Getöteter Junge: Kita warnte Jugendamt
Erzieherinnen war Anfang März ein blauer Fleck an dem Fünfjährigen aufgefallen, den sie meldeten.
MÖNCHENGLADBACH Hätte der kleine Junge, der am 21. April in einer Wohnung im Mönchengladbacher Stadtteil Dahl gewaltsam zu Tode kam, gerettet werden können? Die Staatsanwaltschaft hat die Akten des Jugendamtes ausgewertet: Demnach hatten Erzieherinnen der Kita, die der Fünfjährige vor der Corona-Zwangspause besuchte, Anfang März einen blauen Fleck an dem Kind gesehen und das Jugendamt eingeschaltet (WDR, NDR und SZ berichteten am Mittwoch). Staatsanwalt Stefan Lingens bestätigte unserer Redaktion, dass es danach einen Besuch des Jugendamts im Zuhause des Fünfjährigen geben habe. Der Junge lebte mit seinem jüngeren Halbbruder, der 23-jährigen Mutter und deren gleichaltrigem Lebensgefährten in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Der Familie seien Hilfsangebote gemacht worden, doch die seien abgelehnt worden. „Weitere Maßnahmen von Seiten des Jugendamtes gab es zunächst nicht“, so der Staatsanwalt. Der blaue Fleck sei von der Mutter und deren Lebensgefährten damit erklärt worden, dass der Junge häufig hinfalle.
Auch weiteren Menschen im Umfeld des Fünfjährigen – unter anderem einem der beiden leiblichen Väter der zwei Kinder – seien schon früher Hämatome und blaue Flecken an dem Kind aufgefallen, berichtete Stefan Lingens. Zudem gebe es Anhaltspunkte, dass die Mutter die Kinder im Vorfeld der Tat im Haus halten wollte – womöglich damit die Verletzungen nicht gesehen werden.
Die 23-Jährige hatte am 21. April den Notarzt gerufen, weil der Fünfjährige „nicht mehr atmete“. Als die Rettungskräfte eintrafen, war er bereits tot. Weil die Erklärung der Mutter, der Junge sei aus dem Hochbett gefallen, nicht zu den Verletzungen passte, alarmierte der Notarzt die
Polizei. Eine Obduktion der Kinderleiche ergab danach, dass das Kind massive Hämatome an Kopf und Rumpf, innere Verletzungen, ein schweres Schädelhirntrauma sowie eine Hirnschwellung erlitten hatte. Diese seien durch „massive schwere Gewalteinwirkung“auf Kopf und Rumpf verursacht worden, wie Maren Drewitz, Leiterin der Mordkommission, berichtete. Als Täter verdächtigt wird der 23-jährige Lebensgefährte der Mutter. Er sitzt in Untersuchungshaft. Für die Mutter, die wegen Totschlags durch Unterlassen ebenfalls in U-Haft sitzt, ist für Donnerstag ein Haftprüfungstermin angesetzt. Ziel sei ihre Entlassung aus dem Gefängnis, sagte Lingens. Die 23-Jährige beharre auf ihrer Aussage, dass sie nichts mit dem Tod ihres Kindes zu tun habe.
Auf die Frage, ob Jugendamtsmitarbeiter nun zur Rechenschaft gezogen
„Mir geht es um die Frage, wer den Jungen
getötet hat“ würden, antwortete Staatsanwalt Lingens, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht Ziel der Ermittlungen sei: „Mir geht es jetzt darum: Wer hat das Kind getötet? Und wann hat es welche Verletzungen erlitten?“Aufschluss geben solle unter anderem ein feingewebliches Gutachten, das aber noch Zeit in Anspruch nehmen werde.
Das Jugendamt erklärte am Mittwoch noch einmal, dass die Kriminalpolizei die Familienakte angefordert und gleichzeitig untersagt habe, „weitere Akteninhalte oder Teilaspekte gegenüber Dritten zu veröffentlichen, um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden“. Kurz nach der Tat hatte die Stadt mitgeteilt, dass die Familie mit Unterbrechungen seit 2015 durch das Jugendamt begleitet worden sei. Dabei sei es im Wesentlichen um Hilfs- und Beratungsangebote gegangen.
Der jüngere Bruder, der nach dem Todesfall zunächst bei seinen Großeltern war, befindet sich mittlerweile in der Obhut des Gladbacher Jugendamtes.
Staatsanwalt