„Nun setzen wir auf Online-Lehre“
Bald beginnt an den Unis das Sommersemester – wie geplant, nur online. Die Ruhr-Uni hat sich dazu früher als andere entschlossen.
BOCHUM Die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen werden das anstehende Sommersemester ab dem 20. April mit reiner Online-Lehre starten. Ob es während des Semesters eine veränderte Lage erlaubt, dass Präsenzveranstaltungen hinzukommen, sei nicht absehbar, so die Landesrektorenkonferenz der Universitäten und Hochschulen. Insgesamt werden 770.000 Studierende davon betroffen sein. Frühzeitig hat sich die Ruhr-Universität Bochum dazu entschieden, Vorlesungen und Seminare präsenzlos stattfinden zu lassen und den Beginn des Sommersemesters nicht weiter zu verschieben. Kornelia Freitag, Prorektorin für Lehre und Internationales, erklärt, wie dies funktionieren wird.
Frau Freitag, wie kam es zu der Entscheidung, das Sommersemester weitgehend ohne Präsenzveranstaltungen stattfinden zu lassen? FREITAG Wir möchten sicherstellen, dass unsere Studierenden keine Zeit verlieren, dass sie ein vollwertiges
Semester studieren können, in dem sie Kompetenzen und auch die notwendigen Credit Points erwerben können. Sie bekommen ein breites Angebot, wenn es auch ein anderes ist als sonst. Wir möchten den Studierenden den Studienfortschritt ermöglichen, den sie sich vorgenommen hatten – trotz Corona.
Die Ruhr-Universität möchte in allen Fakultäten, in allen Studiengängen digitale Angebote bieten – wie stemmen Sie das?
FREITAG Die Digitalisierung der Lehre ist für uns nichts Neues. Die Krise hat uns quasi mitten in der Umsetzung unserer Digitalisierungsstrategie erwischt. Wir setzen an der Ruhr-Universität auf eine zeitgemäße universitäre Lehre und waren ohnehin auf dem Weg, die Lehre zu digitalisieren. In allen Fakultäten wurden im Zuge dessen Konzepte entwickelt – und als die Krise einsetzte, war uns klar: Nun setzen wir auf die Online-Lehre, früher als geplant und anders als geplant, aber wir können das schaffen. Eigentlich ist der Plan, digitale Angebote und Präsenzlehre im Sinne des Blended Learning zu verschränken – das geht nun in diesen Zeiten nicht.
Wie werden die Lehrenden auf diesem Weg unterstützt?
FREITAG Zunächst mal muss ich sagen: Ich habe große Achtung vor all unseren Kollegen, besonders vor denen, die eigentlich noch nicht vorhatten, digitale Angebote zu entwickeln. Alle lassen sich viel einfallen, geben sich große Mühe und versuchen, das Beste aus den digitalen Möglichkeiten herauszuholen. Sie müssen nun sehr viel mehr Zeit und Anstrengung aufwenden, um Lehrangebote zu machen. Unterstützt werden sie dabei von unserem Zentrum für Wissenschaftsdidaktik. Es hat eine Webseite mit verschiedenen Szenarien aufgesetzt, wie man Präsenzlehre in ein Online-Angebot verwandeln kann. Das wird verständlich in einfachen Schritten erklärt, und natürlich unterstützen wir unsere Lehrenden bei allen ihren Fragen. Und das fakultätsübergreifend. Und auch unsere Digi- und E-Scouts helfen mit: Das sind Studierende, die extra dazu ausgebildet wurden, um Lehrende bei der Konzeption der digitalen Lehre zu unterstützen.
Wie kann digitale Lehre aussehen? Der Professor überträgt seine Vorlesung
an die Studierenden, die vor dem PC sitzen?
FREITAG Das ist eine Möglichkeit. Das Basis-Szenario ist, dass der Dozent über die Plattform Moodle Materialien für die Studierenden einstellt, also Literatur, Aufsätze und ähnliches, und gleichzeitig Schreibaufträge gibt, die die Studierenden dann erfüllen und zurücksenden. Dabei sind Studierende und Lehrende gar nicht gleichzeitig online. Natürlich kann man auch virtuelle Begegnungen herstellen, auch international übrigens. Also, beispielsweise ein Seminar online halten, eine Vorlesung streamen, mit den Studierenden dazu reden oder chatten. Ein weiteres Feature wäre es, dass die Studierenden sich in virtuellen Gruppen über Aufgaben
austauschen, Dinge miteinander erarbeiten. Außerdem gibt es die Möglichkeit der Virtual Reality, also beispielsweise VR-Simulationen von Forschung im Feld; oder der Dozent besucht mit den Studierenden digitale Archive, als Ersatz für die reale Bibliothek.
Stichwort Bibliothek: Die ist ja den Studierenden nicht zugänglich. Wie sollen so Abschlussarbeiten und Seminararbeiten geschrieben werden?
FREITAG Es ist richtig, dass für uns alle der Zugang zu den Bibliotheken existenziell und vieles eben noch nicht über elektronische Zeitschriften oder eBooks zu bearbeiten ist. Hier müssen wir noch eine Lösung finden – wir arbeiten an Szenarien,
wie man sich begegnungsarm auf dem Campus begegnen kann, wenn es wieder möglich ist.
Ein weiteres Problem ist das Lehr-Angebot für Fächer, in denen eigentlich Praxisphasen oder Laboreinsätze vorgesehen wären – gibt es dafür Lösungen?
FREITAG Wir können in unserem Digitalen Sommersemester nicht die ganze Lehre in vollem Umfang ersetzen. Es gibt Studieninhalte, die ohne Präsenz nicht realisierbar sind. Das betrifft Laborpraktika in Chemie oder Physik, das betrifft Feldversuche der Geologen oder Untersuchungen der Biologen in der freien Natur. Und auch unsere Sportwissenschaftler können viele Experimente „am lebenden Objekt“nicht durchführen. Virtuelle Labore ersetzen nicht ganz die praktische Erfahrung in der Realität. Aber natürlich werden die genannten Fächer Angebote bekommen – und wir werden Wege finden, all das nachzuholen, sobald die Labore auf dem Campus wieder nutzbar sind. Genauso sind wir in engem Kontakt mit der Landesregierung und den anderen NRW-Hochschulen: Es geht ja auch darum, dass die Lehramtsstudierenden ihre Schulpraktika machen können, dass die Mediziner in die Praxis kommen. Unsere Botschaft an unsere Studierenden ist: Sie können sich auf die Ruhr-Uni verlassen. Wir machen ihnen gute Angebote.