Dreikaiserjahr gleich zwei Machtwechsel gegeben. Nach dem Tod von Kaiser Wilhelm I. war ihm Sohn Friedrich III. auf den Thron gefolgt. Der neue Herrscher litt an Kehlkopfkrebs und starb nach nur wenigen Monaten. Und so war es am Ende Wilhelm II., Enkel von Wilhelm I., der erst 29-jährig die Krone erbte. Die Zusammenarbeit zwischen dem über 70-jährigen Bismarck und dem jungen Kaiser war schwierig. Bismarck hielt Wilhelm II. für unreif, der Kaiser seinen Kanzler für nicht mehr zeitgemäß. Mit dieser Auffassung war er nicht ganz allein: Auch andere hielten die Zeit des großen Reichskanzlers für abgelaufen. Wilhelm II. wollte deutlich stärkeren politischen Einfluss ausüben als sein Großvater. Beide Seiten trieben die Auseinandersetzung in die Eskalation. Am Ende stürzte Bismarck über das Sozialistengesetz, dessen Verlängerung er nicht mehr durchsetzen konnte. Im Streit schrieb er sein Rücktrittsgesuch. Am 20. März 1890 entließ Wilhelm II. Otto von Bismarck aus seinem Amt. Nachfolger wurde der politisch eher unerfahrene Leo von Caprivi. Bismarck zog sich nach Friedrichsruh bei Hamburg zurück und verfolgte die Politik seiner Nachfolger mit Groll, vor allem Caprivi wurde stark kritisiert. Acht Jahre nach dem Ende seiner politischen Karriere starb Bismarck im Alter von 83 Jahren.